Tropical Malady

Sud pralad

Manet und Renoir im Urwald

Tropen­krank­heiten gibt es viele. Die, von der der Thailänder Apichat­pong Weerasethakul, der aufstre­bende Komet am asia­ti­schen Film­himmel, in Tropical Malady erzählt, ist eine ganz besondere. Sie könnte »Liebe« heißen, aber auch »Realitäts­ver­lust«, sie ist ganz gewiss ein Fieber, und je länger es andauert, um so stärker ergreift es auch den Zuschauer. Wer sich auf diesen Film einlässt, kann in einen Sog geraten, wird mitge­rissen, und am Ende hat sich der Blick auf das Kino und auf die Welt unrettbar verändert. In Tropical Malady kann man versinken – man kann sich aber auch verirren wie in den Dschungel, in den er einen entführt, oder einfach das Sesam-öffne-Dich zu diesem medi­ta­tiven, in wenigen langen Einstel­lungen erzählten, mitunter an Malerei erin­nernden Film verpassen. Mitbringen sollte man jeden­falls Wach­sam­keit und Geduld – sie werden belohnt.

Weerasethakul steht ganz besonders dem fran­zö­si­schen Kino nahe, wie sich nicht nur daran zeigt, dass ihm bereits nach nur einer Handvoll Filmen eine Retro­spek­tive in Nyon gewidmet wurde, und dass Tropical Malady nach seiner Premiere und einem Preis beim Festival von Cannes von der fran­zö­si­schen Film­kritik zum besten Film des Jahres 2004 gewählt wurde. Es zeigt sich auch daran, dass umgekehrt die Filme des Thailän­ders voller Verweise auf fran­zö­si­sches Kino und Malerei stecken. Vor allem Jean Renoir und Eduard Manet sind als Vorbilder deutlich erkennbar.

Dieser einmalige, mit nichts gleich­zu­set­zende, sehr rätsel­hafte, hypno­ti­sie­rende Film ist durch eine Minute Lein­wand­schwarz in zwei grund­ver­schie­dene Hälften gespalten. Ihren gemein­samen Kern bildet die Vorstel­lung der Tiernatur des Menschen, seine in der thailän­di­schen Mytho­logie angelegte Möglich­keit, sich in ein Tier zu verwan­deln, und die roman­ti­sche Liebes­ge­schichte zwischen einem Soldaten und einem Dorf­be­wohner, die mehr und mehr eine mythische Dimension erhält.

Ein paar Manie­rismen zwischen­durch irri­tieren, lassen die Furcht aufkommen, dass hier wieder einen in Künst­ler­posen sich flüchtet und eigent­lich nur ein Kaiser ohne Kleider ist. Klar, wenn der Vorspann erst in der Mitte kommt, dann ist das viel­leicht ein Gag, aber ist es wirklich auch »ein dekon­struk­ti­vis­ti­sches Spiel mit den Grund­lagen des Kinos«, wie eine Kollegin damals aus Cannes schrieb? Der Zweifel überwiegt, denn eigent­lich ist so etwas abge­grif­fene Avant­gar­de­pose, und das dekon­struk­ti­vis­ti­sche Spiel mit den Grund­lagen des Kinos, vor allem wenn es so plump daher­kommt, längst eine Üblich­keit des Hollywood-Main­stream. Jeden­falls unnötige Wich­tig­tuerei, die Tropical Malady nie nötig hat.

Im zweiten Teil befindet man sich zu einem thailän­di­schen »Dejeuner sur l’herbes« im Dschungel, und Weerasethakul lässt sich ganz auf dessen Atmo­s­phäre und Körper­lich­keit ein. Das Domi­nie­rende der letzten Stunde sind diese Urwald­geräu­sche: Das Rauschen der Blätter und des Wassers, das Zirpen und Pfeifen der Insekten, Affen­schreie und Vogel­ge­zwit­scher, sowie die mehr spür- als hörbare Präsenz eines Tigers, den wir irgend­wann dann auch zu Gesicht bekommen. Wenn das geschieht, wird es, auch weil dieser ein Mensch sein könnte, zur magischen Erfahrung. Der Urwald gibt sein Geheimnis genauso wenig preis, wie dieser Film, doch sein Zauber hält uns längst umfangen.