Banditen!

Bandits

USA 2001 · 122 min. · FSK: ab 12
Regie: Barry Levinson
Drehbuch:
Kamera: Dante Spinotti
Darsteller: Bruce Willis, Billy Bob Thornton, Cate Blanchett, Troy Garity u.a.
The Brain and the Body – Billy Bob und Bruce

Am Anfang kommt alles Schlag auf Schlag: Joe Blake und sein Spar­rings­partner kabbeln sich im Boxring. Ganz freund­schaft­lich, relaxt, wie das Männer eben so tun, die im Knast ein bisschen die Zeit totschlagen müssen. Aber dann kommt Joes Kumpel Terry vorbei und bejammert seine Wehweh­chen. Weil Joe da einen Moment lang abgelenkt wird, kriegt er eins auf die Nase. Und dann geht’s richtig rund im Ring.

In diesem Joe Blake stecken all die Alter Egos, denen Bruce Willis schon Gesicht und Körper lieh. Hier zum Beispiel mag man an den Boxchamp aus Pulp Fiction denken, der so zulangen konnte, dass der Gegner am Ende gar nicht mehr aufsteht. Joe treibt es nicht ganz so doll, und immerhin ist dieses Tech­tel­mechtel auch nur der Auftakt, eine Art Visi­ten­karte. Im nächsten Augen­blick jeden­falls wird er sich den Baulaster auf dem Gefäng­nishof kapern, alles und jeden aus dem Weg boxen und einfach in die Freiheit durch­bre­chen. Mit dem Mann ist jeden­falls nicht zu spaßen.

Bruce Willis wie er leibt und lebt. Wie man ihn kennt aus seinen von jeher besten Rollen: als Mann für’s Grobe, als Mann der Tat und des Augen­blicks. Jetzt hat er ja, so war’s zumindest zu lesen, etwas Muffen­sausen bekommen ange­sichts des ganz real exis­tie­renden Terro­rismus, und will fürderhin nur mehr Fami­li­en­filme machen, ganz ohne Gewalt und so. Das wäre natürlich schön blöd, aber wir wollen jetzt und hier nicht weiter davon reden, wer hier was falsch verstanden hat.

Immerhin, was den typischen Bruce Willis ausmacht, in Die Hard und Last Man Standing, in 12 Monkeys und Last Boyscout, ist seine Unka­putt­bar­keit eben gerade ange­sichts der Verwund­bar­keit, des arg geschun­denen Körpers. Je härter man ihn rannahm, desto stur­köp­figer weigerte er sich, zu krepieren. Ein Maso­chismus-Macho, ein Über­le­bender. Blut, Schweiß und Tränen waren der Lebens­saft dieses Helden der 90er. Eine Kino-Ikone, die wir besonders dort liebten, wo sie körper­lich ganz am Boden schien. Bruce Willis, eine Art Zellu­loid­ver­sion des Heiligen Sebastian, an dem man ja unter anderem auch sehen kann, wie die Versehrt­heit des Körpers, das Martyrium, immer auch erotisch lesbar ist.

Barry Levinson jeden­falls hat sich nun glück­li­cher­weise nicht kirre machen lassen von den Eskapaden des Meisters, von seinen Gehver­su­chen im »Charak­ter­fach« – siehe The Six Sense, siehe Unbre­a­kable – oder seinen Ausrut­schern in der fami­li­en­taug­li­chen Komödie – siehe The Kid. Levinson setzt Willis in Bandits ein, wie sich’s gehört und verquickt dabei die Stärken des robusten Helden aufs Erfreu­lichste. Komö­di­an­ti­sches Talent hat Willis ja durchaus, das hat er bewiesen in der TV-Serie »Moon­lighting« und dann auch bei Blake Edwards in Blind Date. Komisch, und zwar richtig komisch, darf er also wieder sein in Bandits und bleibt dabei doch jederzeit ganz Körper. Natürlich fehlt dem Body immer was, den brain part muss ein anderer über­nehmen, aber diese Arbeits­tei­lung hat bisher – man denke an Bruce und Samuel L. Jackson in Die Hard: With a Vengeance – ganz passabel funk­tio­niert. Levinson hat sich nun Billy Bob Thornton ausge­sucht als Vertreter der Hirn-Fraktion. Und wenn Sie nun zu denje­nigen gehören, die immerhin schon mal wissen, dass Billy Bob Thornton mehr ist, als nur das Ehege­sponns von Angelina Jolie, sich aber um’s Verrecken jetzt gerade nicht auf die Filme besinnen können, in denen er mit von der Partie war (und das waren nicht wenige), dann kann Ihnen geholfen werden. Nach Bandits wird man sich diesen Mann endgültig merken müssen und es wird einem wahrlich nicht schwer fallen!

Thornton ist Terry Collins, der Mann für die Planungs­ar­beiten und nebenbei der wunder­barste einge­bil­dete Kranke, seit Rock Hudson in Send Me No Flowers beschlossen hatte, sterben zu müssen. Terry hat wahrlich jedes Krank­heits­sym­ptom, das sich die Medizin so hat einfallen lassen. Ohren­sausen und Allergien sind da nur der Anfang. Inter­es­sant wird es ab der Größen­ord­nung Gehirn­tumor. Ein Krank­heits­bild, dass ja gemeinhin von halb­sei­tigen Lähmungs­er­schei­nungen begleitet werden kann. Just diese über­fallen Terry während er gerade ein Tänzchen auf’s Parkett legt. Und wenn’s nur um dieser Szene willen wäre – man müsste den Film einfach lieben!

