Sie haben Knut

Deutschland 2003 · 107 min. · FSK: ab 6
Regie: Stefan Krohmer
Drehbuch:
Kamera: Benedict Neuenfels
Darsteller: Valerie Koch, Hans-Jochen Wagner, Pit Bukowski, Alexandra Neldel u.a.
Der alte Trick mit der Gitarre

Das Leben ist eine Botanisiertrommel

Offenbar gibt es zwei Arten von Revi­val­filmen: solche, in denen mittels ange­le­senem Hochglanz-Zeit­geist­schick und zeit­genös­si­schem Audio-Teppich ein nost­al­gi­sches schön war die Zeit hervor­ge­rufen werden soll, und andere, in denen die Äußer­lich­keiten der Epoche keine so große Rolle spielen und der Wieder­er­ken­nungs­ef­fekt den kriti­schen Blick auf Positives und Negatives liebevoll stützt, statt zu verklären.

Sie Haben Knut ist eher letzterer zuzu­ordnen. Der Blick in eine zusam­men­ge­wür­felte Skihütten-Gemein­schaft des Winters 1982/83 wirkt so authen­tisch, weil die Charak­tere im Vorder­grund stehen statt der Requi­siten. Zeit­ge­nossen werden bestimmt jemanden aus ihrem Bekann­ten­kreis wieder­er­kennen, viel­leicht sogar sich selbst...

Ingo fährt mit seiner Freundin Nadja auf die Skihütte ihrer Familie, um endlich ganz allein und weit weg vom Alltag Bezie­hungs­fragen zu klären. Leider wird nichts aus der Abge­schie­den­heit, denn über­ra­schend schneit ein bunt gemischter Haufen Menschen herein: Nadjas Bruder Knut hat seine Freunde spontan zu Skiferien einge­laden. Er selbst lässt sich aller­dings nicht blicken, und schließ­lich stellt sich heraus, dass er bei einer Demons­tra­tion von den Bullen geschnappt wurde. Die Hütten­ge­sell­schaft schwankt zwischen poli­ti­schem Aktio­nismus und Feri­en­stim­mung, und die Grup­pen­dy­namik sorgt dafür, dass nichts bleibt, wie es war ...

Die Idee von Regisseur Stefan Kromer und Dreh­buch­autor Daniel Nocke (beide kennen sich aus dem gemein­samen Film­stu­dium in Ludwigs­burg) ist genial: Auf der Skihütte begegnen sich die unter­schied­lichsten Leute, Reprä­sen­tanten verschie­dener Lebens­weisen der ausge­henden 70er und begin­nenden 80er Jahre zwischen Spontitum und Spaß­ge­sell­schaft. Wie unter einem Brennglas lassen sich hier auf kurzer Distanz ihr Gehabe, ihre Geis­tes­hal­tungen und der Umgang mitein­ander beob­achten. Spannung entsteht durch Werte­kol­li­sion, Lebens­lügen können durch­sichtig werden und Vorur­teile revidiert oder gefestigt.

Die Reali­sie­rung dieser Idee ist aber nur teilweise gelungen. Die Iden­ti­fi­ka­tion mit Haupt­figur Ingo, mit dessen erstaunten Intel­lek­tu­ellen-Augen wir das Chaos in der Hütte beob­achten, klappt nicht immer, und auch seine Freundin Nadja gewinnt erst gegen Ende des Films Profil, ein Mangel, der eher dem Drehbuch zuzu­schreiben ist als den inter­es­santen Darstel­lern. Dennoch macht es Vergnügen, sich auf die Typen des Films einzu­lassen: den dogma­tisch-verkopften Polit­ma­cker, den roman­tisch-träu­me­ri­schen Gitar­ren­spieler, den verant­wor­tungs­be­wussten Vater, den spaß­be­tonten Skilehrer, den unbe­küm­merten Chaoten Knut liebevoll, aber am Rand der Karikatur gezeichnet allesamt. Leider sind die Frau­en­fi­guren weniger gelungen. Auch die beiden Kinder wirken eher als Kata­ly­sa­toren für die Darstel­lung der Erwach­senen denn als eigen­s­tän­dige Figuren.

Generell verliert der Film, wenn es darum geht, den Typen Leben einzu­hau­chen und die Handlung voran­zu­treiben, einiges wirkt hier beliebig. Und das uner­war­tete Auftau­chen Knuts ergänzt zwar das Figu­ren­ka­bi­nett, bricht aber eher störend in den Mikro­kosmos ein, den man gerade zu durch­schauen begonnen hat. An einigen Stellen gelingt es meis­ter­haft, die Platitüden des gut, dass wir darüber geredet haben zu entlarven. Doch oft muss im Dialog behauptet werden, was der Film offenbar nicht darzu­stellen vermag, zum Beispiel das schlechte Verhältnis zwischen Ingo und Knut.

Dennoch ist es eine Zeitreise, die Spaß macht. So waren sie also, die Bewohner dieses fremden Planeten Vergan­gen­heit. Und manche davon könnten einem auch heute auf der Straße begegnen.