Lara Croft: Tomb Raider

USA 2001 · 101 min. · FSK: ab 12
Regie: Simon West
Drehbuch: , ,
Kamera: Peter Menzies Jr.
Darsteller: Angelina Jolie, Daniel Craig, Leslie Phillips, Mark Collie u.a.

Papas Tochter

Action für die Spaß­ge­sell­schaft: Simon West verschenkt seine Haupt­figur und macht aus Lara Croft ein braves Mädchen

Nicht wirklich von dieser Welt war Lara Croft schon immer. Als Töch­ter­chen aus altem briti­schen Adel teilt sie einer­seits das Schicksal von anderen Abkömm­lingen einer ausster­benden Epoche: Eine archai­sche Kriegerin, deren aris­to­kra­ti­sches Wert­system in einer zivilen Umgebung, zunehmend nicht mehr auslebbar erscheint, oder sogar mit Strafe belegt wird.

Die über­fäl­lige Kino-Auswer­tung des Compu­ter­spiels betont diesen melan­cho­li­schen Zug der Heldin, die hier unüber­brück­bare Differenz zwischen Ich und Welt noch um Wesent­li­ches. Lara ist hier ganz Papas Tochter, und all ihr Tun hat nur den Sinn, diesem zu früh Verstor­benen Idol zu gefallen. Im Compu­ter­spiel hatte er sie noch enterbt, weil sie sich der passiven Tradition nicht beugen wollte. Da erschien Lara auch als Rebellin gegen über­kom­mene Werte, nun bewahrt sie sie fügsam, indem sie den väter­li­chen Auftrag vollendet. Zu allem Überfluß hat man die Rolle des Vaters noch mit Jon Voight besetzt, dem Vater von Haupt­dar­stel­lerin Angelina Jolie. Da wirken dann Vater­fi­xie­rung und Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung doppelt authen­tisch.

Der Plot selbst erscheint kaum der Rede wert. Esoterik und Historie mischen sich zu einem MacGuffin, bei dem der gute alte Illu­mi­na­ten­orden (trot­te­li­ger­weise als »Erleuch­tete« fehlüber­setzt) aus dem 18.Jahr­hun­dert wieder einmal – man erinnert sich an 23 – nach der Welt­herr­schaft trachtet und sich zu diesem Zweck einer 5000 Jahre alten Prophe­zei­hung bedient. Ein »Schlüssel« ist zu suchen, der zu den zwei Hälften eines zerbro­chenen Dreiecks führt, die dann wieder Zeit­reisen ermög­li­chen – so ungefähr jeden­falls. Die Welt als ein riesiger Aben­teu­er­spiel­platz, der am Ende zwar ein bisschen an Takeshis Castle erinnert, vor allem aber an ein Video­spiel, in dem die Haupt­figur nach jeder voll­endeten Aufgabe flugs auf dem nächsten Level mit höheren Schwie­rig­keiten zu kämpfen hat. Der Rhythmus variiert kaum, rasant schnell geschnitten wirkt Simon Wests Film wie ein Nach­ein­ander aus lauter Einzel­ele­menten, die für sich stehen, und im Prinzip beliebig rekom­bi­nierbar sind. Film-Zitate hat Regisseur Simon West (Con Air, Wehrlos – Die Tochter des Generals) breit gestreut, doch sind sie von Mission: Impos­sible über Seven bis zum James-Bond-Kosmos so beliebig ausge­wählt und verschlampt insze­niert, dass sie nie auch nur im Ansatz Konse­quenzen haben. Auch hüpft sie mal im Kampf gegen zwei Dutzend Killer am elas­ti­schen Seil durch den Raum, doch im Unter­schied zu Matrix oder Crouching Tiger, Hidden Dragon wird das nicht wegre­tu­schiert – was nicht als film­theo­re­ti­sches Reflek­tieren der eigenen Mittel mißver­stehbar ist, sondern nur 08/15-Akrobatik. Am inter­es­san­testen wäre es da noch, einmal der Rolle von Archäo­logen im Kino genauer nach­zu­for­schen, aber auch da liefern die Indiana-Jones-Sequels weitaus besseres Anschau­ungs­ma­te­rial. Eher noch denkt man an Die Mumie, bei der es auch britische Wissen­schaftler mit den Dämonen der Vorzeit zu tun bekommen, und es vor allem darum geht, ständig rennend in Bewegung zu bleiben.

