Star Trek – Der Aufstand

Star Trek: Insurrection

USA 1998 · 102 min. · FSK: ab 12
Regie: Jonathan Frakes
Drehbuch: ,
Kamera: Matthew F. Leonetti
Darsteller: Patrick Steward, Jonathan Frakes, Brent Spiner, F. Murray Abraham u.a.

Picards Gespür für PC

Tragik statt Ironie auf der »Enter­prise«

Als Gene Roden­berry in den Sech­zi­gern sein Star Trek-Epos (bei uns leider unver­än­der­lich als Raum­schiff Enter­prise geführt) entwi­ckelte, herrschte der Geist der frühen Hippies. Man las Marcuse, Hesse und Fromm noch lieber als Marx, Sartre und Freud. Wer besonders klug sein wollte, las Heidegger und McLuhan. Star Trek ist immer eine Mischung aus all dem und dem gesell­schaft­li­chen Aufbruchs­be­wußt­sein von 1968 gewesen: Das Fort­schritts­pa­thos des Wasser­mann-Zeit­al­ters der besseren Menschen bildete die Form für spinnerte, rührend naive, aber in dieser Naivität auch geist­reiche Zukunfts­vi­sionen, eine populäre Science Fiction, die in ihren besten TV-Folgen wie ein psycho­de­li­scher Trip wirkte, Zeitgeist at ist best reprä­sen­tierte. Die alte Besatzung war nicht nur ein -ohne Penetranz insze­niertes- politisch korrektes Abbild der Weltlage (Der Russe Ceckow und natürlich Lieu­tenant Uhura, die Frau­en­mo­ve­ment und Schwar­zen­be­we­gung in sich verband machten das Raum­schiff zur kleinen UNO), zur Zeit des Viet­nam­kriegs prak­ti­zierte Star Trek auch eine frühe Form der Entspan­nungs­po­litik (und reprä­sen­tierte damit die real­po­li­ti­sche Kehre der 68er-Bewegung): Voll westlich-abend­län­di­schen Selbst­be­wußt­seins, aber aufge­klärt und ohne unan­ge­mes­sene Aggres­si­vität begegnete man fremden Kulturen, gerade so wie Richard Nixon bei seinem Staats­be­such in Peking, wie Willy Brandt in Erfurt und Moskau, oder man vermit­telte zwischen Streit­hähnen, wie es Henry Kissin­gers Pendel­di­plo­matie im Nahen Osten ähnlich prak­ti­zierte.

Immer präsent blieb aber in Star Trek die – unpo­li­ti­sche, wood­stock­ge­prägte – Hippie-Herkunft inklusive ihrer – sozusagen – Heideg­ger­sche Kompo­nente: Dem LSD-Nihi­lismus, dem Verblassen des Eigenen vor dem Fremden, dem Verschwinden der Gegenwart in den Abgründen der unend­li­chen Seins­ge­schichte. Zu diesen Ursprüngen bewegt sich die unend­liche Star Trek-Geschichte seit der Wieder­ge­burt in Gestalt einer Next Gene­ra­tion (seit 1988) mehr und mehr zurück: Unter dem Kommando des neobud­dhis­ti­schen Captain Picard (Patrick Steward) wurde der Phaser-Einsatz mit dem ein Captain Kirk so manches Hindernis überwand, durch gewalt­freie Konflikt­lö­sungen ersetzt, die Besatzung aus gut ausge­bil­deten Hand­wer­kern zu einem kultur­wis­sen­schaft­li­chen Ober­se­minar, in dem jeder Teil­nehmer mit spezi­ellen Techniken zur inter­kul­tu­rellen Kommu­ni­ka­tion ausge­stattet ist; ein esote­risch ange­hauchter mora­li­sie­render Kultur­re­la­ti­vismus prägt nun die Einsätze der inter­ga­lak­ti­schen Blau­helm­truppe der »Enter­prise«.

Auch in der neunten Star Trek-Kino­ver­sion wird hinter aller Science-Fiction-Action vor allem Moral gepredigt. Im Zentrum der Handlung – Regie führte zum zweiten Mal Jonathan Frakes, zugleich Darsteller von Picards Stell­ver­treter William T. Riker – steht diesmal ein kleines Volk, das pazi­fis­tisch und ökolo­gisch korrekt auf dem entle­genen Planeten Ba'ku den Traum vom gesunden Landleben (und US-Pionier­geist) verwirk­licht. Zu allem Überfluß ist man auch noch im Besitz ewiger Jugend, denn spezielle Strah­lungen verhin­dern das Altern.

