Sky Captain and the World of Tomorrow

USA/GB/I 2004 · 106 min. · FSK: ab 12
Regie: Kerry Conran
Drehbuch:
Kamera: Eric Adkins
Darsteller: Gwyneth Paltrow, Jude Law, Giovanni Ribisi, Michael Gambon u.a.
Hebt ab: Jude Law

Konglomerat der frommen Wünsche

Die Schnee­flo­cken treiben ganz in weiß über den grau­blauen Himmel, faszi­niert schauen die Passa­giere des Zeppelins Hinden­burg III hinaus auf die große Stadt, der sie sich nähern: New York. Die neue Welt, gelobtes Land, das man zu erreichen versucht, wenn man die Gefahren der alten Welt hinter sich lassen will. Fanfaren rauschen durch den Raum, es wird laut, sehr laut und innerlich vibrie­rend glaubt man, der Film nähere sich jetzt endlich seinem Höhepunkt, dem Moment des voll­kom­menen Pathos, der absoluten Verzü­ckung. Die Ankunft, das Anlegen des Ballons an der höchsten Höhe des Empire State Building wird aus allen Perspek­tiven gezeigt, von oben, von unten, von der Seite und dann das ganze noch mal von vorne. Ja, hier sind wir ange­kommen, unser weiter Weg musste uns genau hier zu diesem Platz führen. Noch ein Moment der Spannung und es ist geglückt, sicher liegt das Schiff im Hafen. Kommt man nach einem Augen­blick der Ruhe wieder zu sich ahnt man, dass es das noch nicht gewesen sein kann. Der Film dauert ja gerade mal fünf Minuten.

Fritz Lang, so findet man es bei Siegfried Kracauer geschrieben, inspi­rierte genau dieser Moment der Ankunft in New York zu Metro­polis, der 1927 in die deutschen Kinos kam. Berichtet wird von einem nächt­li­chen New York, »das von Millionen Lichtern glitzerte.« Ein echter Rausch. Regisseur Kerry Conran zitiert also, denn sein New York sieht aus wie die Stadt Metro­polis – aller­dings in der Mickey Mouse-Version. Die glit­zernde Großstadt ist Ausgangs­punkt für die wirren Abenteuer des Piloten Joe, ameri­ka­ni­scher Jagd­soldat, der zusammen mit seiner Ex-Geliebten Polly eine Tour­deForce rund um den Globus antreten muss, um die schlimmen Pläne des noch schlim­meren Wissen­schaft­lers Dr. Totenkopf zu durch­kreuzen. Das funk­tio­niert dann ähnlich wie die Indiana Jones-Filme. Viel Tempo, eine einfache Geschichte und ab und an ein Witz. Nur leider erreicht Captain Joe niemals den Charme seines Vorgän­gers.

»A trail­bla­zing moment in film­his­tory« kündigt die Pres­se­mit­tei­lung an, weil der Film jetzt komplett in der Blue-Box geschossen wurde und erst nach sechs Jahren Post­pro­duk­tion sein wahres Gesicht offenbart. Aber der vermeint­liche Meilen­stein der Film­ge­schichte entpuppt sich schnell als Recy­cling­an­lage, wo alles aufge­fahren wird, was die Film­ge­schichte so zu bieten hat. Eine Potpourri-Welt, die schmeckt wie ein guter deutscher Eintopf (Wir schmeißen alles in einen großen Topf und lassen es dann sechs Jahre lang auf dem Herd vor sich hinköcheln). Man findet nichts wirklich Neues, dafür ist jetzt alles compu­ter­ani­miert. Ein bisschen russi­scher Forma­lismus, ein bisschen Orson Wellsche Citizen Kane Drucker­pressen-Über­blen­dungen, ein bisschen B-Film-Pulp der mittleren Jahre und der Schau­platz der finalen Konfron­ta­tion zwischen Gut und Böse wirkt als hätte sich James Bond im Jurassic Park verlaufen. Ein Konglo­merat der frommen Wünsche und der Klebstoff, der die Bilder anein­an­der­schweißt, basiert auf einer Formel nach Disney. Schon zu Beginn kommt es zum geheimen Treffen im Kino und über die Leinwand flimmert The Wizard of Oz. Klein Dorothy stellt mit unschul­digem Puppen­ge­sicht fest »This is not Kansas« und dann wieder­holt sie das noch einmal und das geheime Treffen ist bei weitem nicht so spannend, wie man viel­leicht erwarten durfte. Der Mann im Sessel neben mir ruft Dorothy zu »Nein, das ist nicht scheiß Kansas.« Der Einbruch des Realen in die ästhe­ti­sierte Schmu­se­welt. Sky Captain tran­szen­diert sich zitierend ins histo­ri­sche Nirgendwo, ins Reich der Mythen und Märchen, wo die Nazis immer noch versuchen, die Welt an sich zu reißen oder zu zerstören, je nach Tagesform. Was bleibt ist die Angst das Monster Hitler könne doch noch die Atombombe aus dem Ärmel schütteln oder mit seiner V2 den Krieg gewinnen.