Alles weitere ist Staffage, kaum wichtiger als die gele­gent­li­chen product place­ments am Rand der Spiel­fläche. So nimmt noch nicht einmal die Heldin die Böse­wichter und ihre Bedrohung wirklich ernst, immer lächelnd, augen­zwin­kernd und perfekt frisiert, besorgt sie vielmehr das Geschäft ihrer Gegner, offenbar damit es überhaupt bis zur 90-Minuten-Marke weiter­geht. Es bleibt eben ein Action­film für die Spaß­ge­sell­schaft.

Das dies so ist, stimmt traurig, denn das Zeug zur echten Kino­he­roine hätte Lara Croft auf alle Fälle. Nur hatte man offenbar Angst, mehr Inhalt und tiefere Gedanken hätten die Alter­frei­gabe für Teenager gefährden können – mit dem Ergebnis dass es dann auch ein Teenager-Film geworden ist.
Für das jüngere Publikum leistet Tomb Raider immerhin gewisse Einübung in moderne Mythen. Man lernt eine Techno-Amazone kennen, die im Unter­schied etwa zur Comic-Figur Tank Girl aber nie ein Girlie sein darf. Denn deren Girl Power entfaltet sich immer in der Differenz zu den Männern und dabei nicht zuletzt auch durch Sex. Sexuell aktiv darf Lara Croft aber auch im Film nicht sein. Offenbar möchte das trau­ma­ti­sierte Töch­ter­chen den Papa im Jenseits nicht zusätz­lich noch durch inten­si­vere Männer­be­kannt­schaften kränken. Hier liegt auch die entschei­dende Differenz zu ihrem Landsmann James Bond, mit dem sie ihrem tradi­tio­na­lis­ti­schen Appeal und die Vorliebe für Weltret­tung in exoti­schen Schau­plätzen teilt. Doch der ist ein Lady­killer, ihr bleiben nur ein Butler und ein nicht weniger geschlechtslos wirkender Computer-Nerd, der auf ihrem heimi­schen als Faktotum um Heim­tech­niker fungiert.

Braver und weib­li­cher, als ihr Game-Vorbild hat Lara zwar unendlich viel Munition für ihre beiden Pistolen zur Verfügung, muss aber trotzdem auffal­lend oft mit dem Messer, der klassisch weib­li­chen Waffe kämpfen, das im Spiel gar nicht vorkommt. So tut einem nicht zuletzt Angelina Jolie leid. Der Hollywood-Shooting-Star darf zwar schön aussehen, volle Lippen, lange Beine und eine üppige Oberweite präsen­tieren, aber nie Charakter zeigen. So wirkt auch ihre ständige Coolness unmo­ti­viert, und man erinnert sich, dass der bessere Lara Croft-Film eigent­lich 1999 Philip Noyce Bone Collector war – eine Art Noir-Großstadt-Version des Cyborg-Themas, bei dem Jolie ihren Körper dem gelähmten Denzel Washington leiht.

Am besten ist der Film daher dort, wo er sich ganz auf die virtu­ellen Wirk­lich­keiten einläßt, denen er entstammt: Gleich zu Beginn trägt Lara einen Trai­nings­fight mit einer Kampf­ma­schine aus, und als sich das metal­li­sche Ding verselbstän­digt, kommt es gar zu einer Art Verge­wal­ti­gungs­ver­such – einer der mageren Hinweise auf ihr Geschlecht, und eine Art Verschmel­zung zwischen Mensch und Maschine, der zumindest einmal in diesem Film auch die biotech­no­lo­gi­schen Perspek­tiven des Lara-Croft-Themas anreißt. Besiegt wird der imagi­nierte Maschi­nen­mann dann bezeich­nen­der­weise durch Heraus­nehmen des Compu­ter­hirns, nicht etwa durch Kastra­tion.

Und einmal scheint sie dann ganz in ihre natür­liche Umgebung zurück­zu­kehren: »Leih mir Deine Augen« flüstert sie durchs Mikro, und läßt sich von ihrem Haus­tech­niker am fernen Computer diri­gieren – für einen Augen­blick wieder ganz Sklavin des Users. Indem man Lara Croft aber nicht wie im Spiel nur von hinten, sondern auch von vorne sieht, wächst die Distanz, ohne das den Phan­ta­sien des Publikums Rechnung getragen wird. Weder als Heldin des Cyber­fe­mi­nismus, noch als poten­ti­elle Männer­ge­liebte kann man sich diese Lara Croft vorstellen, sie bleibt saubere Freundin und Schwester, wo sie im Spiel immerhin dark and dirty war.