The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro

The Amazing Spider-Man 2

USA 2013 · 143 min. · FSK: ab 12
Regie: Marc Webb
Drehbuch: , ,
Kamera: Daniel Mindel
Darsteller: Andrew Garfield, Emma Stone, Jamie Foxx, Dane DeHaan, Campbell Scott u.a.
Spider Man & the kid

Der schier unermessliche Bedarf an Helden

»Sage mir, Muse, die Taten des viel­ge­wan­derten Mannes…« (Homer, Odysee, Erster Gesang)

Eine Filmszene fast am Ende: Ein kleiner Junge zieht sich ein Spider-Man-Kostüm über und tritt dem schreck­li­chen Bösewicht Aleksei Sytsevich entgegen, als er sieht, wie sein Idol, das sich seit Monaten nicht mehr in der Stadt New York gezeigt hat, verspottet wird. Wo bleibt der Superheld? Wie lange wird er sich noch in seiner Trauer verste­cken?

Der Bedarf an Helden war schon immer uner­mess­lich und er wird wohl immer uner­mess­lich sein, solange die Erde beschaffen ist, wie sie es ist. Und wie Homers Helden­ge­schichten immer wieder neu erzählt wurden und Shake­speares große Liebende und Leidende bis heute in immer wieder neuen Spiel­arten die Thea­ter­bühnen bevölkern, so sind auch die Marvel Comic-Helden immer wieder neuen Gestal­tungen unter­worfen. Während die meisten Thea­ter­freunde gern bereit sind, sich die zehnte Hamle­tin­sz­e­nie­rung anzu­schauen, war die Verwun­de­rung der Kinoöf­fent­lich­keit recht groß, als nach der erfolg­rei­chen Spider-Man-Trilogie von Sam Raimi (Ende 2007) schon 2012 eine Neuver­fil­mung des Super­hel­den­stoffes in die Kinos kam. (Die Fallhöhe des Vergleichs sei verziehen.) Kurz­er­hand waren – nach schon weit fort­ge­schrit­tenen Planungen zur Fort­set­zung der Serie mit Sam Raimi und Tobey Maguire – die Gelder für einen Reboot der Serie locker gemacht worden – und siehe da, 2014 ist schon The Amazing Spider-Man 2 da.

Und die Verjün­gungskur macht Spaß (wenn man sich erstmal von den lieb­ge­won­nenen Prot­ago­nisten Tobey Maguire und Kirsten Dunst losge­rissen hat)! Spiderman schwingt sich spek­ta­kulär in 3D durch die Schluchten New Yorks und variiert den Mythos auf recht charmante und insgesamt entschlackte Art. Die große Liebe heißt nun Gwen Stacy (Emma Stone) und weiß um das Geheimnis des Doppel-Rollen­spie­lers Peter Parker/Spider-Man – wie zäh zog sich doch teilweise die Geheim­nis­krä­merei in der alten Serie hin. Parker ist nicht mehr Jour­na­list, sondern macht zusammen mit seiner Gwen den High­school-Abschluss und ist Hobby­fo­to­graf. Der Ton ist lockerer, die Helden nehmen sich ernst, aber nicht allzu sehr. Natürlich werden bekannte Themen aufbe­reitet, wie die Unmög­lich­keit der Liebe zwischen Gwen und Peter, die Klärung seiner Herkunft und des Schick­sals von Peters Eltern, das zeit­wei­lige Miss­ver­stehen Spider-Mans durch die Öffent­lich­keit usw. Aber alles ist frisch und recht intel­li­gent entworfen (aufwän­diges Dreh­buch­team), überz­eu­gend gespielt von Andrew Garfield (The Social Network, Alles, was wir geben mussten) und Emma Stone (Einfach zu haben, The Help) – die wohl auch, Vorsicht Gossip, im echten Leben ein Paar sind (waren?) – und mit fantas­ti­schen Neben­dar­stel­lern besetzt. Jamie Foxx als über­se­hener kleiner Ange­stellter und Verlierer im Groß­kon­zern Oscorp, der sich als mutierter „Electro“ seinen ganzen Frust von der Seele blitzen kann und am Times Square ordent­lich auf die Kacke haut; der wunder­bare Paul Giamatti entblödet sich nicht, den Voll­deppen im Rhino­zeros-Panzer zu spielen und der charis­ma­ti­sche Dane DeHaan ist als ehema­liger bester Freund Peter Parkers, der aus enttäuschter Freund­schaft zu seinem Feind wird, ein würdiger Widerpart als Green Goblin. Nicht zu vergessen Sally Field als Peters Tante May.

Auch das Timing der Einz­el­szenen ist gut und das Hand­lungs­ge­füge geschickt zwischen Humor/Action und Tragik/Romantik ausba­lan­ciert und flüssig erzählt. Das ist durchaus erwäh­nens­wert, denn es gibt genug Gegen­bei­spiele für über­for­cierte und letztlich planlose zweite Teile, die den Zuschauer im endlosen Baller­feu­er­werk verloren gehen lassen (Star Trek Into Darkness).

Die 3D-Technik lotet hier effektiv und lustvoll ihre Möglich­keiten aus, weil die urbanen Häuser-Höhen und -Tiefen geradezu nach der Drei­di­men­sio­na­lität verlangen. So ist The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro natürlich auch ein New York-Film, nicht nur, weil er seine Archi­tektur feiert, sondern auch, weil diese Stadt wie kaum eine andere die Helden braucht und das Aufstehen nach Rück­schlägen. Und ja: Spider-Man taucht noch auf und bringt den kleinen Jungen liebevoll in Sicher­heit, um den Kampf gegen den Schurken höchst­per­sön­lich aufzu­nehmen.