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Was vom Filmfest München '97 übrigbleibt (Teil I)

  10.07.1997
 
 
 
 

Leinwände haben kein Gedächtnis. Sie sind dazu gemacht, das auf sie projezierte Licht in den Zuschauerraum abzustrahlen und am Ende des 24-frames-per-second Bombardements genauso weiß und rein wieder dazustehen wie zu Beginn.
Letzte Woche waren die Filmbegeisterten in unserer Landeshauptstadt der alljährlichen cineastischen Großoffensive Eberhard Hauffs und seines Teams von der Internationalen Münchner Filmwochen GmbH ausgesetzt - vom 28. Juni bis zum 5. Juli fand (bereits zum 15. Mal) das FILMFEST MÜNCHEN statt. Acht Tage lang flimmerten 226 Filme über 16 Leinwände.
Jetzt rattert an den Spielstätten des Filmfests wieder die hektische Sommerware durch die Projektoren, und das Donnern von Explosionen fetzt durch die THX-Anlagen. Geblieben sind vom Festival nur die Erinnerungen in den Köpfen des Publikums. Und die könnten sich dieses Jahr als nicht sonderlich nachhaltig herausstellen.

Daß es, egal wie lust- oder schmerzvoll Frau Stone vom Plakat stöhnte, mit dem angekündigten "Festival der großen Gefühle" nichts werden würde, zeichnete sich bereits vor Festivalbeginn ab, als das Programm bekannt gegeben wurde. Das Filmfest selbst hat dann die Vorahnung bestätigt: es war nicht einfach nur das weitgehende Fehlen der großen Namen der Filmkunst; auch auf unbekanntem Terrain gab es nicht viel zu entdecken, was Anlaß zur Ekstase geboten hätte.
Mit den großen Emotionen zusammen blieben allerdings auch die große Langeweile und das große Ärgernis aus: es fand sich für mich genug im Angebot, was akzeptabel bis sehenswert war - rückblickend gesehen wäre "Festival des soliden Handwerks" das passendste Prädikat gewesen.

Davon waren auch gerade die aktuellen Filme der wenigen auf dem Filmfest vertretenen bekannteren Regisseure nicht ausgenommen. Allesamt Nebenwerke, nicht uninteressant oder gar schlecht, aber eben auch lange nicht auf der Höhe jener Filme, denen die Schöpfer ihren herausragenden Ruf verdanken. Weder Woody Allens lockeres Musical EVERYONE SAYS I LOVE YOU (das immerhin ein bezauberndes Pas-de-deux zwischen Allen und Goldie Hawn an den Ufern der Seine aufweisen kann), noch Nicolas Roegs TWO DEATHS, dem zum großen Wurf die Kraft und zum wirklich überzeugenden Kammerspiel die Präzision fehlte, konnten begeistern; Paul Schrader trat mit dem hervorragend besetzten, aber leidlich zähen TOUCH den Beweis an, daß die Komödie sein Metier nicht ist. Und warum ich Abel Ferraras kryptischen, quälenden THE BLACKOUT letzlich dennoch faszinierend fand, kann ich mir selbst bisher nicht erklären.

Am Beispiel Ferrara (der unter den "Internationalen Premieren" lief) zeigt sich übrigens, wie beliebig dieses Jahr die Trennlinie zwischen den "Internationalen Premieren", den "Previews" und den "American Independents" verlief. Praktisch alle amerikanischen Filme mit deutschem Verleih hätten mit gleichem Fug und Recht beliebig in all diesen Kategorien laufen können.
Letzlich ist dies jedoch egal; was zählt ist allein die Qualität der Filme, und George Hickenloopers schmerzvolles Kleinstadtdrama DOGTOWN, Stephen Baigelmans dreckige, schwarze Komödie FEELING MINNESOTA, Steven Soderberghs kongeniale filmische Adaptation von Spalding Grays Bühnenmonolog GRAY'S ANATOMY, oder Laura Derns Paradeauftritt in Alexander Paynes Abtreibungs-Satire CITIZEN RUTH ließen sich unabhängig von jedem Reihen-Label genießen.
Dennoch: alles Filme, die wenig bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Ihre Spuren in meinem Gedächtnis sind fast ausschließlich einzelne Details, Szenen, Stimmungen, Bilder, und darin unterscheiden sie sich kaum von den enttäuschenderen Filmen, die mit ähnlicher Halbwertzeit verblassen.
Richard Linklaters SUBURBIA, mit exzellenten Darstellern gesegnet, aber leider nur abgefilmtes Theater oder der vielgepriesene THIS WORLD, THEN THE FIREWORKS (Regie: Michael Oblowitz), der furios als quietschbunte Karrikatur eines film noir beginnt und in dem Moment zu funktionieren aufhört, wo er sich ernstnimmt, sind für mich nicht merklich mehr vergessen.

Nächste Woche: Wenn ich mich noch daran erinnern kann, gibt es einen Streifzug durch die internationalen Produktionen, das übliche Gejammere über den Zustand des deutschen Films, einen Rückblick auf die Retrospektiven und eine Huldigung der Hommagen, sowie meine persönlichen Favoriten.
Stay tuned...

Thomas Willmann

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