Summer of Sam

USA 1999 · 141 min. · FSK: ab 16
Regie: Spike Lee
Drehbuch: , ,
Kamera: Ellen Kuras
Darsteller: John Leguizamo, Adrien Brody, Mira Sorvino, Jennifer Esposito u.a.

Punk und Pasta

Spike Lees gran­dioses Seventies-Panorama

Zwei Freunde, Vinnie und Richie. Beide stammen aus dem Italo-Milieu der New Yorker Bronx. Man kennt das aus Scorsese-Filmen: Gutka­tho­li­sche Doppel­moral beherrscht das Leben nicht weniger als der Pate des Viertels, zum Essen gibt es Pasta, die Töchter sind Prin­zes­sinnen, solange sie sich anständig aufführen, und die Söhne wachsen langsam in die Rollen der Väter hinein. Von den Eltern sieht man hier aller­dings so gut wie nichts. Sie tauchen nur am Rande auf, wie der Vater Dionna (Mira Sorvino), dessen Restau­rant gerade den Bach runter geht. Oder die Mutter von Richie, die auch endlich ihr Leben genießen will.

Indem Lee vom Alltag dieser beiden sehr unglei­chen Freunde erzählt, porträ­tiert er zugleich das New York des Jahres 1977: Vinnie (Joe Leguziamo) ist der Inte­grierte; er lebt von Samstag zu Samstag; wie die prole­ta­ri­sche, also realis­ti­sche Ausgabe des John Travolta aus Saturday Night Fever wirft er sich in Schale und darf König sein für eine Nacht. An seiner Seite ist Dionna, seine Frau, die er hemmungslos betrügt, und die erst allmäh­lich lernen wird, ihre eigene Macht zu gebrau­chen. Richie (Adrien Brody) hingegen ist der Rebell. Er hat den Punk für sich entdeckt, übt Cockney-Akzent und trägt Igel­frisur.

Ein Seri­en­killer, der histo­ri­sche »Son of Sam« (eine Name, den sich die Vietnam-Veteranen gaben, und der natürlich auch noch als eine ironische Anspie­lung auf 'Uncle Sam' gelesen werden muss), wird zum Kata­ly­sator aller hier versteckten Konflikte: sein Vorhan­den­sein öffnet die Verhält­nisse, spitzt zu, doch bewirkt es auch das Gegenteil: Die Fronten werden geschlossen, Gren­züber­schrei­tungen unmöglich gemacht.

Spike Lees Summer of Sam ist ein bewun­derns­wert intel­li­genter Film voller Über­ra­schungen. Eine der größten ist natürlich die, dass Lee hier zum ersten Mal einen Film gedreht hat, der nicht in der »black community« spielt. Die Themen Freund­schaft und Verrat, Moral und Verbre­chen, die Inte­gra­tions- und Ausschluss­me­cha­nismen im heutigen Amerika und die Genese der Gewaltsind zwar dieselben. Dennoch: der Bruch, auch stilis­tisch, ist unüber­sehbar. Schnell und doch rythmisch sanft wird erzählt, dem Regisseur gelingt mit diesem Quasi-Kostüm­film ein souver­äner epischer Grundton, den man von ihm bisher nicht kannte, der anknüpft an das ganz große klas­si­sche Kino Amerikas.

Zum ersten Mal zeigt Lee nichts, das thema­tisch dann doch irgendwie in der Ethno-Nische des schwarzen US-Kino ange­sie­delt ist, sondern ein Panorama Gesam­tame­rikas. Doch lassen wir uns nicht täuschen: Summer of Sam ist poli­ti­scher als vieles, das wir von ihm kennen. Es ist sein bester Film geworden, aller­höchs­tens Do the Right Thing reicht da heran. Alles stimmt hier. Einfach hervor­ra­gend, einer der großen Filme des Jahres!