Perpetuum Mobile

Mexiko 2009 · 86 min.
Regie: Nicolás Pereda
Drehbuch:
Kamera: Alejandro Coronado
Darsteller: Gabino Rodríguez, Teresa Sánchez, Francisco Barreiro u.a.
Überraschend schöner Film

Kurzkritik

Es wird viel gewartet in diesem Film. Gabino und sein Spezl versuchen sich als selbstän­dige Möbel­pa­cker und warten auf Kunden. Wenn sie Kunden haben, warten sie drauf, dass die sich entschieden haben, was nun abtrans­por­tiert werden soll. Gabinos Freundin wartet auf Gabino, Gabino wartet auf seine Freundin, aber selbst wenn sie zusammen sind, begegnen sie sich nicht. Man wartet auf Anrufe; Gabinos Mutter wartet darauf, dass ihr Sohn ihr diesen oder jenen Handgriff abnimmt. Irgendwie wartet fast immer irgendwer auf irgendwas. Die Zeit, die Welt bewegen sich. Ohne dass je wirklich etwas passiert.

Perpetuum Mobile eben – eine ewige, selbst­tä­tige Bewegung ohne Ener­gie­zu­fuhr. Ein Sich-drehen-im-Kreis ohne Vorwärts. Was, zugegeben, nicht nach einem span­nenden Kinostoff klingt, zumal auf Video gedreht. Was aber hier im konkreten Film einen über­ra­schend schönen Film abgibt, weil Regisseur Nicolás Pereda unter­schwellig so einen schön trockenen, lako­ni­schen Humor an den Tag legt. Und weil Haupt­dar­steller Gabino Rodríguez, mit seinem Schlum­mer­blick und Spitz­ha­cken­kinn, eine solche Ideal­be­set­zung für den »Helden« ist: Sein Film-Gabino ist ein wunder­barer, möch­te­gern­großer Kack­specht, dem man eben auch mit Amüsement beim bloßen Warten zuschauen kann.

Der Film scheint eher untypisch fürs gegen­wär­tige latein­ame­ri­ka­ni­sche Kino; sollte man Vorbilder tippen, würden einem eher der frühe Jim Jarmusch und Aki Kauris­mäki einfallen. Von deren Meis­ter­schaft und vor allem stilis­ti­scher Konse­quenz ist Pereda freilich (noch?) ein gutes Stück entfernt. Aber dafür entwi­ckelt der Film mit zuneh­mender Laufzeit immer mehr eigene Qualitäten. Nach der ersten Hälfte würde man, wenn man einen Nerv hat für den Witz des Werks, sagen: Uner­wartet hübsch! In der zweiten Hälfte gibt es Momente, da kommt man nicht umhin zu sagen: Groß! Da sind die kurzen Einblicke in anderer Leute Leben, die Gabino und sein Kumpel durch ihren Job bekommen: Das alte Paar, bei dem sich die Frau komplett unvor­her­ge­sehen von dem Mann trennen will, und die sich letztlich überreden lässt, doch zu bleiben. An sich schon ein schönes, in wenigen Momenten en passant ange­ris­senes Mini-Drama. Mehr als dies durch den letzten Augen­blick, in dem man ahnen kann, dass das Bleiben für die Frau die Aufgabe einer aller­letzten Chance ist. Oder die junge Frau und die zwei Männer, bei denen der Film schön verwir­rend offen lässt, was ihr Verhältnis zuein­ander ist und wer da warum zu wem zieht.

Dann ist da noch diese eine einzige Szene mit Gabino und seiner Freundin im Auto, in der Perpetuum Mobile urplötz­lich seinen »realis­ti­schen« Duktus aufgibt, einen mit minimalem Aufwand total aus der sicher geglaubten Wahr­neh­mungs­hal­tung reißt und fast an seinen Augen und Ohren zweifeln lässt. Und in der er greifbar macht, wie sehr die Zeit in Gabinos Leben immer­wie­der­keh­rende, leere Schleifen dreht.

Und dann ist da das Ende (das hier auch nicht verraten werden soll). Das die Ruhe der Ober­fläche nicht durch­bricht. In dem aber ziemlich heftig die Möglich­keit aufscheint, dass bei all dem Warten, Warten, Warten auf Dinge, die nicht passieren, auch schnell mal ein ganzes Leben an einem vorbei­ge­zogen sein kann.

Auf dem Filmfest München 2010 wird Perpetuum Mobile zu folgenden Terminen gezeigt: Mo. 28.6. 22:30 Film­mu­seum und Di. 29.6. 20:00 Cinemmaxx 6