Absolute Power

USA 1997 · 120 min. · FSK: ab 12
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch:
Kamera: Jack N. Green
Darsteller: Clint Eastwood, Gene Hackman, Ed Harris, Judy Davis u.a.

Luther Whitney sitzt in einer Galerie und kopiert Bilder alter Meister. Die Augen­par­tien bereiten ihm Schwie­rig­keiten, und er zeichnet sie wieder und wieder. Eine Frau kommt auf ihn zu. »You don’t give up, do you?« fragt sie.

Luther Whitney wird gespielt von Clint Eastwood, und mit jener Szene läßt dieser seinen neuesten Film Absolute Power beginnen. Wie vieles in diesem Film ist auch sie durchaus program­ma­tisch und auto­bio­gra­phisch zu verstehen.

Luther Whitneys eigent­liche Profes­sion ist die eines Meis­ter­diebs. Er ist von der alten Schule – perfekt durch­ge­plantes Handwerk, jedes Detail berechnet, Grips statt Gewalt.
Ein Coup soll ihm noch gelingen, dann möchte er sich zur Ruhe setzen. Aber bei seinem Einbruch in der Washing­toner Villa des Multi­mil­lionärs Walter Sullivan (E.G. Marshall) kommt Whitney das Schicksal in die Quere. Verborgen hinter einem Einweg­spiegel, wird er Zeuge, wie die Ehefrau Sullivans das Schlaf­zimmer mit einem Liebhaber betritt. Was als Liebes­spiel beginnt, gerät bald außer Kontrolle, und als sich Mrs. Sullivan mit einem Brie­föffner den gewalt­tä­tigen Avancen ihres Partners erwehren will, stürmen zwei Agenten des Secret Service den Raum und strecken die Frau mit Schüssen nieder. Der Liebhaber ist Alan Richmond – Präsident der Verei­nigten Statten von Amerika.
Whitney gelingt es, vom Schau­platz des Verbre­chens zu entkommen, doch damit beginnt erst das nerven­auf­rei­bende Katz- und Mausspiel zwischen ihm, Richmond (Gene Hackman), den Geheim­agenten (Scott Glenn und Dennis Haysbert) und Richmonds Stabs­chefin Gloria Russell (Judy Davis).

Eastwood und sein Dreh­buch­autor William Goldman waren bei ihrer Adap­ta­tion des Best­sel­lers von David Baldacci offen­sicht­lich wenig an dessen sensa­tio­na­lis­ti­schen Aspekten inter­es­siert. Statt dessen präsen­tieren sie ein subtiles und böses Kammer­spiel, daß sich auf wenige Figuren konzen­triert.

Bei einer solch hoch­karä­tigen Besetzung, wie sie Absolute Power aufzu­weisen hat, ist dies auch nur zu begrüßen. Es ist eine Freude, Clint Eastwood, Gene Hackman, Ed Harris, Scott Glenn und Judy Davis in einem Film versam­melt zu sehen, und Eastwood kostet die Gele­gen­heit aus, sie alle sich in immer neuen Konstel­la­tionen schau­spie­le­ri­sche Duelle liefern zu lassen (die, so habe ich mir sagen lassen, aller­dings mal wieder unter der deutschen Synchro­ni­sa­tion schwer gelitten haben).
Allein die Szene, in der Judy Davis und Gene Hackman mit einem Tanz lächelnde einen Ball im Weißen Haus eröffnen müssen, während sie sich tödliche Gemein­heiten zuflüs­tern, ist da schon das Eintritts­geld wert.

Mit Absolute Power ist Eastwood ein bewußt unspek­ta­ku­läres, kleines filmi­sches Juwel gelungen – ein Film um die Frage nach dem Wert von Handwerk und Kunst, um Voyeu­rismus, und darum, wie immer wieder die Frauen auf der Strecke zu bleiben haben, wenn Männer Großes voll­bringen wollen.
Der Film setzt auf Genau­ig­keit und Hinter­grün­dig­keit anstatt auf Tempo und Effekte. Daß er damit in der heutigen Kino­land­schaft eher anachro­nis­ti­sche Werte vertritt, ist Eastwood durchaus bewußt. »Your life would be so much easier if you'd learn how to program a video recorder« sagt jemand zu Whitney/Eastwood, und dieser antwortet trocken: »Truer words were never spoken.«