Schoßgebete

Deutschland 2013 · 93 min. · FSK: ab 16
Regie: Sönke Wortmann
Drehbuchvorlage: Charlotte Roche
Drehbuch:
Kamera: Maher Maleh
Darsteller: Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Juliane Köhler, Anna Stieblich, Robert Gwisdek u.a.
Wie eine Quiz-Show aus den 1950er Jahren

Durch die Stoßgebiete des Menschlichen

Diesen Film hat nicht einmal Charlotte Roche verdient: Sönke Wortmanns weich­ge­spülte Schoß­ge­bete

Im Gegensatz zu seinem Vorläufer, dem Über­ra­schungs-Mega­s­eller »Feucht­ge­biete« 2008 war »Schoß­ge­bete«, das zweite Buch der als TV-Mode­ra­torin bekannt gewor­denen Charlotte Roche, im Spät­sommer 2011 ein kalku­lierter Best­seller. Die keines­wegs rein zufäl­ligen Ähnlich­keiten mit lebenden und toten Personen und andere auto­bio­gra­phi­sche Bezüge ordnete die Lite­ra­tur­kritik, je nach Vorur­teilen und Sympa­thien der Rezen­senten als »die untröst­liche Wahrheit der Autorin«, die »den Boden des Abgrunds, in den dieses Buch zitternd hinun­ter­starrt« markiere (Felicitas von Lovenberg in der FAZ) oder als »uner­heb­li­chen, trivialen, ja verlo­genen« Fall (Thomas Steinfeld in der SZ).

Allemal ging es wieder darum, feuchte Körper­zonen der Autorin, bezie­hungs­weise ihrer nicht ganz fiktiven Heldin der Diskre­tion zu entzerren und in Sphären öffent­li­cher Betrach­tung zu erheben. Statt Exkre­menten ging es nun ausführ­lich um »Vagi­nal­schleim« und schon war das Begehren des bürger­li­chen Publikums, das längst härtere Kicks braucht als den Duft blauer Blumen oder einen Tod in Venedig genügend ange­kitzelt, um die Brief­ta­sche zu zücken. Ob da der Exhi­bi­tio­nismus der einen oder der Voyeu­rismus der Vielen oder gar beides befrie­digt würde, muss man nicht entscheiden, um fest­zu­stellen, dass »Schoß­ge­bete« zwar theo­re­tisch vom Trauma handelte, dass eine Frau ihre halbe Familie bei der Fahrt zu ihrer Hochzeit verliert, ob seiner halbpor­no­gra­phi­schen Passagen aber vor allem Sex als Rettung aus allen Sorgen und Problemen propa­giert.

Keine Frage, dass so ein Erfolg, der den Popu­lismus mit dem Mäntel­chen des Tabu­bruchs verschleiert, nach einer Verfil­mung schreit. Ange­kün­digt lange vor Feucht­ge­biete, der bereits vor über einem Jahr ins Kino kam, musste man an Schoß­ge­bete offenbar lange herum­dok­tern. Ob dass daran lag, dass das Drehbuch erst um alles Anstößige gereinigt werden müsste, oder dass Regisseur Sönke Wortmann etwas aus der Übung war, weil er seit zwölf Jahren, seit dem Wunder von Bern nur einen einzigen Spielfilm gedreht hat, sei dahin­ge­stellt. An den Schau­spie­lern zumindest lag es nicht, denn Lavinia Wilson, Juliane Köhler, und sogar der dauer­prä­sente Jürgen Vogel überz­eugen. Was nicht überzeugt, ist eine einfalls­lose Regie und die staub­tro­ckenen Dialoge, in die das Drehbuch Roches Vorlage verwan­delten.

Das Ergebnis ist überaus mau: Eine Handlung gibt es nicht wirklich, schon der Roman handelt von einer Frau, die nichts zu tun hat, und den ganzen Tag nachdenkt, und sich dabei oft selbst befrie­digt. Sie heißt Elizabeth (Wilson), ist 33, und denkt über ihr Leben nach, über ihre drei Brüder, die sie bei einem Auto­un­fall verloren hat, über Sex und ihre Ängste. Elisabeth hat oft Angst, aber immerhin beim Sex kann sie sich entspannen. Deshalb hat sie viel Sex, auch mal im Bordell. Wichtig ist auch Elisa­beths Psycho­the­ra­peutin (Köhler), bei der sie über alles, was der Film nicht zeigt, laut reden kann.
Der Tonfall des Buches machte seinen Erfolg aus – und die Bilder im Kopf der Leser. Hier nun ist der Tonfall ganz verloren, und weil sich die Macher nicht trauen, das Buch zu bebildern – dann wäre es wohl ein Pornofilm geworden – ist das Ganze so verklemmt wie eine Quizshow aus den 50er Jahren: Verkrampft und manie­riert, pseu­do­witzig und spießig. Vor allem aber lahm.

Egal was man über Charlotte Roche denkt – diesen Film hat sie nicht verdient: Ihre Heldin Elisabeth ist neuro­tisch und komisch, vor allem ist sie klug und ironisch, sie ist eine moderne Frau, gerade in ihren Para­do­xien. Davon bleibt in diesem Film nichts übrig.