Love Sarah – Liebe ist die wichtigste Zutat

Love Sarah

Großbritannien 2020 · 102 min. · FSK: ab 0
Regie: Eliza Schroeder
Drehbuch:
Kamera: Aaron Reid
Darsteller: Celia Imrie, Shannon Tarbet, Shelley Conn, Bill Paterson, Rupert Penry-Jones u.a.
Backen ist mehr als ein Kuchen, denn wir sind, was wir essen
(Foto: Weltkino)

Backe backe Kuchen, der Brexit hat gerufen

Mit subtilen politischen Untertönen gelingt es der Wohlfühlkomödie Love Sarah, Englands Multi-Kulti-Anspruch zumindest in die Backstube zu retten und auch noch ein paar Trauerbewältigungsrezepte zu vermitteln

Oh, I get by with a little help from my friends
Mm, I get high with a little help from my friends
Mm, gonna try with a little help from my friends
– The Beatles, With a little help from my friends (Joe Cocker/Woodstock)

Ange­sichts der gegen­wär­tigen, äußerst verfah­renen Situation der Brexit-Verhand­lungen und einer zuneh­menden Tendenz zu einem harten Schnitt mit der EU und alten briti­schen Werten lohnt es sich, fast jeden neuen Film aus dem Verei­nigten König­reich auch auf seine Brexit-Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien hin abzu­tasten.

Davon scheint Eliza Schroe­ders Debüt Love Sarah – Liebe ist die wich­tigste Zutat aller­dings – zumindest im ersten Moment – ganz unberührt zu sein. Denn durch den Todesfall der titel­ge­benden Londoner Kondi­torin Sarah, die gerade ihre Spezia­li­tä­ten­kon­di­torei in Notting Hill eröffnen wollte, fokus­siert Love Sarah zuerst einmal auf ganz andere Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien, und zwar jene, die auf den Tod eines geliebten Menschen anwendbar sind. Denn nicht nur Sarahs 19-jährige Tochter Clarissa (Shanno Tarbet), sondern auch Sarahs Mutter Mimi (Celia Imrie) und Sarahs beste Freundin Isabella (Shelley Conn) sind durch die Trau­er­ar­beit um Sarah in eine exis­ten­zi­elle Bezie­hungs­krise gerutscht.

Doch wie jeder weiß, ist man gemeinsam stärker und so ist es auch in Schroe­ders Love Sarah alles andere als über­ra­schend, dass die drei Frauen über eine Koope­ra­tion neue Kraft gewinnen. Sie entschließen sich, Sarahs Traum weiter zu leben und eröffnen die von Sarah geplante Kondi­torei unter neuem Namen (»Love Sarah«) in Londons legen­därem Notting-Hill-District, ohne aller­dings selbst Kondi­to­ren­fach­kennt­nisse zu besitzen. Mit der Hilfe von Freunden, über die dann auch ein paar über­ra­schende Erzäh­le­benen in den Plot einge­flochten werden, entwi­ckelt Schroe­ders Film nun ein zärt­li­ches, immer wieder aufrichtig berüh­rendes Eigen­leben und eman­zi­piert sich damit von Hugh Grants Notting-Hill- und London-Klas­si­kern wie Vier Hoch­zeiten und ein Todesfall, Notting Hill und About a Boy.

Ganz kann Schroeder dem Schatten von Hugh Grants London alller­dings nicht entgehen, umso mehr, als sie ihm und den schlaksig andro­gynen, verant­wor­tungs­scheuen Männer­pro­to­typen dieser Jahre in der Rolle des Matthew (Rupert Penry-Jones) fast eine Wieder­ge­burt beschert. Schroeder setzt dabei zudem routi­niert auf die klas­si­schen Elemente der briti­schen roman­ti­schen Komödie, wie wir sie seit den 1990ern kennen, sie spielt auf der Klaviatur der ganz großen, aber auch ganz kleinen Gefühle, unter­füt­tert diese aller­dings mit einem poli­ti­schen Statement, das am Anfang nicht absehbar war.

Denn was letzt­end­lich die Krise erst wirklich bewältigt, ist die Art und Weise, wie die drei Frauen die kleine Kondi­torei zu einem Erfolg machen. Freunde und Bekannte, lernen wir, helfen zwar weiter, aber erst wenn man sie über den eigenen Kultur­raum hinweg invol­viert, stellt sich auch Nach­hal­tig­keit ein, wird aus Hilfe zur Selbst­hilfe richtige Politik, wird mit Torten, Törtchen und Torte­letten subtil die protek­tio­nis­ti­sche Politik der Trumps, Orbans und nicht zuletzt Johnsons dieser Welt ausge­he­belt. Denn was wir essen – und das ist viel­leicht die sympa­thischste Botschaft dieser nur dem ersten Anschein nach eska­pis­ti­schen Lebenstraum-Komödie – das sind wir letzt­end­lich auch.