Als Picard und seine Besatzung hier­her­kommen, merken sie bald, daß dieses Paradies bedroht ist. Denn die den Ba'ku verwandten Son'a sind – natürlich weil man ein anderes Lebens­mo­dell mit viel Technik und zuwenig Achtung vor der Natur bevor­zugte – vom Auss­terben bedroht. Der schur­ki­sche Son'a-Führer Ru'afo (F.Murray Abraham), der sich nur durch bizarre Kuren am Leben erhält, will sich den Planet mit Hilfe eines korrupten Föde­ra­tions-Generals unter­werfen, was Picard und seine Besatzung natur­gemäß in letzter Sekunde zu verhin­dern wissen.

An John Sturges Die glor­rei­chen Sieben, die die armen Chicano-Bauern Mores lehren, erinnern die »Enter­prise«-Kämpfer, die den tech­nik­ver­ach­tenden Ba'ku zeigen, daß Waffen und andere Hilfs­mittel manchmal doch ganz praktisch sein können. Und wie Moses (oder Charlton Heston) das Volk aus Ägypten führt Picard das Ba'ku-Volk zum Exodus ins Gebirge, sucht in dunklen Höhlen Zuflucht, während man angrei­fende Raum­schiffe wie Tontauben vom Himmel schießt.

Das eigent­liche Thema des Films besteht aber in der Frage, wie achtens­wert überhaupt das Recht einer 600 Menschen-Kultur auf völlig unberührte Existenz ist. Wie wichtig ist die Erhaltung eines bestimmten Lebens­stils?
Peter Weir gelang es einst in Der einzige Zeuge den Konflikt zwischen Rechten der Allge­mein­heit und denen einer einzelnen Kultur­gruppe subtil und facet­ten­reich in einem Unter­hal­tungs­film darzu­stellen.

Trotz manch' guter Ansätze und einiger Kurzweil ist Star Trek – Der Aufstand von solcher Meis­ter­schaft weit entfernt. Zu sichtbar erhoben schwebt der erhobene Zeige­finger der Political-Correct­ness über allem, zu einseitig nimmt der Film Partei für die bedrohten Ba'ku. Nimmt man den Stoff ernst, wird man zumindest einmal fragen dürfen, ob denn die Erhaltung dieser Mini-Kultur in unschul­digster Reinheit tatsäch­lich so viel wichtiger ist, als das Überleben einer anderen (doch auch achtens­werten) Kultur, das freilich für unsere Para­dies­be­wohner mit dem Ende der Unschuld verbunden wäre.

Nimmt man den Stoff nicht ernst, dann wird uns hier freilich nur ein nettes Winter­mär­chen erzählt, eine Inte­gra­ti­ons­story, die deshalb verlogen ist, weil sie den Problemen ausweicht. Doch wie gesagt, ernst muß man’s nicht nehmen, es geht ja »nur« um Unter­hal­tung.

Was aber mißmutig stimmt, ist der latente Kultur­pes­si­mismus, der Serie wie Film prägt. Offenbar glaubt man, der heutigen Zuschau­er­ge­ne­ra­tion eine apoka­lyp­ti­sche Grun­die­rung jener tech­no­lo­gi­schen Utopie, die Star Trek ja immer auch ist, präsen­tieren zu müssen. Ob als kompen­sa­to­ri­sches Korrektiv, oder mit tieferer Bedeutung – an der Entwick­lung der Folgen läßt sich spüren, wie dem Fort­schritt heute der Spaß ausge­gangen ist.

Einst spielte Star Trek ironisch mit einem liberalen Opti­mismus und expan­sio­nis­ti­schen Geist eines Commander James T. Kirk, der das »New-Frontier«-Denken der Kennedy-Gene­ra­tion spiegelte, und im ironi­schen Egghead-Fana­tismus eines Dr. Spock und in der skep­ti­schen Humanität eines »Pille« McKoy Gegenpole vorge­setzt bekam. In deren multi­kul­tu­reller Zukunfts­vi­sion schien letztlich alles möglich zu sein.

Diffe­ren­zie­rungen dieser Art sucht man bei der New Gene­ra­tion vergebens: Kein Rabauke, keine Logiker-Nerven­säge, sondern nahezu gleich­ge­schal­tete Charak­tere, die alle so vernünftig sind, wie die Leiter einer evan­ge­li­schen Pfad­fin­der­gruppe. Allen­falls der Android Data hat noch einige mensch­liche Züge, aber auch er muß in jeder Folge irgend­etwas »lernen«, sprich ange­paßter werden, und den Buster Keaton in sich zum Verschwinden bringen.
Und auf der »Enter­prise«-Brücke erlebt ein rück­wärts­ge­wandter, in Romantik und Nostalgie schwel­gender Picard mit sorgen­um­wölkter Stirn seine Midlife-Crisis. Die Gefahren drohen ihm offenbar allein von weib­li­chem Begehren und einem Zuviel an Ethno­zen­trismus.

Hier zumindest hat Heidegger über McLuhan gesiegt, haben Ernst und Schwere, Tragik und Pessi­mismus die Ironie der swinging Sixties abgelöst und das Kommando auf der Enter­prise über­nommen.