Herzlich willkommen zur zweiten Folge unseres kleinen Wegweisers
durch die versteckteren Gebiete des aktuellen Münchner
Kinoprogramms. Für alle, die unser Debut letzten Sonntag zu später
Stunde nicht mitbekommen haben, seine erstmal in aller Kürze unsere
dortigen Tips wiederholt, soweit sie auch diese Woche noch auf
hiesigen Leinwänden zu sehen sind: Im Aeroport FJS läuft im
Rahmen einer lobenswerten Asien-Reihe THE ODD ONE DIES (Aeroport
FJS, tgl. 22:45). Freunden des französischen Films und all
jenen, die es werden wollen, sei im Theatiner AU COEUR DU MENSONGE
und LOUISE (TAKE 2) ans Herz gelegt (letzterer nun auch mit unserer
persönlichen Empfehlung - allein Elodie Bouchez ist den Kinobesuch
schon mehr als wert). (AU COEUR DU MENSONGE (OmU): Theatiner,
tgl. 15:45, 20:30; LOUISE (TAKE 2) (OmU): Theatiner, tgl. 18:00,
Do.-So. auch 22:45) NÉNETTE ET BONI im Werkstattkino läuft nur
noch am Donnerstag (Werkstattkino, Do. 21:00) - dafür folgt
ab Freitag eine kleine Hommage an Yolanda Zauberman mit CLUBBED TO
DEATH und MOI IVAN, TOI ABRAHAM (IVAN & ABRAHAM). Prima
Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen oder Bekanntem einen neuen
Kontext zu geben - es ist ja immer spannend zu sehen, wie die selbe
Regisseurin zwei so gänzlich unterschiedliche Stoffe (rauschhafte
Nacht in Techno-Clubs vs. schwierige interkulturelle Freundschaft
in einem schtetl der 30er) angeht. (CLUBBED TO DEATH (OmU):
Werkstattkino, Fr.-Di. 23:00; MOI IVAN, TOI ABRAHAM (OmU):
Werkstattkino, Fr.-Di. 21:00)
Womit wir ja schon bei den aktuellen Empfehlungen wären. Und da
wäre zuerst ein Film zu nennen, der Gefahr läuft, vollkommen
unverdient sang- und klanglos unterzugehen, weil eigentlich alles
darauf hinzudeuten scheint, daß es sich um belanglosen Schrott
handelt. Ist er aber - auch wenn Sie's nicht glauben werden - ganz
und gar nicht. Sondern ein einziges, herrliches Vergnügen. Um
welchen Film es geht? IDLE
HANDS. Sehen Sie, sie glauben's nicht. Drum lesen Sie am
besten gleich mal unsere Kritik, und vielleicht sind Sie ja dann schon etwas
überzeugter. Das einzige Problem: Der Film läuft in München nur in
der deutschen Fassung, und für die legen wir nicht die Hand in's
Feuer (pun - however weak - intended). Denn ob Zensur und Synchro
von dem Film noch was Genießbares übriggelassen haben, ist eher
zweifelhaft - der rasend tolle Verleihtitel DIE KILLERHAND läßt ja
schon Schlimmstes befürchten. (Karlstor Do.-Sa. 22:30;
Marmorhaus tgl. 20:15, außer Di. 22:15; Stachus Kinocenter tgl.
15:30, 18:00, 20:30, Fr./Sa. auch 22:45)
À propos: Die Filmkunstwochen bieten nochmal die Gelegenheit,
Thomas Vinterbergs FESTEN
(DAS FEST) im OmU zu sehen. Sollte man sich nicht entgehen
lassen, denn (auch auf die Gefahr hin, uns zu wiederholen) bei
Dogma-Filmen gilt ganz besonders: Wer sie nur synchronisiert
gesehen hat, hat sie noch nie wirklich gesehen. (Neues Arena:
Fr. 18:30, 22:45) Inwieweit die deutsche Fassung von
Jacques Tatis TRAFIC,
die in der Lupe am Donnerstag und Freitag läuft, unter der
Bearbeitung zu leiden hatte, wissen wir nicht (bei PLAYTIME z.B.
gibt's da einige unschöne Eingriffe in Tatis ausgeklügelte Tonspur
- speziell in seinen späten Filmen hat er Geräusche und Stimmen ja
fast wie in einer musikalischen Partitur komponiert). Wir empfehlen
ihn jetzt einfach mal ganz dicke. Aus unerfindlichen Gründen ist
dieses Meisterwerk nie so bekannt und populär geworden wie LES
VACANCES DE MONSIEUR HULOT oder MON ONCLE - ist aber einer von
Tatis besten Filmen. (Lupe 2: Do./Fr. 17:30)
Der unbestreitbare Höhepunkt dieser Kinowoche aber: Das "Bonner Sommerkino
in München"; im Filmmuseum von Donnerstag bis Sonntag. Highlights
vom Stummfilmfestival, mit einer Reihe hochkarätiger Kino-Pianisten
und -Musikensembles. Im Programm unter anderem: Neu restaurierte
Fassungen von Paul Lenis DAS WACHSFIGURENKABINETT und G.W.Pabsts
DER SCHATZ und zwei Klassiker von King Vidor - THE CROWD und WILD
ORANGES. Unser absoluter Favorit aber: THE UNKNOWN von Tod
Browning, einem der sträflichst vernachlässigsten Großgenies der
Kinogeschichte. Jede Gelegenheit, von ihm mal etwas anderes als
DRACULA und FREAKS zu sehen, darf man sich nicht entgehen lassen,
und THE UNKNOWN (mit Lon Chaney als armlosem Messerwerfer (sic!))
sowieso nicht - ein wunderbar düsterer, morbider, perverser
Film.
(THE UNKNOWN:
Filmmuseum, Fr. 21:00; "Bonner Sommerkino" von Do.-So.)
Und wer
die Zeit bis Freitag abend sinnvoll verbringen möchte, aber nicht
weiß wie... - Aus gegebenem Anlaß gleich noch ein kleiner Buchtip:
"Dark Carnival - The Secret World of Tod Browning, Hollywood's
Master of the Macabre" von David J. Skal & Elias Savada,
erschienen 1995 bei Anchor Books. Eine exzellente (und leider auch
die einzige) Biographie Brownings, mit einer nicht minder
hervorragenden Filmographie und dem einzigen Fehler, daß man sie
sich gerne fünfmal so umfangreich gewünscht hätte.
Zu sehrguterletzt erteilen wir aber nun noch unserem werten Herrn
Oehmann das Wort. (Der momentan bedauerlicherweise nur sehr
sporadisch für uns tätig ist, was sich aber ändern wird, sobald er
von den Photographien erfährt, die wir von ihm bei der
Aftershow-Party nach seiner letzten Kasperltheater-Aufführung im
Kinderhort haben. Wofür man Wienerle und Schokoküsse alles
verwenden kann... Shocking!) Der Herr Oehmann hat nämlich auch
Empfehlungen auszusprechen für die Programmgestaltung diese Woche,
und die sehen so aus: "Samstags Fußball, Sonntag
Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die Artechock-Redaktion
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