11.02.2010

»Die Mischung ist das Rezept!«

Berlinale-Leiter Dieter Kosslick im Gespräch

Berliner mit Schnauze(r): Dieter Kosslick

Ein kurzes Gespräch mit Berlinale-Leiter Dieter Kosslick über 60 Jahre Berlinale, Lieblingsfilme und sein Publikum

Seit 2001 ist Dieter Kosslick Leiter der Berliner Filmfestspiele. Borsalino-Hut und Schal, Lieblingsfarbe Rot – »wie beim Wein« – sind sein Markenzeichen. Seit seinem Amtsantritt hat Kosslick das Festival stark verbreitert: Der Talent Campus für Studenten wurde gegründet, mit dem World Cinema Fund tritt das Festival als Förderer und indirekter Produzent von Filmprojekten auf – die dann später oft im Berlinaleprogramm gezeigt werden. Heute startet nun Kosslicks neunte Berlinale – für ihn selbst ein Marathon mit täglich 40 Terminen und nur vier Stunden Schlaf – ein Gespräch über das Festivaljubiläum und Lieblingsfilme von Rüdiger Suchsland.

artechock: Was charakterisiert die Geschichte von 60 Jahren Berlinale? Was hat die Berlinale seither ausgemacht?

Kosslick: Eine der schönsten Besonderheiten und wesentlicher Bestandteil der Berlinale ist ihr Publikum. Seit Beginn des Festivals bis heute haben uns die Filmfans die Treue gehalten. Das ist großartig und macht auch den Unterschied zu anderen Festivals weltweit aus. Die Mischung von Branche und Publikum in einer so aufregenden Stadt wie Berlin ist unser wahres Rezept! Hinzu kommt dass der Gründungsgedanke der Berlinale politisch motiviert war. Man wollte mit einem kulturellen Event den Blick der Welt auf die Stadt lenken und ein anderes Deutschlandbild fördern.

artechock: Wie hat sich das Programm durch 1989 und die Folgen verändert?

Kosslick: Heute sind die politischen Bezüge natürlich ganz anders. Der Fokus aufs osteuropäische Kinoschaffen ist nicht mehr so stark wie zu Zeiten des Kalten Kriegs und der Mauer. In den 80er Jahren war noch die Kommunikation zwischen den politischen Blöcken Ost/West ein zentrales Thema. Die politischen Systeme haben, wie wir wissen, eine große Umwälzung erfahren. Für die Berlinale gab es eine programmliche Neuausrichtung. Die Entdeckung neuer Filmländer, wie z.B. Lateinamerika und Asien gehörte dazu. Diese Tendenz begann sich schon 1988 abzuzeichnen, als der chinesische Film Das rote Kornfeld von Zhang Yimou den Goldenen Bären gewann. Und 1998 holte der brasilianische Beitrag Central Station von Walter Salles den Goldenen Bären nach Brasilien.

artechock: Inwiefern ist die Vergangenheit auch Verpflichtung für die Zukunft? Wie stellen Sie sich die Berlinale in 15, 20 oder 40 Jahren vor?

Kosslick: Natürlich blicken wir nicht nur auf eine ereignisreiche Festivalgeschichte zurück, sondern möchten auch in der Zukunft eine bedeutende Plattform des weltweiten Filmgeschehens und des kulturellen Austauschs sein. Dieses Jahr kommen die jungen Filmemacher des Talent Campus aus über 140 Ländern und der goldene Bärengewinner La teta asustada von Claudia Llosa wurde gerade zum Oscar nominiert wie auch der israelische Film Ajami von Scandar Copti und Yaron Shani. Beide sind vom World Cinema Fund gefördert.

artechock: Ein, zwei, drei persönliche Lieblingsfilme aus 60 Jahren und ein Tipp aus dem diesjährigen Programm?

Kosslick: Mein Lieblingsfilm Ben Hur lief in der 70mm- Retrospektive 2009, gern erinnere ich mich auch an Stammheim von Reinhard Hauff, der einen Goldenen Bären bekam, an Die Ehe der Maria Braun von Rainer Werner Fassbinder oder Salvatore Guiliano von Francesco Rosi. Mein Tipp für dieses Jahr: Man sollte auf keinen Fall die Weltpremiere der rekonstruierten und restaurierten Fassung von Metropolis verpassen.

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