Die Thomas Crown Affäre

The Thomas Crown Affair

USA 1999 · 113 min. · FSK: ab 6
Regie: John McTiernan
Drehbuch: ,
Kamera: Tom Priestley Jr.
Darsteller: Pierce Brosnan, Rene Russo, Denis Leary, Frankie Faison

John McTiernan ist ein Klaus­tro­pho­bie­philer. Er liebt es, seine Helden in geschlos­sene Räume zu sperren und sie und uns dann zusehen zu lassen, wie sie sich so anstellen. Ein U-Boot-Kapitän, der keinen Bock mehr hat auf real exis­tie­renden Sozia­lismus, zum Beispiel. Daneben ein kapi­ta­lis­ti­scher Held, der natürlich genau so einge­sperrt ist in den ideo­lo­gi­schen Schub­laden seiner Welt. The Hunt for Red October.

Ein New Yorker Cop in einem Büro­hoch­haus in L.A. Es weih­nachtet sehr, die Ange­stellten lassen die Sau raus und dann schauen auch noch unge­be­tene Gäste vorbei, um die Party so richtig aufzu­mi­schen.

[Es folgt ein lebens­prak­ti­scher Exkurs, der vordring­lich die Philo­so­phen und die Ange­stellten unter uns inter­es­sieren wird, vom ökono­misch orien­tierten Leser dagegen gefahrlos über­sprungen werden darf. Letzterer liest unten weiter und hofft, dass er, verdammt noch mal, endlich erfährt, ob der geschätzte Daumen der geschätzten Rezen­sentin hoch oder runter geht anläss­lich The Thomas Crown Affair. Dafür sind wir ja schließ­lich hier zusam­men­ge­kommen, oder was?! Die Prag­ma­tiker verlassen uns also jetzt, viel­leicht holen wir sie ja später wieder ein. Wir Party-Animals verweilen unter­dessen noch einen Moment länger bei den Feiernden: Für uns gibt es Spar­gel­häpp­chen und Schin­ken­röll­chen und Prickel­wasser. Man kennt das, wenn man das Vergnügen hatte, jemals in der freien Wirt­schaft gear­beitet zu haben, nur dass man im wahren Leben gar nicht so viel Prickel­wasser trinken könnte, als dass der Abtei­lungs­leiter auch nur entfernt Ähnlich­keit bekäme mit Bruce Willis im Unterhemd. Statt­dessen tritt ein Ange­stellten-Frei­wil­ligen-Chor vor und intoniert O du Fröhliche, und während die Karrie­risten gemeinhin Schun­kel­stim­mung vortäu­schen, möchte man selbst Now I got a machine gun, Ho-Ho-Ho! ausrufen. C'est la vie, darum lieben wir ja das Kino, weil wir immerhin alle Jahre wieder am Tag der betrieb­li­chen Weih­nachts­feier für einen flüch­tigen magischen Moment hoffen dürfen, dass es eine unan­ge­nehme Über­ra­schung (Hans Gruber und seine blonden Büronazis) und eine angenehme Über­ra­schung (Bruce Willis im Unterhemd) geben könnte, sobald die Party erst richtig in Schwung gekommen ist. Kino ist das Leben, Kino ist mehr als das Leben: Wenn wir morgens das Büro­ge­bäude betreten, in den Aufzug steigen und schon mal vorsorg­lich die Decken­ver­klei­dung prüfen, weil wir einfach davon ausgehen, dass wir am Ende des langen Arbeits­tages da noch raus­kra­xeln müssen. Wenn wir uns ganz fest vornehmen, unter keinen Umständen jemals unsere Schuhe auszu­ziehen, komme was da will, weil wir nicht vorhaben, uns irgend­wann in einer schum­me­rigen Toilette die Glas­splitter aus den Fuss­sohlen zu ziehen. Freilich: am Ende sind wir dann alle Jahre wieder nicht gerettet worden von Bruce Willis im Unterhemd. Am Ende sind wir nicht aus dem Aufzug gekraxelt und auch unsere Schuhe haben wir noch an, es sei denn, wir wären stern­ha­gel­voll, was aber unwahr­schein­lich ist, weil ja die Betriebs­ver­ein­ba­rung gegen Alkohol am Arbeits­platz existiert. Ein Bruce Willis zu Weih­nachten – viel­leicht nächstes Jahr. Ende des Exkurses.]

