Betty Fisher

Betty Fisher et autres histoires

Frankreich 2001 · 103 min.
Regie: Claude Miller
Drehbuch:
Kamera: Christophe Pollock
Darsteller: Sandrine Kiberlain, Nicole Garcia, Mathilde Seigner, Luck Mervil, Edouard Baer u.a.
Betty und ihre Mutter

Die Masken der Mütter

Bettys Mutter ist verrückt. Und darum wundert es auch niemanden, wenn sie mit schräger Logik auf haar­sträu­benden Ideen verfällt. Betty ist traurig, weil ihr kleiner Sohn gestorben ist? Kein Problem: Dann nimmt man eben kurzer­hand ein Ersatz­kind von der Straße mit.

Anfangs ist Betty ahnungslos und ehrlich empört, als ihre Mutter in totalem Mangel Einfüh­lungs­ver­mögen mit einem kleinen Jungen in ihre Trauer platzt. Angeblich der Sohn einer Freundin, die verreist ist. »Ich hab noch nie so ein häss­li­ches Kind gesehen«, sagt Betty mit einer für sie unty­pi­schen Bruta­lität, geboren aus dem Schmerz des frischer Verlustes. Doch der Kleine, der Kummer gewohnt ist, lässt sich so leicht nicht abschre­cken. Selt­sa­mer­weise scheint die verquere Logik der Mutter tatsäch­lich zu funk­tio­nieren. Schon bald schmilzt Bettys Ablehnung dahin. Und als ihr dann irgend­wann die unerhörte Wahrheit dämmert, zögert sie, das Kind zurück­zu­geben.

Trick­reich führt einen die Geschichte aufs Glatteis. Betty, grandios gespielt von Sandrine Kiberlain, ist dem Kleinen zwei­fellos eine bessere Mutter als die leibliche, der das Kind eigent­lich eher lästig ist. Und so findet sich der Zuschauer unver­se­hens in einem ethischen Dilemma wieder: Im Grunde ist die Lösung für alle Betei­ligten die Beste, wenn sie nur moralisch nicht indis­ku­tabel wäre!

Wann fangen völlig normale Menschen an, verrückte Dinge zu tun? Wann und warum werden sie zu Verbre­chern, zu Mördern oder Kinds­dieben? Das ist eines der großen Themen von Thril­ler­queen Ruth Rendell, deren Roman Die Masken der Mütter als Vorlage für den Film dient. Wie groß ist der Unter­schied zwischen Betty und ihrer Mutter tatsäch­lich? Der Grat zwischen Richtig und Falsch erweist sich als gefähr­lich schmal. Und Unbehagen macht sich breit, wenn man sich zu fragen beginnt, unter welchen Umständen man denn wohl selbst zum Täter werden würde...