13 Geister

13 Ghosts

USA 2001 · 91 min. · FSK: ab 16
Regie: Steve Beck
Drehbuch: ,
Kamera: Gale Tattersall
Darsteller: Tony Shalhoub, Matthew Lillard, Shannon Elizabeth u.a.
Matthew Lillard hat Angst

Zu Beginn das Bild eines Friedhofs. Keine mensch­li­chen Leichen, nein, wir sehen über­ein­an­der­ge­sta­pelte Schrott­autos, Wracks, idyllisch, homogen beschienen im blauen Schein der ameri­ka­ni­schen Nacht. Einer der Wagen hängt verloren im Gegen­licht am Stahlseil eines Krans und macht so Asso­zia­tionen auf zum Gehängten, dem Stran­gu­lierten. Es folgt das Revival des Geis­ter­ja­gens im neuen Jahr­tau­send, mit einem Aufwand an Effekten von dem Pete Venkman und Konsorten während der ‘80er Jahre in Ivan Reitmans Ghost­bus­ters I und II wahr­schein­lich nicht einmal träumen konnten. Metall­türme stürzen ein, begraben die Jäger unter sich, die Kamera bewegt sich in eksta­ti­schem Zeit­raffer vor und zurück, um uns die Allmacht des gejagten Geistes jenseits der Natur­ge­setze vers­tänd­lich zu machen. Es ist viel Gedröhne und Gezische aus den Boxen im Saal zu vernehmen und endlich findet unser Untoter seinen Weg in die gläserne Zelle. Ende des Epilogs.

Sprung in eine andere Idylle, die der ameri­ka­ni­schen Klein­fa­milie Kriticos und 13 Ghosts beeilt sich auch dort das Grauen einzu­pflanzen. Gediegen und ruhig fährt die Kamera in endloser Bewegung über die Heime­lig­keit des Zuhauses, um im Off das wilde Geschrei der Bewohner, die Opfer eines Brandes werden, in hartem Kontrast zu insze­nieren. Die Credits werden einge­blendet, als wären sie in die Attribute des bürger­li­chen Heimes gleichsam einge­brannt und wieder umfängt uns die Atmo­s­phäre des Friedhofs, alles was vorher Zeichen der Sicher­heit eines alltäg­li­chen Wohnens zu sein schien ist jetzt Grabstein, beschriftet, tituliert, schließ­lich ausge­brannt. Der Vater Arthur Kriticos und seine beiden Kinder Kathy und Bobby verlieren dieses Zuhause und ihr gesamtes Geld, enden zunächst in einer kleinen, viel zu engen Wohnung irgendwo im Keller eines Miets­hauses, die Haus­häl­terin Maggie ist die letzte verblie­bene Spur eines gewissen Luxus. Was aber am meisten schmerzt ist der Verlust der Mutter, die inte­grie­rende und zusam­men­hal­tende Wärme ihrer Liebe.

In das Bild der kollek­tiven Trauer tritt die Verfüh­rung in Gestalt eines geschnie­gelten, aalglatten Anwaltes, der der Familie eine Erbschaft offeriert. Onkel Cyrus, Ober­geis­ter­jäger des Epilogs und in eben jener Szene auch gestorben, hinter­lässt ein schmuckes Haus im Grünen, bzw., im Hinblick auf das Genre: fernab der Zivi­li­sa­tion, sprich, fernab irgend­einer Form von Hilfe im Notfall, der so sicher kommen wird wie das Amen in der Kirche. Die Szene ist lustlos insze­niert, es wird schnell klar, dass es nur darum geht die Familie möglichst schnell in Cyrus' Haus zu bekommen. Zwei Stunden dauere die Fahrt zur Erbschaft, lässt der Anwalt verlauten, die Figuren machen sich, nachdem sie frühmor­gens gerade noch gefrühs­tückt hatten, sofort auf den Weg und kommen in der tiefsten Schwärze der Nacht an. Das lässt uns zwei mögliche Inter­pre­ta­tionen offen: entweder wir haben es hier mit einem besonders kurzen Tag zu tun oder das Haus selbst ist das manifest gewordene Böse, der Höllen­pfuhl, der keinen Licht­strahl bestehen lässt und in ewiger Dunkel­heit verfangen bleibt. Die zweite Alter­na­tive ist natürlich die richtige und man ist versucht zu sagen, dass dieje­nigen, die das Haus gesehen haben und dann auch noch hinein­gehen, den Tod irgendwo verdient haben, weil ihnen in ihrer Dummheit einfach nicht zu helfen ist. Der Bau ist ganz aus Glas und Stahl, kryp­ti­sche Zauber­sprüche in latei­ni­scher Sprache zieren die Fenster, die Trenn­wände aus Glas im Inneren. Durch die Exzentrik, den extra­va­ganten Lebens­stils eines verstor­benen Onkels lässt sich das nicht mehr recht­fer­tigen. Der Schlüssel ist kein Schlüssel, sondern die offen­sicht­lichste Auffor­de­rung die Seele an den Belzebub zu verkaufen. Aber natürlich geht die ganze Mann­schaft brav hinein, um ihre Aben­teu­er­chen zu bestehen.