Und weils so schön war (Bruce Willis im Unterhemd zu sehen...) hat McTiernan die Party noch mal gefeiert in Die Hard: With a Vengeance. Man darf sich auch nicht täuschen lassen dadurch, dass alles sich dann auf den Straßen des Big Apple abspielt. Hier ist New York ein Schach­brett und die Spieler müssen ihre Züge nach den Regeln tun. Klaus­tro­pho­bi­scher gehts nicht. (Man möge diesen Satz unter künst­le­ri­scher Freiheit verbuchen, denn natürlich lässt sich klaus­tro­pho­bisch nicht steigern, nicht mal nach der Recht­schreib­re­form. Man müsste aller­dings­nach der Recht­schreib­re­form­klaus­tro­fo­bi­scher mit f schreiben, was aber ästhe­tisch ganz unak­zep­tabel ist und deswegen unter­bleibt).

Und jetzt also: Thomas Crown, business man, Multi-Millionär, Kunst­lieb­haber, Meis­ter­dieb. Viel ist wieder geredet und geschrieben worden darüber, dass sich McTiernan da an einem Klassiker vergriffen hat, The Thomas Crown Affair von Norman Jewison, aus dem Jahr 1968. Remakes haben in der Regel keine guten Karten. Ersten weil früher so wie so alles besser war und zweitens und überhaupt. Wir wollen hier einmal entschieden dafür plädieren, wenigsten wo es um Film geht wegzu­kommen von dem olym­pi­schen Gedanken des schneller, weiter, besser. Ein Remake ist dann nichts als eine Geschichte, die uns schon einmal erzählt wurde. Und welche Geschichte wäre das nicht? Und welche gute Geschichte wollten wir nicht immer wieder hören, sehen? Wenn ein neuer Geschich­ten­er­zähler die Regie übernimmt wird es besonders spannend, was die Nuancen angeht in der Erzählung, die kleinen, feinen Unter­schiede.

The Thomas Crown Affair ist Norman Jewisons härtester und auch hitzigster Film, wo sich das happy ending nur ankündigt, als Möglich­keit in der Luft schwebt, wie Crown am Ende in seinem Flugzeug. Kaum einer zeigt so viel Vers­tändnis, so viel Sympathie für seine Figuren, wie Jewison und gewöhn­lich sieht er zu, dass alle irgendwie glücklich werden. Die sitzen gelas­senen Verlobten und Verliebten in Moon­struck oder Only You, die vers­törten Vietnam-Veteranen in In Country. Thomas Crown kommt etwas desil­lu­sio­nierter daher, das mag an der Entste­hungs­zeit liegen, da die Ameri­kaner nicht so im Reinen waren mit sich und der Welt. »What do you have to worry about?« fragt eine Schöne den Multi­mil­lionär und Crown antwortet: »Who I am going to be tomorrow.« Da ist durchaus eine exis­ten­zia­lis­ti­sche Verzweif­lung spürbar in diesen Wortes, selbst aus dem Mund von Steve McQueen, dem man of action. Er ist ein Profes­sional und die Bank­ein­brüche, die er auskno­belt und ausführt sind harte Arbeit, das macht Jewison deutlich. Lange Zeiten der Planung und Orga­ni­sa­tion gilt es zu absol­vieren, bis dann endlich Faye Dunaway ins Spiel kommt und alles etwas lockerer wird, etwas amouröser. Wenn Norman Jewison die Thomas Crown Affair erzählt, geht es um Geld und McQueen gibt den Helden als Getrie­benen, als Arbeits­tier. Das Golfen am Woche­n­ende, das ist kein Vergnügen, das tut er, um die Zeit totzu­schlagen.

John McTiernan dagegen ist ein Spieler, und Pierce Brosnan verkör­pert den Tomas Crown als Lebemann, für den alles um Schönheit geht und um den Spass. Keine Bank raubt der aus, sondern stibitzt wertvolle Gemälde aus Musen und nach Arbeit sieht das eigent­lich nicht aus. Das ist einer, der alles nicht so ernst nimmtdas Geld schon gar nicht. Man hat es einfach und lässt sich treiben. Wenn man dann gerade anfängt, sich zu lang­weilen, klaut man einen Monet. Alles ganz genau ausge­klü­gelt, versteht sich, aber der Diebstahl gleicht dennoch einem Zauber­trick hier, wo bei Jewison noch alles nach Schweiss aussieht und die Nerven blank liegen. Der Trick funk­tio­niert über die Ablenkung der Zuschauer, ein Spektakel, ein Brim­bo­rium wird veran­staltet und wenn dann alle in die falsche Richtung schauen, ist es ganz einfach, die Jungfrau zu zersägen, oder das Kaninchen aus dem Hut zu zaubern, oder den Monet von der Wand des Museums zu nehmen.

