Die Schöne und das Biest

Beauty and the Beast

USA 2016 · 130 min. · FSK: ab 6
Regie: Bill Condon
Drehbuch: ,
Kamera: Tobias A. Schliessler
Darsteller: Emma Watson, Dan Stevens, Luke Evans, Kevin Kline, Josh Gad u.a.
Das Biestige im Schönen

Befreiung aus der selbstverschuldeten Halb-Mündigkeit

Der Stoff ist bekannt. Spätes­tens seit Cocteaus bald klassisch gewor­dener und enorm einfluss­rei­cher Verfil­mung des alten fran­zö­si­schen Märchens aus dem Jahr 1946 (mit Jean Marais) gehört »Die Schöne und das Biest« zur Welt­kultur, die zumindest mit ihrem Titel und der Grund­kon­stel­la­tion universal bekannt ist. Nun hat ihn Disney ein weiteres Mal verfilmt.

Es war einmal in alten Zeiten: Bella, ein junges Mädchen inter­es­siert sich nicht für ihre vielen Verehrer, sondern für Bücher. Sie lebt allein mit ihrem Vater – bis der eines Tages von einem brutalen Ungeheuer gefan­gen­ge­setzt wird, das auf seinem Besitz wie ein Eremit lebt, weil der einstige Prinz mensch­liche Gesell­schaft scheut. Zu hässlich und furcht­erre­gend ist sein Antlitz, seit er von einer bösen Hexe entspre­chend verwan­delt wurde. Um den Vater zu befreien, nimmt Bella dessen Platz ein. Bald wird das verwun­schene Schloß für sie zu einem Traumort, einem Reich voller Magie, Phan­tastik und Zauber und einer Passage ins Erwach­senen-Dasein. Denn allmäh­lich erkennt Bella auch die innere Schönheit des Schloss­be­sit­zers, und die zwischen beiden wachsende Liebe könnte den Fluch lösen – wäre da nicht noch das Böse in Gestalt der Hexe und ihrer Zauber­kräfte, und vor allem von Bellas Verehrer dem dörf­li­chen Lands­knecht Gaston, einem eitlen Gecken, den Bella verachtet – eine Zurück­wei­sung, die er in Hass auf alles Andere und Fremde verwan­delt.

Im Zentrum stehen zwei Gefangene unter­schied­lichster Art: Während Vaters Töch­ter­chen sich aus dem Bann ihres Vaters lösen muss, und entdecken wird, dass das Leben jenseits der Bücher und Papas Gesetz noch völlig unent­deckte Seiten hat, dass es auch eine Klugheit und Mündig­keit gibt, aus der man sich beim Erwach­sen­werden befreien muss. Das (Männer-)Biest wiederum wird seine weiche Seite entdecken.

Die neueste Verfil­mung stammt von Regisseur Bill Condon (The Twilight Saga: Breaking Dawn) und hält sich recht genau an den von der Vorlage und ihren großen Verfil­mungen gesetzten Rahmen. Neben Cocteau gehört dazu der Disney-Anima­ti­ons­film von 1991. Die Heldin Bella ist auch hier eine selbst­be­wusste, intel­li­gente junge Frau – ein durchaus sympa­thi­sches Vorbild auch für unsere Zeit. Das »Biest« und Schloss­herr ist unge­schlacht und jähzornig, hat aber eine empfind­same Seite.

Spannung kommt vor allem durch den Schurken Gaston auf, dessen Hass und Ignoranz einem allzu zeitgemäß erscheinen. Ansonsten bietet der Film eine konsumier- und vorher­seh­bare Mischung aus Sentiment und Witz. Der Charme liegt im Detail und vor allem in den hoch­karä­tigen Darstel­lern und deren Spiellust: Vor allem Emma Watson als Bella beein­druckt, weil es ihr gelingt, den lebens­frohen Prag­ma­tismus des Land­mäd­chens Bella immer mit einer Dosis Anmut zu versehen. Luke Evans (The Hobbit) spielt den sadis­ti­schen Narziss Gaston. Erst recht die Besetzung der Neben­rollen ist den Besuch wert: Ewan McGregor als der in einen Kerzen­leuchter verwan­delte Schloß­diener Lumière ist ebenso bezau­bernd wie Ian McKellen als dessen Pendant, die verstaubte Standuhr von Unruh. Auch Kevin Kline, Emma Thompson und Stanley Tucci in kleineren Auftritten belegen, das Geld hier keine Rolle spielt, sondern der Disney-Konzern in die Vollen gegriffen hat – viel­leicht auch, um erst drei Jahre nach der an den Kassen gefloppten fran­zö­si­schen Version von Chris­tophe Gans mit Lea Seydoux und Vincent Cassel klar­zu­stellen, dass man sich von den Europäern nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.

Man kann über Beauty and the Beast nicht sprechen, ohne ihn auch als Phänomen der globalen Kultur­in­dus­trie zu begreifen: Seit Jahr­zehnten haben die Disney-Studios die bekann­testen Märchen und Kinder­er­zäh­lungen der Welt für sich gepachtet und schleu­dern sie in regel­mäßigen Abständen in Neuver­sionen unters Kinovolk. Gerade ist die neueste Runde in vollem Gang: Nach Cinde­rella, Alice in Wonder­land und The Jungle Book ist dieser Film nur der neueste Schritt dieser Gene­ralüber­ho­lung für die jüngste Teen- und Twen-Gene­ra­tion: Man passt die klas­si­schen, oft auch bereits als Zeichen­trick­film vorge­legten Stoffe modernen Sehge­wohn­heiten an, und, wie man gern sagt, »entstaubt« sie: Computer-Spezi­al­ef­fekte umranken die Darsteller, Musik und Sound­ef­fekte motzen den Eindruck auf, etwas modische Verkit­schung inbe­griffen.

Das Resultat kann sich trotzdem sehen lassen: Immer noch ist dieses fort­schritt­liche Märchen über eine junge Frau, die sich dem äußeren Schein versagt und alle Vorur­teile ihrer Umgebung zurück­weist, erstaun­lich sperrig und wider­s­tändig.