Gilbert Adler, Joel Silver und Robert Zemeckis haben 13 Ghosts produ­ziert, ihrer­seits auch verant­wort­lich für House on Haunted Hill und die Filme gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Mit dem Eintritt ins Haus beginnt die klaus­tro­phobe Situation, Mecha­nismen verschließen die Ausgänge, die Flucht­mög­lich­keiten, und setzen die Geister im Keller frei. Gleich­zeitig verschwindet jede Spur von filmi­scher Drama­turgie, die Charak­tere schlagen sich von einer Aufregung zur nächsten mehr schlecht als recht durch, Entwick­lungen gibt es keine mehr, der Rest der brüchigen Narration beschränkt sich darauf, Situa­tionen zu produ­zieren in denen der Horror der Geister möglichst effektiv in Szene gesetzt werden kann. Ein Spiel der Masken, des Arti­fi­zi­ellen. Wie eine Fahrt durch die Geis­ter­bahn. Horror­filme entwi­ckeln ihre Affekte noch am besten im Antago­nismus zwischen einer Realität von der man unter keinen Umständen will, dass sie aufgelöst wird (Neve Campbell als sie in Scream am Abend auf der Couch aufwacht, den Nach­mittag verschlafen hat und das ganze Bild Sicher­heit und Wärme atmet), und den Schocks der Angriffe der Mörder und Monster, die wir als genre­kun­dige Zuschauer in genau jenen Momenten erwarten. Suspense eben. Wenn wir mitfie­bern sollen, dann gebt uns etwas, wofür sich die Anspan­nung lohnt. 13 Ghosts verzichtet auf die Gegenwelt, alles muss furchtbar und erschre­ckend in jedem Augen­blick sein. Das Haus ist hyper­sti­li­siert in einer Mischung aus hoch­mo­dernen Baustoffen und der gold­glän­zenden Archaik der Innen­ein­rich­tung (mythische Bücher, Betten, wie sie nur die Groß­mutter gekannt hat...). Die Kälte totaler Eleganz. Kein Platz an dem man sich aufhalten, geschweige denn leben will.

13 Ghosts ist aber auch ein Film über die Wahr­neh­mung. Die inten­sivste Szene zeigt wie Tochter Kathy das Bade­zimmer entdeckt. Der Geist der »zornigen Prin­zessin« (!) ist schon ihrer Zelle im Keller entkommen. Der Film setzt nun parallel neben­ein­ander wie der Geist in der einen »Dimension« blutend in der Badewanne liegt, die Wände des Zimmers rot beschmiert von den klaf­fenden Wunden. In der anderen »Dimension« Kathy, die sich das klare Wasser über ihr Gesicht laufen lässt, unfähig ihre tote Antago­nisten zu erkennen. Der kleine und heftige Unter­schied... Später können die Figuren mit »Spek­tral­brillen« in die andere Dimension hinüber­sehen, die Differenz in der Wahr­neh­mung über­brü­cken, die Geister visuell erfahren. Mit dem Sehen kommt das Spüren, die Polter­geister werden den Körpern der Charak­tere erst gefähr­lich, als diese sie sehen können. Das spiegelt sich natürlich auf der Ebene der Rezeption. Der Zuschauer folgt den Figuren, mit den Brillen kommen die Bilder der Geister auf die Leinwand, meist nur in kurzen Schocks, ein paar Frames lang. Hapti­sches Kino, das nicht auf den Erkennt­nis­pro­zess, das Verstehen des Rezi­pi­enten zielt, sondern genau auf seinen Körper. Der Film wird nicht mental erfahrbar gemacht, sondern vor allem körper­lich.

