About Schmidt

USA 2002 · 125 min. · FSK: ab 6
Regie: Alexander Payne
Drehbuch: ,
Kamera: James Glennon
Darsteller: Jack Nicholson, Hope Davis, Dermot Mulroney, Kathy Bates u.a.
Mulroney, Davis und Nicholson

There's Something About Schmidt

Es gehört zu den sonder­baren Para­do­xien unserer Zeit, dass die Medien zu einer krank­haften Fixierung auf die Jugend (bis hin zur Infan­ti­li­sie­rung) neigen, während die Bevöl­ke­rung im Schnitt immer älter wird und unsere Gesell­schaft langsam vergreist.
Der Regisseur Alexander Payne, der mit seinem Film Election schon sehr eindrucks­voll bewiesen hat, dass er auch dem Teenie-Film eine intel­li­gent bissige Note verleihen kann, trägt dieser Entwick­lung Rechnung, indem er mit About Schmidt eine sehens­werte Senioren-Horror-Komödie präsen­tiert.

Vor allem der Horror Vacui ist es, der den 66jährigen Versi­che­rungs­an­ge­stellte Warren Schmidt (Jack Nicholson) befällt, nachdem er mit schmerz­haft freund­li­chen Worten in die Rente kompli­men­tiert wurde. Nach außen hin gezwun­ge­ner­maßen froh über den »wohl­ver­dienten« Ruhestand, hält es Schmidt tief im Herzen doch mehr mit dem klas­si­schen Motto Bartlebys: I would prefer not to.
Denn zu Hause erwartete ihn eine Frau, der er nach 42 Ehejahren nichts mehr zu sagen hat (viel­leicht auch nie etwas zu sagen hatte), ein perfekt adrettes Heim, in dem es ihm nicht einmal erlaubt ist, im Stehen zu pinkeln und ein riesiges Wohnmobil, das Schmidt nie wollte und das ihn dazu verdammen soll, ähnlich dem Flie­genden Holländer, rastlos durch Amerika zu ziehen.

Doch daraus wird vorerst nichts, denn das Leben hält für Schmidt weitere Nacken­schläge bereit. Erst muss er fest­stellen, dass die letzten Jahre seiner Versi­che­rungs­ar­beit schon wenige Tage nach seinem Ausscheiden Makulatur sind, dann stirbt über­ra­schend seine Frau, was ihn zutiefst trifft (wobei es ihn scheinbar noch mehr erschüt­tert, dass es ihn überhaupt berührt) und schließ­lich erkennt er, dass seine geliebte, ehemals so hoff­nungs­volle Tochter, im Begriff ist, einen lächer­li­chen Holzkopf zu heiraten.

Nach einer kurzen Phase der Resi­gna­tion und Selbst­auf­gabe, erkennt Schmidt endlich seine Bestim­mung: Er muss die Hochzeit seiner Tochter verhin­dern, um sie vor einem schweren Fehler zu bewahren.
Mit einigen Umwegen macht er sich also auf zur Familie seines zukünf­tigen Schwie­ger­sohns, um zu retten was zu retten ist, doch die Schatten aus der Vergan­gen­heit verfolgen ihn hart­nä­ckig und zum wahren Helden fehlt Schmidt der Mut, die Entschlos­sen­heit und viel­leicht sogar der Wille. Er wird deshalb (so viel kann man verraten) auf die jämmer­lichste Weise versagen.

About Schmidt ist ein sehr unty­pi­scher, zutiefst mensch­li­cher (aller­dings im Sinne von realis­tisch und nicht von human), meist amüsanter und stel­len­weise tragi­scher Film.
Es ist erfreu­lich, einmal nicht nur junge, gesunde, erfolg­reiche und clevere Menschen zu sehen oder das Klischee des jung geblie­benen, weisen, aktiven und wohl­ha­benden »älteren Mitbür­gers« vorge­setzt zu bekommen. Schmidts ordent­liche Privat­hölle, in der er ohne Perspek­tive von ewig freund­lich lächelnden Menschen umgeben ist, ängstigt einen dabei weit mehr, als die Lebens­krisen von Puber­tie­renden und Twen­ty­so­me­things, mit denen man übli­cher­weise im Kino konfron­tiert wird.