Joe und Terry also, ein Gauner­pär­chen, unterwegs ins mexi­ka­ni­schen Frei­zeit­pa­ra­dies. Dort wollen sie sich als Hoteliers verdingen. Das nötige Kleingeld klauben sie unterwegs auf, in den Banken und Spar­kassen entlang des Weges. Die sleep-over bandits haben Manieren. Stellen sich dem Direktor der Banken, die sie sich ausge­guckt haben, bereits am Abend vor dem Überfall vor. Und bleiben dann gleich über Nacht. Auch eine Art von one night stand. Und sogar weibliche Schüt­zen­hilfe bekommen die beiden. Cate Blanchett ist der reizende Rotschopf Kate Wheeler. Eine gefrus­tete Anwalts­gattin, die am liebsten Songs von Bonnie Tyler hört und – I need a hero – von einem Helden träumt. Am Ende bekommt sie gleich zwei ab. Levinson ist großzügig in jeder Hinsicht mit diesem Film, alles gibt es im Überfluss, ein wunder­barer Verschwender.

Es gibt natürlich verschie­denste Arten von Komik: den reinen Wortwitz, das möglichst lako­ni­sche Vorbringen trockener Kommen­tare (Bruce Willis beherrscht das vortreff­lich), oder auch die Körper­komik, wie sie Jerry Lewis prak­ti­zierte oder heute Jim Carrey. Und dann jenes Talent, das man ganz selten nur findet: den Komiker, der allein seine Mimik braucht, dem man zuschauen kann dabei, wie seine Gesichts­züge einfrieren oder entgleisen und man könnte sich wegschmeißen vor Lachen. Wahr­schein­lich die höchste unter den komischen Künsten und eigent­lich gab es bislang nur einen Meister in dieser Disziplin, den genialen Cary Grant. Jetzt und beim Betrachten von Bandits, wird einem neben Grant auch Billy Bob Thornton einfallen.

Frien­dship conquers ever­y­thing, immer wieder hat sich Levinson mit diesem Thema beschäf­tigt. Freilich geht es nicht immer so heiter und happy aus, wie im Falle der sleep-over bandits und ihrer Gangs­ter­braut. Schon Levinsons Debüt, Diner, war im Grunde ein zutiefst trauriger, melan­cho­li­scher Film, und Sleepers (auch hier geht die Freund­schaft über jedes Gesetz) ist dann geradezu morbid düster, hoff­nungslos. Wie Gegengift wirken da die Komödien, die Levinson uns zur Abwechs­lung dann immer wieder verab­reicht. Wag the dog, Bandits. Mit Blake Edwards hat Levinson zu Anfang seiner Karriere viel gear­beitet, und er hat offen­sicht­lich gelernt von ihm.

Bandits hat dabei auch eine Menge von den screwball comedies der 30er und 40er sich abge­schaut, von jenen irrwit­zigen Geschichten voll sprühendem Wortwitz, von jenen leicht­füßigen Komödien, die immer auch Käfige voller Narren waren. Alle Betei­ligten haben einen Hau, irgendwie, der liebens­wür­dige Wahnsinn tobt, die Welt steht Kopf. Auch die Rollen­ver­tei­lung zwischen den Geschlech­tern – Männer sind oftmals etwas trottelig und unbe­holfen im Umgang mit Frauen, die hier die Hosen anhaben. Männer müssen zunächst aus ihrem eroti­schen Dorn­rö­schen­schlaf erweckt werden, sind mit ganz absurden Sachen beschäf­tigt, der Jagd auf den clavi­culus inter­costalis zum Beispiel oder der Imitation des Schreis des Schnee­leo­parden. Billy Bob Thornton und Cate Blanchett sind ein wenig Katherine Hepburn und Cary Grant des Jahres 2001 und am Ende, im mexi­ka­ni­schen Hotel­pa­ra­dies, läuft dann tatsäch­lich alles auf ein Bringing Up Baby hinaus.

Levinson hat diese alten Filme, von Hawks und Capra, genau studiert und die Bezüge sind durchaus beab­sich­tigt. In der ersten Nacht, die Kate mit den sleep-over bandits verbringt, Kissen an Kissen mit Joe, müssen Wäsche­leine und Wolldecke zur Trennwand dienen in der Mitte des Bettes. Das hatte sich schon bewährt bei Frank Capra, zwischen Clark Gable und Claudette Colbert in jenem Film, der bis heute gemeinhin als die erste screwball comedy gehandelt wird, It Happened One Night. The walls of Jericho nannten diese beiden acci­dental tourists damals die Vorrich­tung und natürlich dauert es, Anfang der 30er, noch etwas länger, bis die Mauern fallen. Das erotische Knistern aller­dings, zwischen der verwöhnten Göre und dem unter­hemd­tigen Grobian funk­tio­niert genauso, und auch die Tatsache, dass es was Musi­ka­li­sches braucht, um die Mauer zum Einsturz zu bringen, hat Levinson auf charmante Art aufge­griffen.

Und ganz klamm­heim­lich passiert dann noch etwas in Bandits, zwischen Haudrauf Joe und Hypo­chonder Terry, zusam­men­ge­nommen der ideale Mann. Einer die bessere Hälfte des anderen. The body and the brain. Aber: ist nicht der einge­bil­dete Kranke am Ende viel näher dran am Körper? Ist er nicht eigent­lich ganz und gar Körper? So betrachtet wird, para­do­xer­weise, Bruce fast über­flüssig neben Billy Bob. Ganz unbe­ab­sich­tigt freilich, ganz ungeplant. Viel­leicht ist es eben doch einfach Zeit für neue Helden.