Am Ende ein Fest

Mita Tova

Israel/Deutschland 2014 · 93 min. · FSK: ab 12
Regie: Sharon Maymon, Tal Granit
Drehbuch: ,
Kamera: Tobias Hochstein
Darsteller: Ze'ev Revach, Levana Finkelstein, Aliza Rosen u.a.
Ein Film über den Tod – und das Leben

Das Recht »Gott zu spielen«

»Gott zu spielen«, das amüsiert Yehezkel. Schließ­lich sei auch er ein Ingenieur. Wenn auch seit langem verrentet, ist der alte Herr offen­kundig immer noch recht begabt. Seine offen­kundig vorhan­denen über­schüs­sigen Energien nutzt er in viel­fäl­tiger Weise. So weckt er eine Mitbe­woh­nerin in dem Heim für alte Leute, in dem er lebt, indem er einen selbst­kon­stru­ierten »Stim­men­ver­än­derer« betätigt, die seine Stimme, wie die Gottes klingen lässt.

Diese lustige, aber auch abgrün­dige Eröff­nungs­szene setzt den Grundton für diese schwarze Komödie, die je länger sie dauert, zunehmend seriöser wird. Von Anfang an täuscht die aufge­tra­gene fröhliche Laune aber ein wenig: Yehezkels geliebte Ehefrau Levana leidet nämlich an Alters­de­menz – zwar noch in sehr frühem Stadium, doch die Krankheit schreitet schnell fort. Beider enge Freunde Yana und Max machen zugleich gerade eine sehr schwere Phase durch: Max leidet an einer unheil­baren Krankheit und möchte sterben. Er hofft zwar auf die Hilfe von Dr Daniel, einem Tierarzt, der im gleichen Wohnblock wohnt, und eine große Erfahrung darin hat »Tiere um die Ecke zu bringen.« Doch bittet Yana den Inge­nieurs­freund um Hilfe, sehr zum Ärger seiner Frau.

Zu Beginn lernt man zunächst einmal den Freundes- und Bekann­ten­kreis dieser alten Leute kennen. Sie leben in wohl­ha­benden bürger­li­chen Verhält­nissen in einem Alten­wohn­heim. Ihr Leben ist den Umständen entspre­chend angenehm: Man ist gebrech­lich und langsam und in verschie­dener Hinsicht einge­schränkt, aber gewinnt dem Leben noch etwas ab.
Ingenieur Yehezkel konstru­iert dann eine Eutha­nasie-Maschine, die auf perfekte Weise einen sanften Tod ermög­licht. Zunächst freuen sich alle über die Sicher­heit, gege­be­nen­falls den Tod endlich frei wählen zu können. Schnell spricht sich die Erfindung im Senio­ren­heim herum, und bald melden sich immer mehr Inter­es­senten, die von ihr profi­tieren wollen.

Doch als ausge­rechnet Yehezkels Ehefrau Levana sich tatsäch­lich anschickt, diese Möglich­keit in Anspruch zu nehmen, und sich von dem Gedanken nicht abbringen lassen will, holen ihren Gatten die Folgen seiner Erfindung ein. Und nicht nur er reagiert abweisend.

Altern, Gebrech­lich­keit, erst recht das Sterben und insbe­son­dere die Sehnsucht, zu sterben, das so proble­ma­ti­sche wie facet­ten­reiche Thema »Freitod« und »Eutha­nasie«, sind brisante Themen­felder, die vom konven­tio­nellen Kino in der Regel ignoriert werden: Hal Ashbys Harold and Maude ist schon sehr lange her, David Finchers Benjamin Button eine Ausnahme, die auch nur zum Teil mit dem Sujet zu tun hat. So bleiben Alejandro Amenabars Das Meer in mir und Michael Hanekes Amour, als die zwei verein­zelt stehenden Beispiele.

In Mita Tova (Am Ende ein Fest) greifen Sharon Maymon und Tal Granit jetzt gemeinsam mit vielen anderen Tabu­themen aus diesem Umkreis – Depres­sion, Demenz, die Über­for­de­rung des medi­zi­ni­schen Personals – die politisch viel debat­tierte Proble­matik auf. Sie erzählen, durchaus mit einer beacht­li­chen Portion Humor und Heiter­keit, von Altern und Hinfäl­lig­keit, vom Sterben und vor allem von dem Doppel­ge­sicht der Eutha­nasie.

Hat der Mensch das Recht, »Gott zu spielen?« Das ist die zentrale Frage dieser philo­so­phi­schen Komödie, die es sich nicht leicht macht, den Konflikt zu entscheiden. Zunächst einmal hat es etwas Tröst­li­ches, Ermu­ti­gendes, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. Aber worin genau liegt die Würde des Menschen? In der Selbst­be­stim­mung als einem zentraler Wert unseres Zeit­al­ters? Oder doch eher im Verzicht darauf, alles Machbare auch zu reali­sieren?

Filmäs­t­he­tisch ist dies ein Main­stream­film: Gefällig, »heiter« im Grundton, es gibt viele schöne Einfälle und Szenen. Ob ein alter Mann, der findet, es sei Zeit für sein homo­se­xu­elles »Coming Out«, oder einfalls­reiche Täuschungs­manöver, mit dem man sich das Kran­ken­haus­per­sonal vom Leibe halten will, oder der Abschied von einem Lungen­krebs­pa­ti­enten mit einer »Raucher-Party«. Erst in seinem letzten Drittel legt der Film allen Humor ab und meint es wirklich ernst. So gelingt ihm die Grat­wan­de­rung, ein Film über den Tod zu sein, und am Ende vor allem das Leben, also auch die Freiheit zu feiern.