Planet der Affen – Revolution

Dawn of the Planet of the Apes

USA 2014 · 131 min. · FSK: ab 12
Regie: Matt Reeves
Drehbuch: , ,
Kamera: Michael Seresin
Darsteller: Andy Serkis, Jason Clarke, Keri Russell, Gary Oldman, Judy Greer u.a.
Tricktechnisch wau, erzählerisch mau

Der mit dem Affen tanzt

I pulled into Nazareth, I was feelin about half past dead
I just need some place where I can lay my head
»Hey, mister, can you tell me where a man might find a bed?«
He just grinned and shook my hand and, »No«, was all he said

(The Weight, Robbie Robertson/The Band)

Was kann man noch gegen einen Film sagen, der zu einem derartig wunder­schönen, poeti­schen Moment fähig ist? Einem Moment, der alle Register des Plots auf einmal zieht und dabei eine neue, fast quasi-religiöse Meta-Ebene eröffnet? Der endlich die Polysemie anklingen lässt, auf die bis dahin jeder gewartet hat!

Wir befinden uns zu diesem Zeitpunkt bereits mitten in der Geschichte, dem inzwi­schen zweiten Teil einer Prequel zu einem Klassiker der Science Fiction, Franklin J. Schaff­ners Planet der Affen aus dem Jahr 1968. Die Besatzung eines Raum­schiffs sieht sich dort gezwungen auf einem Planeten notzu­landen, auf dem die Affen die Welt­herr­schaft über­nommen haben und die Menschen unter­jo­chen. Die unmiss­ver­s­tänd­liche Kritik an bestehenden poli­ti­schen Verhält­nissen wird explizit ausge­führt und noch einmal pointiert, als der in der Haupt­rolle agierende Charlton Heston am Ende fest­stellen muss, dass der Planet nichts anderes als die gute alte Erde ist. Der Über­ra­schungs­er­folg der 2011 erschienen ersten Prequel – Planet der Affen: Prevo­lu­tion – ist viel­leicht weniger über­ra­schend, vergleicht man die umwelt-poli­ti­schen Szenarien in den späten 1960ern mit denen der Gegenwart. Denn auch in Prevo­lu­tion stimmt gesell­schaft­lich nichts mehr und ist eine direkte Kritik an gegen­wär­tigen Verhält­nissen ebenso vorder­gründig platziert: Tier­ver­suche führen in einen Abgrund, dem nur die Affen entkommen, die Menschen aber zumindest auf der Kippe zu einem selbst­ver­schul­deten Untergang stehen.

Damit endet Prevo­lu­tion und damit beginnt Matt Reeves Fort­set­zung Revo­lu­tion. Die Menschen haben es nicht geschafft. Ein im Labor gezüch­teter Virus hat die Mensch­heit nahezu komplett vernichtet. Für die in Prevo­lu­tion in die Wälder um San Francisco geflüch­teten Affen, mit deren Gegenwart Revo­lu­tion einsetzt, sind sie nicht mehr relevant. Erst als eine Gruppe versprengter Menschen auf die Affen trifft, ist ihrem Anführer, dem seit dem ersten Teil inzwi­schen um zehn Jahre geal­terten, aber weiterhin charis­ma­ti­schen Caesar, klar, dass die Affen nicht allein sind, dass die Menschen und alle damit impli­zierten Gefahren weiterhin latent vorhanden sind. Caesar als Anführer und einer der weniger, der auch die guten Seiten der Menschen kennen­ge­lernt hat, entscheidet sich für einen Kompro­miss – er erlaubt der Gruppe, den alten Generator in der Nähe ihrer neuen Wald­heimat wieder in Betrieb zu nehmen. Und genau in diesem Moment läuft der Film erstmals zu wirk­li­cher Größe auf. Sind es nicht nur mehr die völlig umwer­fenden trick­tech­ni­schen, mit Perfor­mance-Capture reali­sierten Momente des Affen­all­tags (Bewegung und Mimik der Schau­spieler werden am realen Drehort aufge­nommen und später am Computer auf eine darüber gelegte „Affen­hülle“ proji­ziert), eine fein choreo­gra­fierte dysto­pi­sche Archi­tektur, die domi­nieren, sondern bewegt sich der Film auf eine neue, erstmals und damit völlig über­ra­schende Ebene zu. In dem Moment, als der Strom wieder fließt, ohne dass das Team noch davon weiss, entdecken sie, dem grimm­schen Wald­haus­mär­chen gleich, im Wald eine Licht­quelle, die sich als Tank­stelle entpuppt. Als einer aus der Gruppe gedan­ken­ver­loren auf den Knopf eines CD-Spieler drückt, ist alles Musik. Doch nicht irgend­welche Musik, sondern einer der ganz großen Songs ameri­ka­ni­scher Musik­kultur, einem Lied, das im selben Jahr wie die erste Version des Planet der Affen, 1968 erschien, The Bands zärtlich-melan­cho­li­scher, unver­gleich­li­cher Song The Weight (hier der Youtube-Link zur Woodstock-Version), der sich nicht nur textlich in dieser Szene entfaltet wie eine Blume des Bösen, sondern auch musi­ka­lisch Neuland unterm Pflug aufwirft.

Doch als ob Matt Reeves mit diesem Großakt an poeti­scher Dichte gleichsam die Puste ausgeht, bleibt es nicht dabei, geht der Film dahin zurück, wo er begonnen hat: einem Szene für Szene vorher­seh­baren Plot­ge­füge, das vor allem auf die schon fast ins kollek­tive Unbe­wusste trans­for­mierte Stan­dard­ge­schichte vom Indianer und Cowboy und damit verknüpften kolo­nialen Stereo­typen rekur­riert. Zentrale Stellen, wichtige Hand­lungs­muster verblüffen in ihrer Nähe zu Kevin Costners Der mit dem Wolf tanzt. Und sind Affen erst einmal zu Indianern mutiert, ist trotz aller Perfor­mance-Capure-Perfek­tion die Luft raus, verpuffen die Wälder zur Prärie, verblasst das dysto­pi­sche San Francisco zu einem schnöden Holz-Fort aus endlosen Western-Auflagen, bleibt am Ende nur ein fassungs­loses Staunen, dass die Dreh­buch­au­toren es nicht gewagt haben, wenigs­tens einen kurzen Blick in David Brins Uplift-Universum zu werfen.

Es bleibt aller­dings zu bezwei­feln, ob das wirklich etwas an diesem erzäh­le­ri­schen Fiasko verändert hätte. Denn welche kreativen Möglich­keiten – die tech­ni­schen und verein­zelten poeti­schen Höhe­punkte einmal beiseite genommen – hat Reeves im Rahmen dieses Fran­chises von inzwi­schen acht Filmen denn wirklich? Laut 20th Century Fox soll der für 2016 geplante dritte Teil zurück an den Ursprung führen, zum ersten Teil, der Beherr­schung der Erde durch die Affen. Die Grund­lagen dafür wurden in diesem Teil gelegt, nur ein Krieg steht noch aus. Ein Weg, der so vorge­geben ist wie das Amen in der Kirche und erzäh­le­risch fast noch weniger Raum lässt. Und ein wenig an das Dilemma und die Frus­tra­tion über den erzäh­le­risch ebenso enttäu­schenden, auf Spiel­film­länge gestreckten Cliff­hanger der Tribute von Panem – Catching Fire erinnert.