Planet der Affen: Prevolution

Rise of the Planet of the Apes

USA 2011 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: Rupert Wyatt
Drehbuch: ,
Kamera: Andrew Lesnie
Darsteller: James Franco, John Lithgow, Andy Serkis, Freida Pinto, Tyler Labine u.a.
Affige Wissenschaft

Unteraffe und Übermensch

Im Schatten alter Affen­träume erzählt der Film davon, wie menschenähn­liche Tiere sich die Erde untertan machen

Planet Der Affen: Prevo­lu­tion heißt Rupert Wyatts Rise of the Planet of the Apes auf Deutsch. Es ist der neueste Versuch der Wieder­be­le­bung der Kultserie um hoch­in­tel­li­gente, spre­chende und gele­gent­lich auch philo­so­phie­rende Affen, die die Herr­schaft über die Mensch­heit über­nehmen. Wenn ein Film ein Prequel ist, und auch noch »Prevo­lu­tion« heißt, ist klar, wer am Ende gewinnt. Trotzdem taugt der Film als Prequel nur bedingt. Denn dieser Film erzählt gerade nicht, wie die Evolution die Affen bevorzugt, sondern, dass die Menschen selber schuld sind, wenn sie im Kampf ums Dasein unter­liegen.

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»Ein Gelächter oder eine schmerz­liche Scham«, dies sei, so schrieb immerhin kein Gerin­gerer als Friedrich Nietzsche, der Affe für den Menschen. Der Philosoph formu­lierte das auf dem Höhepunkt des Booms von Charles Darwins Theorie über die Evolution der Arten, auch in der erklärten Absicht, gegen modische Verein­nah­mungen und sozi­al­bio­lo­gis­ti­sche Zuspit­zungen des Darwi­nismus deutlich zu machen, dass der Mensch viel­leicht doch noch etwas mehr und anderes sei als ein besserer Affe.

Über derlei Senti­men­ta­litäten sind wir, knapp 130 Jahre später, längst hinaus. Heute ist die Vorstel­lung, »dass wir alle vom Affen abstammen«, ein Gemein­platz. Und schon 1963 war »La Planète des Singes«, der Roman des Franzosen Pierre Boulle (The Bridge on the River Kwai), der den Ausgangs­punkt für die bislang sechs Planet der Affen-Filme, eine Fern­seh­serie und zahl­reiche Parodien bot, in erster Linie ein geist­rei­ches Spiel mit diesem Urmythos des Darwi­nismus, das dessen zentrale Kränkung noch zuspitzte und zum Verdacht überbot, womöglich sei eher umgekehrt der Affe ein besserer Mensch.

Diese Vermutung passte in den so ratio­na­litäts­skep­ti­schen wie fort­schritts­gläu­bigen Zeitgeist der Spät­sech­ziger. 1968 kam Franklin J. Schaff­ners Planet of the Apes heraus. Ökono­misch war das eine Verzweif­lungstat: Auf dem Höhepunkt des Studio­ster­bens, als die meisten Jüngeren zusammen mit den Inde­pend­ents die Grund­steine fürs »New Hollywood«-Auto­ren­kino – und die baldige Renais­sance der Konzerne – legten, setzte man, was vom alten Hollywood übrig geblieben war, etwa einen Mega-Star wie Charlton Heston in einen B-Movie.

Der Film wurde gar nicht mal besonders billig, weil die Affen­mas­ke­rade seiner­zeit ziemlich aufwendig war, hatte aber viel Erfolg: Die vier Fort­set­zungen sorgten zwar zur Hochzeit des Auto­ren­kinos, in der Godard, Truffaut und Antonioni ein großes Publikum lockten, für allerlei Naserümpfen. Und sie liefen Anfang der 1970er vor allem in jenen Schmud­del­kinos der Bahn­hofs­ge­genden, wo auch die Kung-Fu-Filme eines Bruce Lee zu sehen waren. Aber: Sie spielten ein Viel­fa­ches ihrer Kosten ein und gelten heute längst als Kultserie.

Inhalt­lich war es der nach­ge­rade geniale Clou von Schaffner und seinen Dreh­buch­au­toren, Boulles Story – die ursprüng­lich auf einem fernen Planeten spielt –, auf eine post­a­po­ka­lyp­tisch verheerte Erde zu versetzen – was der Zuschauer aber erst am Ende begreift, als Charlton Heston im Sand­strand plötzlich die Frei­heits­statue entdeckt. Diese Dystopie war in den diffus desil­lu­sio­nierten, gesell­schafts­kri­ti­schen, nach innen gekehrten Sieb­zi­gern purer Zeitgeist und die Vorstel­lung, das die Erde der wahre Planet der Affen sei, ging sogar als neue, neorous­seauis­ti­sche Utopie durch.

In den Sequels arbeitete man sich dann konse­quent Stück für Stück über Atomkrieg, Vietnam und Klas­sen­kampf bis hin zu Biolo­gismus – und Medi­en­kritik durch die Debatten jener Dekade. Vor zehn Jahren, auf dem Höhepunkt der 1970er-Jahre-Retro­welle, versuchte dann Tim Burton ein erstes, an Bulles Vorlage ange­lehntes Revival. Da war er zu früh, wie sich heraus­stellte. Die Welt war noch nicht bereit für die Rückkehr der Affen. Jetzt könnte es anders sein.

