USA 2025 · 130 min. · FSK: ab 12 Regie: James Gunn Drehbuch: James Gunn Kamera: Henry Braham Darsteller: David Corenswet, Rachel Brosnahan, Nicholas Hoult, Edi Gathegi, Anthony Carrigan u.a. |
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Migrantische Realiät: Superman diffamiert und ausgegrenzt... | ||
(Foto: Warner) |
Hand aufs Herz: fast jeder Kinogeher ist inzwischen müde. Müde von den vielen Superheldenfilmen, die sich in zahlreichen Franchises immer mehr verirren. Man denke nur an all die wahnwitzigen Erzählebenen, die das Marvel Universe inzwischen etabliert hat, so dass man, um mit dem großen Christoph Martin Wieland zu sprechen, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Dass dann noch einer der versiertesten Franchisehüter aus dem Hause Disney nach einem Streit, dann aber doch versöhnlichen filmischen Abschied von Disney (mit dem dritten Teil seiner Guardians of the Galaxy) als Produzent, Regisseur und Drehbuchautor ins feindliche Lage des DC Universe wechselte, verhieß nichts Gutes, sondern nur eine weitere redundante Superheldenerzählschlacht.
Doch James Gunn hat vielleicht gewusst, was er tut und vielleicht hat er ja auch Bertolt Brecht gelesen, der in seinem Stück »Leben des Galilei« schreibt: »Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.« Es ist die Antwort auf die Frage des Studenten Andrea Sarti, der behaupte hatte: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat!“
Gunn gibt in seiner beängstigend zeitgemäßen Adaption des Superman-Stoffes, der das erste Mal 1938 als Comic erschien, nachdem der wunderbare Will Eisner ihn wegen schlechter Story und mangelhaftem Pinselstrich abgelehnt hat, eine neue Antwort. Er bestätigt Brecht und er widerspricht ihm zugleich.
Denn Gunn, der sowohl das Drehbuch geschrieben als auch Regie geführt hat, überführt Superman aus all den mehr oder weniger überzeugen Franchise-Vorlagen in eine Zukunft, die unserer Gegenwart fast schon unheimlich gleicht. Der von Nicholas Hoult lustvoll gespielte, böse Antagonist Lex Luthor ist in all seiner bizarren Egomanie natürlich niemand anders als all die irren Silicon Valley-Milliardäre und ganz besonders Elon Musk. Luthor nudelt nicht nur eine Frau nach der anderen durch, sondern kennt auch keine Moral, wenn es darum geht, seinen unzähmbaren Neid auf alles, was besser sein könnte, zu befriedigen. Und der, nicht anders als in unserer »realen« Welt, mit dem Bösen paktiert, auch dann, wenn es Russisch spricht und so dämonisch dumm daherkommt und ein Land erobern will, das sogar in den schemenhaften Umrissen, die auf einer Landkarte gezeigt werden, an die Ukraine erinnert.
Es ist also eine Superman-Verfilmung, die hochpolitisch ist. Und das völlig unverhohlen. Der gerade laufende Krieg in unserer Alltagswelt wird in diesem Film mit anderen Waffen weitergeführt. Und Gunn stellt sich dabei gegen alles, was im heutigen Amerika an der Macht ist, integriert es aber so spielerisch in seine Geschichte, dass wie in den besten Disney-Produktionen, dennoch die ganze Familie ihren Spaß hat.
Denn Gunn führt weitere Erzählebenen ein. Er zeigt den von David Corenswet großartig charakterlos dargestellten Clark Kent alias Superman so, wie er immer war, schon in den frühen Comics, als tumben Toren, der einfach nur gut sein will, aber von der Welt im Grunde wenig versteht. Sein Geschmack ist dementsprechend nur durchschnittlich, wie Lois Lane (Rachel Brosnahan) beim Schlagabtausch über gute Punk-Musik klarstellt. Aber Superman kontert, dass ja vielleicht gerade der der wahre Punk sei, der einfach und ganz naiv nur gut sein will.
Um Supermans Naivität zu erklären und schließlich auf den Prüfstand zu stellen, geht Gunn sogar das Wagnis ein, Supermans Elternbeziehung auf den Kopf zu stellen und nicht nur anzudeuten, dass Superman nicht der ist, der er zu sein glaubte. Das passt dann auch gut zu den Anfeindungen, die auf Superman niedergehen, als eine globale – natürlich von Russen initiierte mediale Troll-Kampagne Superman als Migrant diffamieren soll, der nichts anderes im Sinn haben soll, als die gute alte Erde unter seine Kontrolle zu bringen.
Aber nicht nur diese Anspielungen auf die Macht von Fake News und das migrantische Dilemma der Herkunftsheimat und die wilde filmische Umsetzung machen Spaß, sondern – und das schreibt sich gar nicht so einfach, wie es aussieht: sogar die Hundegeschichte ist originell. Denn Superman wird der schlecht erzogene Hund Krypto an die Seite gestellt, der all das macht, was er eigentlich nicht machen soll, dann aber doch tut, was richtig ist und am Ende gleich noch dafür sorgt, dass auch diese fulminante Wiederbelebung des alten Franchises die Möglichkeit einer Fortsetzung erhält.
Das erinnert auch daran, was Gunn immer wieder mit den »tierischen« Wesen seiner Guardians of the Galaxy gelungen ist: dass Menschen wie Tiere und Außerirdische am Ende eins sind – Lebewesen, die mal weniger und mal mehr liebenswert sind. Dazu gehören dann auch die bizarren Kollegen der »Justice Gang«, Green Lantern, Mister Terrific und Hawkgirl, die nicht nur neue erzählerische Räume eröffnen, sondern auch Identitätsfragen stellen, auf welche Seite man sich stellen soll und was überhaupt Gut und Böse ist. Und die natürlich, und das stets mit süffisanter Ironie und beißendem Humor durchsetzt, die Action erzeugen, die man von einem Superhelden-Action-Blockbuster auch erwartet.
Mit all dem gelingt Gunn nicht nur einer der originellsten und mutigsten Superheldenfilme der letzten Jahre, sondern er zeigt auch, wie wichtig es ist, Bertolt Brecht auch noch heute zu lesen. Denn Gunns Amerika ist ein unglückliches Amerika, eines, das, wie unsere ganze westliche Welt, am Abgrund steht und – noch einmal die Hand aufs Herz gelegt – ohne Superhelden eigentlich nicht mehr weiter kann, um die gegenwärtige Krise zu überleben. Das ist vielleicht nicht im Sinne Brechts, doch reicht es ja schon, den Superhelden als Fiktion im Kopf zu haben, als bibelgleiches Zitat, das einem im Kampf gegen das unausrottbar Böse beisteht und die Kraft verleiht, die wir mehr als je zuvor brauchen.