Wenn Steve McQueen lächelt ist es, als hätte ihm einer mit dem Messer ins Gesicht geschnitten. Das Leben ist nicht freund­lich zu ihm und wenn er die Millionen aus dem Bankraub auf ein Schweizer Konto einzahlt, zu dem Banker sagt: Enjoy my money, dann sagt er auch, dass er selbst das nicht kann: geniessen.
Wenn Pierce Brosnan lächelt, dann ist es, als mache er sich insgeheim lustig über die Welt und die Menschen mit ihren kleinen Ängsten und Begierden und er erinnert sich dabei auch immer daran, dass er James Bond ist in einem anderen Leben, einem anderen Filmdem die Frauen nicht wider­stehen können.

Jede Einstel­lung bei McTiernan gleicht einem Gemälde, ist eine Studie in Farben und Licht. Seine Thomas Crown Affair ist ein Studio­film und besonders spannend wird das, wenn man die Gemälde betrachtet, die Thomas Crown sammelt, die Maler, die er schätzt. Ein Monet ist das Objekt seiner Begierde und für die Impres­sio­nisten hatte esähnlich wie für McTiernan eine besondere Bewandtnis mit den geschlos­senen Räumen, den Studios. Sie haben sich und die Malerei befreit aus der klaus­tro­pho­bi­schen Enge, haben photo­gra­phi­sche Bilder gemalt, Moment­auf­nahmen für die Ewigkeit und sich berauscht an dem flüch­tigen Spiel von Licht und Farbe. Das Sichtbare auf die Leinwand zu bringen war ihr Ziel, die Abkehr vom Inhalt und die Hinwen­dung zum reinen Sehen. Damit sind die Impres­sio­nisten die wahren Vorläufer der Cinéasten und die müssen heute McTiernan hat das fast ironisch verkehrt­nicht einmal mehr das Studio verlassen, weil sie dort sich jedes Licht, jede Farbe zaubern, die man sich nur träumen lassen kann. Film macht, gleichsam surrea­lis­tisch, das Unsicht­bare sichtbar, deswegen kommt dann im grossen Finale bei McTiernan noch sehr schön ein Bild von Magritte ins Spiel als wäre es lebendig geworden, ein wahrhaft bewegtes Bild also.

Bei Jewison war es die Frau, Faye Dunaway, die etwas Leich­tig­keit in das Dasein des Helden brachte, die so frech und frivol auftrat. Rene Russo, die bei McTiernan die Rolle der Versi­che­rungs­agentin übernimmt, kommt schon wesent­lich abge­klärter daher und auch verbis­sener. Die Rollen haben sich verkehrt, sie muss erst noch unter­wiesen werden in der uner­träg­li­chen Leich­tig­keit des Seins. Faye Dunaways Farben waren Pink und Weiss, Rene Russo, die mit beiden Beinen etwas fester im Geschäfts­leben steht, sehen wir vor allem in dunklen, erdigen Farben, warmes Braun, weiches Beige, ein Hauch von Herbst, den sie dann erst ablegt, als sie mit Crown zu einem Liebes­wo­chen­ende in die Karibik aufbricht. Eine gefähr­liche Lieb­schaft, für eine Versi­che­rungs­agentin zumal, die auf die Einhal­tung der Regeln pocht, die Ordnung der Dinge, die logische Erklärung und am Ende dann fest­stellt, dass das Leben viel aufre­gender ist ohne Netz und doppelten Boden.

Faye Dunaway schliess­lich lässt McTiernan auch wieder mit von der Partie sein, als Psycho­login, die Pierce Brosnan alias Thomas Crown ausfragt und dabei vor allem wie ein guter Engel wirkt. Wenn Faye Dunaway lächelt, ist die Entspannt­heit einer Frau in ihrem Gesicht, die diese ganze Geschichte schon erlebt hat und sich gerne erinnert an alles. Und wir möchten sie fragen, was Steve McQueen alias Thomas Crown gerade so treibt und wie es den beiden ergangen ist in all den Jahren. Und Faye würde sagen: »What a mind. What a man.«