In vielerlei Hinsicht ist About Schmidt auch ein sehr mutiger Film. Nicht nur weil er sich des Standards der Schönen und Erfolg­rei­chen verwei­gert, sondern vor allem auch deshalb, weil er bis zum Schluß eine derart negative und hoff­nungs­lose Stimmung zeigt, wie man sie sonst eigent­lich nur aus dem sozi­al­kri­ti­schen Kino Englands kennt, mit dem entschei­denden Unter­schied aber, dass hier die Schuld für die vorlie­gende Misere nicht bei dem »System«, der Politik oder der Gesell­schaft, sondern bei den (Mit)Menschen gesucht und gefunden wird.

Auch der Humor des Films ist gewagt, wobei wie so oft gilt: Wer etwas wagt, kann nicht nur gewinnen, sondern auch einmal daneben liegen. Das ist immer dann der Fall, wenn der Film für kurze Zeit ins Klamauk- und Klamot­ten­hafte abrutscht, was nur mäßig zum ruhigen, sarkas­ti­schen, perfiden, beinahe bösar­tigen Humor des rest­li­chen Films passt.
Lobens­wert ist dabei auch, dass der Regisseur Payne keines­wegs glaubt, die Komödie neu erfinden zu müssen und er statt­dessen (wie es auch in der modernen Küche gemacht wird) altbe­kannte Rezepte verfei­nert und mit großem Können umsetzt.
Während z.B. in den üblichen Komödien der »clash of cultures« so extrem als möglich konstru­iert wird (etwa: stein­rei­cher, engli­scher Aris­to­krat trifft auf asoziale Groß­stad­tame­ri­kaner), reichte es Payne, den Mittel­schicht­s­ame­ri­kaner Schmidt auf die Obere-Unter­schichts­fa­milie seines Schwie­ger­sohns prallen zu lassen, um bizarre Gegen­sätze aufzu­zeigen.

Payne sucht nicht das Extreme oder Über­zo­gene (von der fürch­ter­li­chen Frisur von Dermot Mulroney als Schwie­ger­sohn einmal abgesehen) und insze­niert seinen Film dem entspre­chend. Kamera, Musik und Schnitt unter­s­tützen die ebenso unauf­ge­regte wie unauf­halt­same Geschichte, ohne schrille Effekte aber mit präzisen Akzenten.
Die Schau­spieler dagegen schöpfen aus dem Vollen, agieren knapp an der Grenze zur Karikatur, schaffen es dabei aber immer glaubhaft und mensch­lich (oft allzu­mensch­lich) zu bleiben.
Die viel gerühmte Leistung von Jack Nicholson ist in der Tat bemer­kens­wert, wobei man nicht den Fehler begehen sollte, ihm schon seine unty­pi­sche Rollen­wahl und ein starkes Make-up als große Schau­spiel­kunst anzu­rechnen. Wahre Größe zeigt auch Nicholson in den unauf­fäl­ligen Szenen, etwa seiner Hoch­zeits­an­sprache, die vorder­gründig wie ein Kniefall vor dem versöhn­li­chen Kitsch­kino erscheinen mag, in Wirk­lich­keit aber eine erschüt­ternde mensch­liche Bank­rotter­klä­rung ist.

Faszi­nie­rend ist About Schmidt zudem in seiner scho­nungs­losen Darstel­lung der mensch­li­chen Schwäche. Die Erkennt­nisse, die man aus diesem Film ziehen kann, sind im Moment so gültig und aktuell wie eh und je. Zum einen zeigt About Schmidt, dass nicht jedem Verlierer zwangs­läufig ein Gewinner (bzw. »Sieger« wie es in Zeiten wie diesen vermut­lich heißt) gegenüber steht, sondern manchmal alle Betei­ligten verlieren. Und zum zweiten sehen wir, dass echtes Versagen und Scheitern, nur selten fulminant und von solch drama­ti­scher Größe ist, wie uns Hollywood gerne weismacht.
Zum Glück liefert About Schmidt das beste Gegen­mittel zu diesen bitteren Einsichten gleich mit: Lachen! Lachen über die Menschen, über die Welt, das Leben überhaupt und vor allem über den kleinen Schmidt in uns allen.