Der Mondmann

Man on the Moon

USA 1999 · 118 min. · FSK: ab 12
Regie: Milos Forman
Drehbuch: ,
Kamera: Anastas N. Michos
Darsteller: Jim Carrey, Danny DeVito, Courtney Love, Paul Giamatti u.a.

Leeres Zeichen

Forman/Kaufman und das falsche Leben im falschen

»Der Clown, der Clown, der ist so traurig anzu­schaun...« – spätes­tens Heinz Rühmann erinnerte uns daran, wie nah das Komische neben dem Depri­mie­renden liegt. Diese Nähe ist – unter anderem – auch Gegen­stand von Milos Formans neuestem Film. Oder nein – sie ist das eben gerade nicht. Sie ist Behaup­tung, mehr nicht.

Seit Amadeus (1984) sind öffent­liche Figuren, Medi­en­helden zumeist, Formans Thema. Im Anspruch geht es immer um Kritik, und wie schon The People vs. Larry Flynt, mit dem er vor drei Jahren den Berliner Wett­be­werb gewann, ist auch in Man on the Moon ein biopic um eine öffent­liche Figur, die in Amerika hoch­um­stritten war, von der moral majority der rednecks atta­ckiert und zugleich – das behauptet jeden­falls der Regisseur – Ausdruck der innersten Tendenzen der USA.

Das erste Bild ist beste­chend: In Groß­auf­nahme blickt Jim Carey das Publikum direkt an, mit Fistel­stimme leitet er in den Film ein – indem er erklärt, er sei zuende. Ein Augen­zwin­kern, viel­leicht ein etwas dick aufge­tra­genes, aber der Anfangsgag sitzt.

Careys Leistung bleibt über den ganzen Film hervor­ra­gend. Er spielt den – über­drehten?, verrückten? – Komiker Andy Kaufman, der als Provo­ka­teur des Fernseh-Amerika der 70er Jahre zur Legende wurde, an der Macht der Konzerne schei­terte und früh an Krebs starb. Wäre diese Story nicht wahr, hielte man sie für schlecht erfunden. Zu abstrus erscheint das alles, und tatsäch­lich glaubten viele Kaufman seine Krebs­er­kran­kung nicht, sondern hielten sie für den neuesten seiner vielen geschmack­losen Scherze.

In Deutsch­land gibt es niemanden, der mit Kaufman vergleichbar wäre. Aller­höchs­tens Harald Schmidt erscheint in seinen besten Momenten als eine Art deutsche – also provin­zi­elle, zugleich aber viel intel­lek­tu­el­lere – Ausgabe dieses Typus.

Der Vergleich macht trotzdem Sinn, denn er verdeut­licht, was dem Kaufman in Formans Film fehlt. Die – schau­spie­le­risch gelungene- Besetzung mit Jim Carrey ist nämlich ein riesiger Fehler. Sie macht eindeutig und glatt, was gerade offen bleiben müßte: Die Kluft zwischen Parodie und Ernst. Wer auf dem Kino­plakat, in der Vorschau, in der Film­kritik sieht: Aha, Jim Carrey, der weiß schon, das er hier alles komisch zu finden hat, der ist auf Unter­hal­tung und Komödie fest­ge­legt, auf Irrea­lität – denn eine »harte«, ernste, tragische Rolle kann dieser Carrey nicht spielen. Viel­leicht könnte er, aber es funk­tio­niert nicht, zu sehr dominiert sein Image die feineren Diffe­renzen.
Wenn man weiß, dass auch Edward Norton (!) und Kevin Spacey (!!) die Rolle hätten bekommen können – so erzählte Forman jeden­falls während der Berlinale – dann ahnt man, was Man on the Moon auch für ein Film hätte werden können.

Es sagt einiges über diesen Regisseur, warum es dann Carrey wurde: »Ich fand alle drei gleich gut. Dann habe ich das Studio entscheiden lassen.« Wenn das wahr ist, und nicht nur eine Ausrede, dann ist es nur Zeugnis einer gren­zen­losen Gleich­gül­tig­keit gegenüber dem Thema.

Mit Carrey wird Kaufman zur Witzfigur ohne doppelten Boden, ohne alle Abgrün­dig­keit. Kaufman erscheint als reiner Tor, als ein letztlich klas­si­scher Holly­wood­held, der unge­bro­chen nur Gutes will und niemandem etwas zuleide tut.
Das aber war Kaufman wohl kaum. In Bill Zehmes Biogra­phie »Lost in the Funhouse«, auf der Formans Film – bzw. das Drehbuch, das er mit mit Hilfe des Larry Flynt-Gespanns Scott Alexander und Larry Karas­zewski entwi­ckelte- beruht, kann man nachlesen, das Kaufman auch ein real-Verrückter war, ein Schi­zo­phrener, ein Sex-Maniac, ein an der eigenen Existenz Leidender, der Kunst und Alltag nicht trennen mochte.
Wirklich witzig war er auch nicht. Gewiß, alles ist letztlich Ansichts­sache. Kaufmans Scherze waren Anti-Scherze, Null­num­mern, die nur im Kontext funk­tio­nierten. Forman mochte solch »herrlich verrückte« Typen schon immer. Zu ihnen formte er Mozart wie Larry Flint, die das beide – in unter­schied­li­cher Weise – nicht verdient hatten.
Ha, ha, ha – viel­leicht würden die Scherze noch aufgehen, hätte Forman der Kaufman-Figur Ähnliches abge­wonnen.
Aber – aus erwähnter Gleich­gül­tig­keit oder aus Angst – er bleibt distan­ziert, dringt nie unter die Ober­fläche des Bekannten, scheut das Psycho­lo­gi­sieren. Da aber der »reale« Kaufman nur aus Insze­nie­rung bestand, führt dies Verfahren zur reinen Verdop­pe­lung, Simu­la­tion der Simu­la­tion. Das funk­tio­niert nicht, erst recht nicht, wenn Carrey das ganze spielen muß, also ein Komiker einen Komiker spielt, der einen Komiker spielt, der nicht komisch sein will und manchmal doch, oder es gerade darum ist, weil er es nicht sein will.

Was daneben bleibt, ist unter­kühltes Kalkül, nerv­tö­tendes Gehabe, das in der Stand-Up-Situation noch provo­ziert, im Kino nur anödet. Kaufman wird so zum leeren Zeichen, alle weitere Bedeutung bleibt Behaup­tung.
Wo die Analyse eines Menschen hinter dem bekannten Bild inter­es­siert hätte, der -verrückt?, persön­lich­keits­ge­stört? – vor allem immer ein Gefan­gener seiner öffent­li­chen Rolle zu bleiben scheint, zieht sich Forman in ähnlicher Manier aus der Affaire, wie seine Figur. Schlimmer noch: je länger das Ganze dauert, merkt man, das Forman genau die Mittel selber einsetzt, die er zu kriti­sieren vorgibt. Er bedient sich genau der Mittel einer Unter­hal­tungs­in­dus­trie, die (Mittel wie Industrie) Kaufman selber immer in Frage gestellt hat. Da verrät er seine Figur.

Forman steht immer noch im Ruf, ein Auto­ren­filmer, ein irgendwie »europäi­scher« Regisseur zu sein, der Botschaften verkünden und entlarven will. Eitel gefällt er sich in der Pose des Rebellen, der gegen Main­stream-Kino anrennt, das puri­ta­ni­sche Amerika kriti­siert.
Aber tut er das?