Steve Beck gibt als Regisseur sein Debüt. Erfahren ist er vor allem als Visuel-Effects-Art-Director, was ihn als guten Bilder­ma­cher aber noch lange nicht als guten Filme­ma­cher ausweist. Die Heftig­keit der Wahr­neh­mung nutzt sich ab, die Einstel­lungen mit Geistern werden mit der Zeit immer länger und verlieren dadurch ihren Reiz. Man kann sie einordnen, die mons­trösen Gestalten. Und keine von ihnen besitzt diese tanzende, bezau­bernde Eleganz eines über­di­men­sio­nierten Marsh­mallow-Mannes, den die Ghost­bus­ters des letzten Jahr­hun­derts am Ende des ersten Teils noch grillen durften.

Frage: Wie hat es der Mensch geschafft, das Pleis­tozän zu überleben?
Gegen­frage: Wie hat er es denn geschafft? Und vor allem: Wieso?

Ziemlich fies, dem Zuschauer so zu kommen, gleich zu Anfang des Films, mit einer Sein-oder-Nicht-Sein-Frage. Und dann, viel fieser noch, gar nicht daran zu denken, diese Frage irgendwie zu beant­worten. Ande­rer­seits: an den offenen Fragen sollt ihr sie erkennen, die Horror­filme, die echten. Da muss schon ein Bodensatz an Beun­ru­hi­gung bleiben, an Subver­sion und das steht dem Fun-Faktor keines­wegs entgegen.

13 Ghosts zum Ersten also, 1960, von William Castle. Das ist eine Zeit, in der die Ameri­kaner nicht gerade viel zu Lachen haben, innen- wie außen­po­li­tisch. Castle hat sich zur Aufgabe gemacht, den Spaß am Grauen wieder zu beleben und das ist ihm wunderbar gelungen. Die Frage des Über­le­bens stellt er trotzdem und das gleich zu Anfang. Im Museum befinden wir uns da, zwischen gigan­ti­schen Saurier­ske­letten, eine Art Jurassic Park in der Strei­chelzoo-Variante. Unser Held Buck Zorba ist also Wissen­schaftler, ein wenig zerstreut. Und dann freilich: wie hat es der Mensch geschafft bis hierher und wie hat er sich ange­stellt seit dem Pleis­tozän? Man kann ange­sichts solcher Problem­stel­lungen schon mal die Miet­zah­lung vergessen und so werden daheim die Möbel gepfändet, der entnervten Gattin quasi unter dem Hintern weg. Da kommt es gerade recht, dass ein entfernter Verwandter verstirbt und der Familie Zorba sein Häuschen im Grünen vermacht. Als Dreingabe gibt’s seine Geis­ter­samm­lung, die hexen­hafte Haus­häl­terin und schmucke Brillen, um das alles so richtig betrachten zu können.

13 Ghosts zum Zweiten, 2001, von Steve Beck (Achtung: merken Sie sich diesen Namen nicht! Sie werden ihn ungefähr so häufig brauchen, wie Sie nach Ende der Schulzeit Glei­chungen mit drei Unbe­kannten lösen). Skelet­tiertes auch heute. Ein Auto­friedhof und gleich Auftritt der Jäger und Sammler. Nur so intel­li­gente, skurrile Fragen wie zu Castles Zeiten stellt keiner mehr. Statt­dessen werden flux ein paar Auto­wracks zerschmissen. Haupt­sache laut. Ja haben die denn, möchte man ausrufen, keine Mütter gehabt, die für die Portion Philo­so­phie gesorgt haben in der Kinder­stube? Oder gilt der schöne Satz: »Wer schreit, hat Unrecht« einfach nicht mehr für die Scream-Gene­ra­tion?

Unser Held heißt heute Kriticos und nichts ist mehr mit Zerstreut­heit. Als Aperitif wird erst mal Mutter Kriticos abge­fa­ckelt, ein großer Herz­schmerz geht um. Alles ist sehr emotional aufge­laden, überhaupt. Dann Erbschaft. Das muss ja auch mal gesagt werden, dass geld­wertes Besitztum an sich über so manchen Verlust hinweg­tröstet, den man erlitten hat. Das Spukhaus kommt uns gehörig aufge­motzt vor. Gläserne Wände und so allerlei Schnick­schnack. Jetzt aber mal hurtig die Geister aus dem Keller geholt, weil sonst weiß man ja auch nicht wieso und wozu das Ganze, und was tun und überhaupt.

