13.09.2018

Halbzeit am Starn­berger See

Es war einmal in Amerika
artechock blickt nach Starnberg
(Grafik: artechock)

Das Fünf-Seen-Filmfest bietet noch bis zum 15. September Kinovergnügen und entspannte Filmgespräche mit Autoren, Schauspielern und Regisseuren an. Wer also für das Wochenende noch keine Pläne hat, kann sich noch drei spannende Festivaltage gönnen

Von Ingrid Weidner

»Liebes­kummer lohnt sich nicht« oder »Marmor, Stein und Eisen bricht« – fast jedem über 30 fällt die Melodie dazu ein und mindes­tens eine weitere Textzeile. So ging es auch Marie Reich, die in einem Eltern­haus mit viel Schla­ger­musik aufwuchs. Doch wer hat diese Ohrwürmer kompo­niert? Marie Reich machte sich auf die Suche, fand Christian Bruhn und nervte ihn so lange, bis der Komponist schließ­lich einwil­ligte und sich filmisch porträ­tieren ließ. Meine Welt ist die Musik – Der Komponist Christian Bruhn ist am 14.09. um 20 Uhr in der Schloss­berg­halle in Starnberg und am 15.09. um 17 Uhr im Kino Gauting zu sehen. Der 1934 geborene Christian Bruhn wird zu Gast sein und sicher noch die eine oder andere Anekdote erzählen, für die im Film kein Platz mehr war.

Das Motto Zeit blitzt nicht nur thema­tisch in der Film­aus­wahl auf, sondern auch in den Werken selbst. Wer sich Ex Libris – Die Public Library von New York von Frederick Wiseman ansieht, sollte sich keines­falls von den 179 Minuten abschre­cken lassen und am Samstag, den 15.09. um 11 Uhr im Kino Seefeld den Doku­men­tar­film ansehen. Dem Regisseur gelang es, während der Dreh­ar­beiten im Jahr 2015 die Biblio­thek aus ganz unter­schied­li­chen Blick­win­keln zu zeigen. Er fängt Gespräche in Vorstand und Leitungs­gre­mien genauso ein wie die Arbeit an der Basis, etwa wenn Pädago­ginnen Kinder an einem der 92 Standorte für Mathe­matik begeis­tern wollen, Mitar­beiter am Fließband zurück­ge­ge­bene Bücher sortieren oder die New Yorker Upper Class sich zum Gala-Dinner trifft.

Die Public Library in New York zählt zu den großen Wissens­spei­chern der Welt. Doch wie verändert sich ihr Bildungs­auf­trag, jedem Mitglied der Gesell­schaft unkom­pli­ziert Zugang zu Wissen zu ermög­li­chen, wenn die Digi­ta­li­sie­rung viele ausschließt? Droht manchen das Abtriften in den Zustand der »digital darkness«, wie es im Film heißt, und werden vor allem dieje­nigen abgehängt, die weder ein Smart­phone noch einen Inter­net­an­schluss haben? Wie kann diese Insti­tu­tion auf neue Gewohn­heiten reagieren, wenn Nutzer lieber E-Books ausleihen anstatt gebundene Werke? Soll die Biblio­thek nur noch solche Werke anschaffen, die rege ausge­liehen werden oder auch ihre Samm­lungen weiter­führen? Wie also den Etat in Höhe von 250 Millionen Dollar inves­tieren? Durch die kluge Montage von Wiseman kommt keine Minute Lange­weile auf.

Viel Zeit mitbringen sollten Zuschauer auch für Es war einmal in Amerika von Sergio Leone, der in einer 251-Minuten-OmU-Version am 15.09. um 19.30 Uhr in Gauting zu sehen sein wird. Diese Fassung ist um 22 Minuten länger als die übli­cher­weise gezeigte, wie Festival-Leiter Matthias Helwig stolz erzählt. Auch in der Provinz gibt es exis­ten­zi­elle Situa­tionen, Konflikte und Dramen, etwa in Western von Valeska Grisebach, der in der Reihe Bettina Böhler zu sehen sein wird. Oder in der Oberpfalz, diese Region steht am Samstag filmisch gleich zwei Mal auf dem Programm, Wackers­dorf ist am 15.09. in Starnberg (15 Uhr, Schloss­berg­halle und um 20.30 Uhr in Gauting) zu sehen. Nach der Vorstel­lung in Starnberg disku­tiert Matthias Helwig mit Poli­ti­kern über »Demo­kra­ti­scher Protest gestern und heute«.

Auch das Feiern kommt nicht zu kurz. Am Dienstag Abend auf der Damp­fer­fahrt über den Starn­berger See wählte das Publikum den besten Kurzfilm. Nominiert und gezeigt wurden drei Werke, und zwar HAUT von Nancy Camaldo, REALITÄT von Lucas Thiem und Klima­wandel von Lukas Baier. Das Publikum entschied sich für Realität und Dreh­buch­autor Sebastian Ladwig nahm das »Goldene Glühwürm­chen«, ein Preisgeld von 500 Euro sowie einen Gutschein für einen Wellness-Aufent­halt am Starn­berger See entgegen. Der 7-minütige Film entstand in einer Nacht, wie Ladwig erzählt, teuer sei der Mietwagen gewesen und der Hersteller des Luxus­wa­gens wisse auch nicht, für welchen Zweck das Auto verwendet wurde. Nach dem Budget gefragt, sagt Ladwig »400 Euro« und hat damit endgültig die Lacher auf seiner Seite. Mit dem Film wollte das Team die Rechten veräppeln, erzählt er, das ist ihnen gelungen. Inhalt: Eine rechte Poli­ti­kerin und ihr Assistent steigen in einen Wagen, ein Chauffeur mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund soll sie zum Flughafen bringen. Die Fahrt verläuft anders als geplant. Das fsff war bereits das zehnte Festival, auf dem der Kurzfilm zu sehen war. Auf ihrer Facebook-Seite schreibt die Produk­ti­ons­ge­sell­schaft MY2C Produc­tion zum Preis: »Alter, jetzt wird’s Tag im Tisch­kasten« und weiter heißt es »Was für eine Riesen­ehre! Dreh­buch­autor Sebastian Ladwig ist live vor Ort und bezaubert im Publi­kums­ge­spräch«.

Das fsff vergibt noch zahl­reiche weitere Preise und in Starnberg steigt zum Abschluss des Festivals eine Party.

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12. Fünf Seen Film­fes­tival vom 6.-15. September 2018.
Spielstätten sind die Breit­wand­kinos in Starnberg, Gauting und Seefeld, die Schloss­berg­halle Starnberg, der Pfarr­stadl Wessling und der Wörthsee und das Seebad Starnberg mit Open Air.
Karten: regulär 9,50€, je nach Veran­stal­tung davon abwei­chend.
Das komplette Festi­val­pro­gramm finden Sie unter www.fsff.de Tickets gibt es online hier.