Nur eine Stunde Ruhe!

Une heure de tranquillité

Frankreich 2014 · 80 min. · FSK: ab 0
Regie: Patrice Leconte
Drehbuch:
Kamera: Jean-Marie Dreujou
Darsteller: Christian Clavier, Carole Bouquet, Valérie Bonneton, Rossy de Palma, Stéphane De Groodt u.a.
Der Spaß der anderen

Tohuwabohu im Wohnzimmer

»Me, Myself and I« – das Motiv des Egoismus wird schon in diesem Titel ange­spielt. Es ist der Titel einer alten (übrigens fiktiven) Schall­platte. Diese Rarität hat der wohl­ha­bende Zahnarzt Michel Leproux mehrere Jahr­zehnte gesucht – ohne Erfolg. Jetzt findet er sie in einem Anti­qua­riat, kauft und fährt nach Hause mit keinem anderen Ziel, als dem, sie in Ruhe anzuhören. Aber genau diese »eine Stunde Ruhe« wird er an diesem Tag, in diesem Film nicht mehr finden.

Michel Leproux ist ein satu­rierter Bourgois und nicht nur die Haupt­figur des Films, sondern auch das Objekt aller Bemühungen des Regis­seurs und seines Dreh­buch­au­tors, ihn zur Erbauung des Publikums zu quälen, zu erziehen, und zu einem moralisch besseren, sprich weniger egois­ti­schen Menschen zu machen.

Darum tauchen wie in einer Nummern­revue nach­ein­ander verschie­dene Figuren auf, die den grund­sät­z­lich gar nicht so sympa­thi­schen Helden in seinem Frieden stören, wann immer Michel gerade die Nadel des Plat­ten­spie­lers auf die Schall­platte setzen will: Da ist zunächst einmal seine Frau Nathalie, die ihm aus irgend­einem Grund ausge­rechnet heute einen alten Seiten­sprung beichten möchte. Dabei wissen wir schon, dass Michel selbst fremd geht, seine Geliebte nervt ihn nämlich auch, und möchte, dass er endlich mit der Gattin Schluss macht. So weit, so Klischee. Es geht weiter mit dem faulen Sohn, zwei schwarz arbei­tenden Hand­wer­kern, der tumben Haus­häl­terin, dem aufdring­li­chen Nachbarn, und, als ob das nicht genug wäre, eine Gruppe phil­ip­pi­ni­scher Wirt­schafts­flücht­linge. Kein Einfall ist zu schlicht, als dass er nicht Eingang in die Handlung finden dürfte. Von Minute zu Minute spitzt sich alles zu, und wird zugleich unglaub­wür­diger, weil forcierter, »gewollter«.

Gut, dies ist eine Komödie. Sie kommt aus Frank­reich, und Regisseur Patrice Leconte ist ein stilis­ti­scher Könner und ernst­zu­neh­mender Vertreter seines Fachs. Nicht nur die Drama­turgie, auch der Humor bleibt dabei in seinen vielen Klischees nur auf der Ebene seichten Boule­vards hängen. Und so kann man es höflich ausdrü­cken: Dieser Film ist mehr Louis de Funès als Jacques Tati.

Am inter­es­san­testen ist der Film noch im Hinblick auf seine unaus­ge­spro­chenen Botschaften. Denn dies ist der Film zur kommenden mora­li­schen Erzie­hungs­dik­tatur: Ein Egoist und Narziss soll für seine Selbst­be­zo­gen­heit büßen – und das Publikum soll dabei nicht mit ihm leiden, sondern sadis­tisch über ihn lachen. Als ob wir alle bessere Menschen wären. Als ob nicht auch wir oft nichts mehr ersehen, als nur eine Stunde Ruhe vor unseren Mitmen­schen und deren mora­li­sie­renden Zumu­tungen.