Bei aller Liebe und Hommage an den Stummfilm, das große Vorbild heißt Leni Riefen­stahl, deshalb komman­diert Conran seine Helden wohl auch ab zur Reinsze­nie­rung der Blue-Screen-Hölle vom Piz Palü. Herr Fanck wird sich post mortem freuen und das viel zu oft geschmähte Genre des deutschen Bergfilms wohl insgesamt. Die erste halbe Stunde brilliert vor allem durch die Redundanz der Reihungen in jedem Bild, Triumph des cgi-Willens, man denkt, der Führer selbst könne jeden Augen­blick aus irgend­einem Loch kriechen, oder, wie einst in Riefen­stahls Propa­ganda-Spektakel von 1934, vom Himmel segeln. Das Reichs­par­tei­tags­gelände hätte sich als Drehort aufge­drängt, die Stadt Nürnberg hätte es sicher gefreut, an diesem geschicht­lich so wert­vollen Ort endlich wieder ein Filmteam begrüßen zu dürfen. Alles in allem sieht Sky Captain dann aus, als hätte Albert Speer persön­lich das Story­board gezeichnet. Bombas­ti­sche Räume, die die verschwin­dende Mikro­skopie der Menschen, die sie durch­wan­dern, verschlu­cken. Die Flug­ha­fen­han­gars lösen das Verspre­chen ein, das Speer mit seinen Licht­domen abgegeben hat.

Eine Flau­sche­welt, die keiner Menschen­seele wehgetan hätte wären da nicht die letzten Zweifel, dass Kracauer viel­leicht doch recht gehabt hat und sich faschis­toide Tendenzen in der Bild­ge­stal­tung der Filme einer Epoche andeuten. Dass die Filme Ausdruck und deshalb auch Nährstoff der begie­rigen Volks­seele ist, die sich nach dem starken Mann sehnt. Am Ende läuft Conrans Werk natürlich auf das Besiegen der Angst vor dem deutschen mad scientist hinaus (Ameri­kaner und einäugige Engländer in trauter Freund­schaft nach einem gewon­nenen Krieg gegen allerlei stäh­lernes Unge­ziefer), aber der Beginn des Filmes spricht in seiner Faszi­na­tion für die formalen Mittel Riefen­stahls eine ganz andere Bild­sprache. Ideo­lo­gisch bedenk­lich.

Sergei Eisen­stein hatte den Plan am Ende der Urauf­füh­rung seines Panzer­kreuzer Potemkin von 1925 das Kriegs­schiff durch die Leinwand rauschen zu lassen. Viel­leicht hätte Conran gut daran getan, selbiges zu tun und den Zeppelin nach den ersten fünf Minuten in den Zuschau­er­raum zu befördern. Dann wäre Sky Captain ein netter, wenn auch sauteurer Kurzfilm über einen Zeppelin, der am Empire State Building anlegt, geworden.