Boogie Nights

USA 1997 · 155 min. · FSK: ab 16
Regie: Paul Thomas Anderson
Drehbuch:
Kamera: Robert Elswit
Darsteller: Mark Wahlberg, Julianne Moore, Burt Reynolds, Don Cheadle, Heather Graham u.a.
Heather Graham am Pool

Der Godzilla des Pornofilms

Rapper Marky Mark genießt in Boogie Nights die Gebor­gen­heit des Whirl-Pools

Es kommt doch auf die Größe an heißt der Slogan zu Roland Emmerichs demnächst drohendem Super-Action-Gedöhns. Härter, größer und pulsie­render als alles bisherige soll der Film werden. Kurz bevor das Monster in die Kinos kracht, zeigt uns Boogie Nights den Godzilla der Porno-Industrie, die Geschichte von John Holmes, einem Porno­dar­steller, der ob seines gewal­tigen Arbeits­gerätes in den Siebziger Jahren zu Ehren gelangte. Der Regisseur Paul Thomas Anderson hat seinen Film an Holmes steil aufra­gende Karriere angelehnt, und dabei ein Sitten­spiel gedreht, in dem neben Drogen und Sex, auch die handelsüb­liche Tragik von Aufstieg und Fall behandelt wird.

Rapper und Unter­hosen-Model Mark Wahlberg, genannt Marky Mark, spielt einen jungen Mann, der wegen seines unter­halt­samen Körper­teils von dem Sexfilm-Regisseur Jack Horner einen Job angeboten bekommt. Der Begriff Beset­zungs­couch erhält hier seine eigent­liche Bedeutung, schließ­lich muß der Junge seinem zukünf­tigen Arbeit­geber mit einer sogleich bereit­ste­henden Partnerin was vorvögeln. Und schon gehts hinein ins Party­leben der Sexfilm­szene, willige Frauen, gutgerüs­tete Manns­bilder aller­orten, dazu Koks und schnelle Autos. Kein Klei­dungs­stück ist zu peinlich, keine Frisur zu albern, man ist modern und hat seinen Spaß. Schließ­lich sitzt unser Kleiner mit dem außer­ir­di­schen Großen samt seinem Regisseur und einem Kollegen im Whirlpool und schwärmt von seinem Künst­ler­namen, der wie eine Bombe einschlagen soll: Dirk Diggler! Keiner seiner Freunde lacht ihm ins Gesicht und sagt ihm, daß der Name ja komplett bescheuert sei, sondern alle nicken nur zuver­sicht­lich und versi­chern, wie gelungen diese Idee wäre. Dirk findet Unter­s­tüt­zung und Gebor­gen­heit in Jack Horners Umfeld, wo ihm auch das verkrachte Fami­li­en­leben ersetzt wird. Natürlich träumen alle insgeheim von einer seriösen Laufbahn, von großer Kunst und gesell­schaft­li­cher Aner­ken­nung. Doch sie bleiben in ihrem über­schau­baren Milieu bis in den Acht­zi­gern die Video­in­dus­trie den Markt völlig durch­ein­ander bringt. Einige versumpfen im Drogen­handel, einer will eine bürger­liche Existenz aufbauen, die Banker verwei­gern ihm aber den nötigen Kredit, und Dirk landet kurz­zeitig auf dem Strich.
Boogie Nights entzieht sich jeder Etiket­tie­rung, wenn er von skurrilen Anekdoten zu sehr bitteren Momenten wechselt. Der running gag, bei dem ein Mann seine Frau regel­mäßig mit fremden Kerlen erwischt, (»Kannst du heute mal auf der Couch schlafen?«), endet urplötz­lich mit einem Blutbad. Bei einer Art Reality-Porno-Show begegnet eine Porno­dar­stel­lerin dem Typen wieder, der sie damals in der Schule belästigt hat. Teilweise sind es winzige Momente, die hinter den abge­brühten Gesich­tern die schwachen Stellen erscheinen lassen. Mitten­drin thront der freund­liche Pappi Jack Horner, gespielt von Burt Reynolds, der sich ausge­rechnet mit Sätzen wie »Spritz ihr auf die Titten!« als ernst­hafter Schau­spieler zurück­meldet. Der Aufschwung in Reynolds Karriere, der für Boogie Nights zum Oscar nominiert war, beweist, daß doch nicht alles auf die Größe, sondern manchmal auch auf Beharr­lich­keit ankommt. Marky Mark tat bereits bescheiden kund, daß er bei der einzigen Szene, die den legen­dären Penis ins Bild hängen läßt, gedoubelt wurde, und zwar vom Regisseur selbst. Kein Wunder also, daß Anderson dieser Film auf der Seele lag. Oder stand, wenn man so will.