10.02.2015
65. Berlinale 2015

Roter Himmel, gelbe Luft

This Happy Breed (restaurierte Fassung)
This Happy Breed (restaurierte Fassung)
(Foto: Eagle-Lion Distributors Limited)

Lodernd, ekstatisch: Die Retrospektive der Berlinale feiert das Technicolor – Berlinale-Tagebuch, 5. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Opulent leuch­tende Farben­pracht aus vergan­genen Zeiten füllt die Berlinale-Leinwand – jeden­falls in der dies­jäh­rigen Retro­spek­tive. Sie heißt »Glorious Tech­ni­co­lour« und ist dem legen­dären Farb­film­ver­fahren gewidmet, das zu Holly­woods größter Zeit in Mode war. Wer also vom Grau in Grau mancher Wett­be­werbs­filme genug hat, kann sich hier nost­al­gisch zurück­sehnen in die Glanzzeit des Kinos. Die beson­deren Farb­ef­fekte des Tech­ni­color prägen viele Klassiker der Jahre zwischen 1935 und 1960: The Wizard of Oz, Disneys Schnee­witt­chen und This Happy Breed von David Lean sind nur einige der Titel, in denen die Farb­dra­ma­turgie ein entschei­dender Teil der Insze­nie­rung war. Um Realismus ging es dabei nicht, sondern um emotio­nale Stei­ge­rung und Über­höhung: Das lodernde Rot des Südstaa­ten­him­mels in Vom Winde verweht oder das eksta­ti­sche Gelb aus Singin' In The Rain war zur Entste­hungs­zeit eine Sensation.
Dreißig, oft aufwendig restau­rierte Filme sind im Programm zu sehen. Die meisten aus Hollywood, wie Blondinen bevorzugt oder Der Dieb von Bagdad, aber es gibt auch europäi­sches, etwa Die schwarze Narzisse vom britisch-deutschen Regieduo Powell/Press­burger.

Tech­ni­color wurde zum Mythos. Dabei hatte das Publikum zu Anfang Schwie­rig­keiten mit den leuch­tenden, sehr künstlich wirkenden Farben. Erst das neue Genre des Musicals und Tanzfilms, sowie Disneys Zeichen­tricks etablierten die Farbe. Dann kamen die Kassen­hits wie The Wizard of Oz. In Richard Boles­law­skis Der Garten Allahs (1936) wird die einsame Wüste in warmen Rotbraun­tönen zur Seelen­land­schaft. In dem Aben­teu­er­film Die drei Muske­tiere (1948) in der Regie von George Sidney kämpfen tollkühne Männer in leuch­tendem Rosa und Hellblau in einer gänzlich stili­sierten, künst­li­chen Natur.
Tieferen Einblick in diese Geschichte gibt der groß­ar­tige, reich bebil­derte, deutsch­spra­chige Katalog, der im Bertz+Fischer-Verlag erschienen ist. Essays von renom­mierten Autoren vertiefen das Phänomen Tech­ni­color in seinen viel­fäl­tigen, bisher teils unberück­sich­tigten Aspekten. Eine spannende, bisher nur wenig bekannte Geschichte, die die Berlinale jetzt erzählt.

Connie Betz, Rainer Rother, Annika Schaefer (Hg.): »Glorious Tech­ni­color«; 180 Seiten, 25,00 Euro, Bertz + Fischer Verlag, Berlin