Wieder ist es mit Rupert Wyatt ein briti­scher Regisseur, wenn auch ein weit­ge­hend unbe­kannter. Und wie derzeit üblich, gibt es keine Weiter­erzäh­lung der Geschichte, sondern das Prequel getaufte Zurück vor ihren Beginn, Vor- und Früh­ge­schichte sozusagen. Darum setzt Rise of the Planet of the Apes nicht im Jahr Drei­tau­sen­dir­gendwas ein, sondern im Hier und Jetzt. Und wenn der Film unter etwas leidet, dann darunter, dass bei einem Prequel immer klar ist, wer am Ende gewinnt.

Am Anfang steht eine der ursprüng­lichsten Science-Fiction-Figuren, die wir kennen: Der Zauber­lehr­ling, der die Geister, die er rief, nicht mehr loswerden kann. In unzäh­ligen Varianten begegnete Kino­gän­gern schon der Typus des »hoch­be­gabten Wissen­schaft­lers«, der aufgrund seiner Hoch­be­ga­bung der Hybris anheim­fällt, vom Pfad der Tugend abweicht und sich versün­digt, und indem er das wieder­gut­ma­chen will, erst recht Unheil anrichtet. Hier heißt er Will Rodman, ist Gen-Forscher bei der Phar­ma­in­dus­trie in San Francisco und hat ein Wunder­mittel gegen Alzheimer erfunden, mit dem er zerstörtes Gehirn­ge­webe wieder­her­stellen kann.

Das Hirn-Doping entfaltet leider die unan­ge­nehme Neben­wir­kung, dass die als Versuchs­tiere verwen­deten Affen plötzlich über­mensch­liche Intel­li­genz entwi­ckeln. Rodmans eigent­li­cher Sünden­fall ist nun aber nicht die Entwick­lung dieses Mittels, weshalb Rise of the Planet of the Apes auch nicht wirklich ein wissen­schafts­skep­ti­scher Film ist, sondern vielmehr gewisse Allmachts­phan­ta­sien noch bestätigt.

Es ist vielmehr die fehlende Wert­ur­teils­frei­heit, die Abwe­sen­heit von Kälte und ein Zuviel an Mensch­lich­keit und Empathie, die das Verhängnis auslöst. In den fulmi­nanten Auftakt­mi­nuten wird ein schwan­geres Affen­weib­chen bei einem Flucht­ver­such aus dem Labor getötet. Rodman nun rettet heimlich ihr Baby, bei dem es sich ja auch um eine Chimäre handelt, ein Zwischen­wesen zwischen Mensch und Affe, und zieht es zuhause groß. Das kann nicht gut gehen, schon gar nicht wenn das Geschöpf Caesar heißt.

Bald entwi­ckelt es erstaun­liche Willens­stärke, schlägt Rodmans Vater im Schach, sucht sich selbst – »What is Caesar?« – und wird auch sonst ein zunehmend anstren­gender Mitbe­wohner. Irgend­wann ist es nicht mehr auszu­halten und Caesar muss in eine geschlos­sene Anstalt. Viel­leicht ist diese Kapi­tu­la­tion vor der Aufgabe zur Erziehung der zweite Sünden­fall Rodmans – und durchaus begreifbar als gesell­schafts­kri­ti­sche Metapher für das Versagen der west­li­chen Demo­kra­tien vor der Aufgabe der Erziehung ihrer Mitglieder und der Inte­gra­tion der Fremden. Statt­dessen überlässt man alles den Anstalten des Staates.

Im Film entpuppt sich der Affen­käfig bald als brutal gelei­tetes Konzen­tra­ti­ons­lager für Tiere und so wird der Film für eine lange Weile zum Knast­drama. Alpha­tier­chen Caesar entwi­ckelt vorher­seh­bare Führer­qua­litäten, orga­ni­siert einen Ausbruch und die Affen­horde ist los.

Gespielt wird Caesar in einem beein­dru­ckenden, aller­dings von viel digitaler Technik unter­s­tützten Auftritt, von Serkis, der sich nach seinen Auftritten als Gollum (in Herr der Ringe) und King Kong endgültig zum Spezia­listen für Digi­tal­rollen und gewis­ser­maßen zum ersten virtu­ellen Schau­spieler entwi­ckelt. Er ist der trotz seines Schim­pansen-Aufzugs der über­zeu­gendste und facet­ten­reichste Charakter des Films. James Franco und Freida Pinto wirken im Vergleich wie Neben­dar­steller.

Es wäre nun spannend, zu wissen, wie ein Affe diesen Film ansieht. Wir mensch­li­chen Zuschauer können uns nach diesem gradlinig erzählten, trotz vorher­seh­barer Handlung spannend und beein­dru­ckend insze­nierten Film nur ein bisschen trösten: Der Untergang der Mensch­heit wird zumindest sanft sein, er wird poetisch sein und schön, wir werden Nietzsche lesen, lachen und uns ein wenig schämen.