William Castle war ein Schar­latan. Einer, der den Kintopp bei seinen Wurzeln packte: Jahrmarkt, Buden­zauber, Spektakel, Sensation. In die Werbe­kam­pa­gnen steckte er mindes­tens eben­so­viel Energie und Phantasie wie in seine Filme selbst. Lebens­ver­si­che­rungen bot er den Kino­be­su­chern an, bastelte Elek­tro­schock­sitze oder ließ Skelette durchs Parkett sausen. Ein ganz­heit­li­cher Grusel­spaß also und in schöner alter Tradition. So hatte man bereits anläss­lich der Dracula-Mania um 1930 effekt­voll Kran­ken­schwes­tern unter den Zuschauern platziert, und auch den einen oder anderen Klein­dar­steller damit betraut, während der Vorstel­lung publi­kums­wirksam in Ohnmacht zu sinken. Der Horror lässt sich nicht auf die Leinwand (ver)bannen, ist mitten unter uns. Das Grauen, das sich aus der sicheren Distanz beob­achten lässt, ist natürlich totaler fake.

Im Übrigen ist dieser unbe­dingte Wille zur kreativen Promotion nur eines der Geheim­nisse, die Hollywood inzwi­schen abhanden gekommen sind. (Einen gibt es noch, immerhin, der so richtig B ist und subversiv dabei. Traurig nur, dass John Carpenter inzwi­schen das Publikum wegbleibt, das Weich­ge­spültes wie den fünften I Know What You Did Last Summer Aufguss oder die sowas-von-unscary Scary Movies einer düsteren Sumpf­blüte wie den Ghosts of Mars vorzieht. Welcher ja immerhin das quasi horror­fil­mi­sche Äqui­va­lent zum Kommu­nis­ti­schen Manifest ist und dabei dann gleich mitre­flek­tiert, wie man seither mit den Arbei­ter­auf­ständen umgeht. Was viel­leicht allein deshalb derzeit nicht mehr poli­ti­cally correct ist, da es ja aktuell wieder en vogue gekommen ist, die Waffen sprechen zu lassen.)

Kurz und gut: weil jetzt aber der Mangel an Fantasie am Ende doch immer noch lauter spricht als der schnöde Mammon, ist man in den letzten Jahren darauf verfallen in der Traum­fa­brik, munter alles leichen­zu­fled­dern, was mal Charme und Esprit hatte. Kleine Perlen, im Fundus des B-heaven ausge­graben und Mutli­plextaug­lich gemacht. It’s a kind of magic: aus B mach A. Alchimie made in Hollywood. Aber schade: es ist leichter, aus Gold Dreck zu machen als umgekehrt. Dabei hatte es sich gar nicht so schlecht ange­lassen, 1999, als Robert Zemeckis und Joel Silver die Castle Produc­tions gründeten und zuerst The House on Haunted Hill neu auflegten. Eine liebens­werte Hommage an den Meister. Ein Remake, in dem der Geist der alten B pictures durchaus noch herum­spukt. Jetzt aber: Fluch des Geldes. Denn: The House on Haunted Hill hatte uner­war­teten Erfolg an den Kino­kassen.

Also flux die Ärmel aufge­krem­pelt und sich munter gesagt: wo sich einmal abkas­sieren lässt, lässt sich auch zweimal abkas­sieren. 13 Ghosts wärmt nun schamlos wieder auf, was Haunted Hill uns schmack­haft gemacht hatte. Das Spukhaus in der Ödnis. Ein Grüppchen unbe­darfter Probanten, unver­hofft über Nacht einge­sperrt in dem Gemäuer. Ein Haufen Leichen im Keller, die einmal losge­lassen, Jagd machen auf alles, was da kreucht und fleucht. Nur weiß man dann – jenseits der allge­meinen Box-Office-Geld­geil­heit – nicht mehr wirklich wohin mit den Geistern, was machen aus dem Ganzen. Macht nichts, sagt man sich, dann machen wir einfach mal laut. Aber so richtig laut. Der Rest ist Kreischen und Rennen. Auch das zerrt an den Nerven, keine Frage. Nur eben: viel Lärm um nichts.

Regisseur Steve Beck gibt hier sein Debüt und das haben wir jetzt also davon, dass die Mensch­heit das Pleis­tozän überlebt hat.