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08.09.2003
 
 
         

Klasse oder Masse?
Ein paar Einwände gegen die Privatisierung des Deutschen Filmpreis durch die Bundesregierung

 
       
 
 
 
 

Vergangene Woche trafen sich im Berliner Hotel Adlon eine Reihe verdienter Damen und Herren des Deutschen Films, um einen Verein zu gründen. Dieser Verein soll "Deutsche Filmakademie e.V." heißen und hat hehre Ziele.

Laut Einladung möchte man "denen, die in herausragender Weise daran beteiligt sind, dass Jahr für Jahr wichtige, preiswürdige deutsche Filme entstehen, eine Organisation anbieten, in der sie sich wiederfinden können." Die Deutsche Filmakademie wolle "die institutionelle Mitte" sein, "die Gemeinschaft, in der sich die Filmkünstler dieses Landes zu Hause fühlen". "Darüber hinaus", so schreiben die Initiatoren bescheiden, soll der Verein "im Zusammenwirken mit der Bundesregierung" auch den Deutschen Filmpreis vergeben.

Dahinter verbirgt sich der weniger bescheidene Plan, den Deutschen Filmpreis, der heute ein Preis des Bundestages ist, mit Haut und Haar zu privatisieren. Das Modell ist dabei einmal mehr Amerika und seine Academy of Motion Pictures, Sciences and Arts, die jedes Jahr den Oscar vergibt.

Man wolle "wieder stolz sein können auf den Deutschen Film", erklärte dazu Bernd Eichinger, einer der Initiatoren, im Bundeskulturausschuss. Und die Kulturstaatsministerin Frau Weiss sekundierte, der deutsche Film stehe nicht unter "Artenschutz", sondern müsse "seine Existenzberechtigung vor dem Publikum nachweisen" - deshalb wolle sie "Klasse und Kasse" verbunden wissen. Interessanter Weise aber ist der Deutsche Filmpreis ein Instrument der kulturellen Filmförderung. "Stolz" oder "Kasse" sind bislang keine Kriterien für diesen Kunstpreis. Vielmehr geht es um "herausragende Leistungen im deutschen Film" - und die werden mit beachtlichen Preisgeldern von insgesamt über 2,8 Millionen Euro gefördert.

Überrumpelung und Desinformation

Es geht also um öffentliche Gelder, die die ganze Branche betreffen, und die bislang in eine funktionierende Förderpraxis eingebunden sind. Vor diesem Hintergrund ist die bis heute anhaltende Geheimdiplomatie, die Tatsachen schaffen möchte, bevor eine echte Diskussion stattfinden konnte, mehr als nur Unhöflichkeit und Formfehler. Vielmehr verbirgt sich hinter dieser Taktik ganz offenbar die Angst, eine mehrheitliche Zustimmung der Branche nicht anders organisieren zu können, als durch Überrumpelung und Desinformation. Trotzdem wird immerfort von dem Austausch gesprochen, den man verbessern wolle, von Gemeinschaft und Gespräch. Es ist diese Doppelstrategie, mit der sich die Akademie verdächtig macht. Ihre Initiatoren sprechen von Kommunikation, sind aber nicht in der Lage, ihre Pläne offen zu Tage zu legen. Sie sprechen von und für die ganze Branche, ohne sie in die Diskussion einzubeziehen. Sie schreiben Ideale auf ihre Fahnen, die sie längst hätten umsetzen können - aber das Flattern der bunten Wimpel soll offensichtlich von dem eigentlichen Ziel ablenken: Der Übernahme des Deutschen Filmpreises.

Nun kann man sich natürlich wie die Ministerin freuen, dass die Filmwirtschaft überhaupt Initiative zeigt. Der Vorschlag der Akademie, den Deutschen Filmpreis zu übernehmen, hat aber unübersehbare Mängel. Zwar ist der Satzungsentwurf bis heute (8.9.2003 - mitlerweile ist die Satzung unter www.deutsche-filmakademie.de online) nicht öffentlich, was für sich schon Skandal genug ist. Fest steht aber immerhin, dass die Nominierungen und Auszeichnungen des Deutschen Filmpreises in einem dreistufigen, hochbürokratischen Prozess bestimmt werden sollen, der in seiner letzten Phase 2500 Mitglieder oder mehr involviert. Fest steht weiterhin, dass sowohl die Auszeichnungen (über die alle Mitglieder abstimmen), als auch Nominierung und Vornominierung, (über die die jeweiligen Berufsgruppen abstimmen) nicht auf Basis einer gemeinsamen Kinosichtung fallen werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass viele der Delegierten die Filme, über die sie abstimmen, nicht aus eigener Anschauung kennen. Aber selbst wenn alle Akademie-Mitglieder die knapp 100 deutschen Filme sähen, die jedes Jahr in Deutschland produziert werden, wären es die Filme der großen Werbebudgets und Zuschauerzahlen, die von dem neuen System profitieren. Dieser Verstärkereffekt ist aus den Akademien anderer Länder bekannt. Was bei "Demokratisierungen" dieser Art notwendiger Weise auf der Strecke bleibt, ist Vielfalt und Eigensinn. Die Mehrheitswahl war noch nie ein taugliches Mittel, künstlerische Qualität zu bestimmen - nicht ohne Grund wählen wir weder die Bilder in unseren Museen noch die Musiker in unseren Orchestern.

Marketing für den Mainstream

Ein von einer Akademie verliehener Filmpreis wäre also vor allen Dingen eine Marketingveranstaltung für den Mainstream, mit populären Preisen und tollen Fernsehquoten, aber ohne künstlerische Autorität. Die Industrie mag daran ein legitimes Interesse haben - Gelder der kulturellen Filmförderung dürfen hierfür nicht umgewidmet werden.

Die jetzige Praxis mag verbesserungswürdig sein - im Prinzip ist sie richtig. Eine kleine qualifizierte Jury, die ihre Entscheidungen in intensiver Diskussion sucht, wird immer engagierter und mutiger Entscheiden, als ein Wahlvolk von 2500 oder mehr Personen. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob sich dieses Volk aus Preisträgern, Professoren oder Tennisspielern zusammensetzt. Es kann eben nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen, sondern es muss um die Kultur gehen, die wir brauchen, die unsere Identität schärft, unsere Gegenwart herausfordert, unsere Zukunft beleuchtet. Diese Filme herauszufiltern, ist einer unabhängigen - also auch: nicht betroffenen - Jury eher zuzutrauen, als der Filmbranche in ihrer Gesamtheit, die natürlicher Weise von Egoismen geprägt ist und niemals zu einer Entscheidung wie der von 1993 käme, in der die Jury den Hauptpreis - das Filmband in Gold - nicht vergeben hat, weil das Niveau "nicht preiswürdig" war. Eine solche Entscheidung, die eben auch Kritik sein wollte, Herausforderung und Kommentar, würde eine Akademie niemals getroffen haben. Eine Akademie will sich selbst feiern, und genau dafür muss sich der Deutsche Filmpreis zu schade sein.

Christoph Hochhäusler

Christoph Hochhäusler stammt aus München und hat die Münchner Filmhochschule besucht. Er gehört zu den Gründern und Redakteuren der schönen Filmzeitschrift revolver. Sein erster Langfilm MILCHWALD lief mit großem Erfolg im "Internationalen Forum des Jungen Films" auf der Berlinale 2003, sowie auf dem Filmfestival von Montréal.

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