Love Is a Dog from Hell

Philippinen/Deutschland 2021 · 90 min.
Regie: Khavn
Drehbuch: ,
Kamera: Khavn u.a.
Darsteller: Lilith Stangenberg, Ian Madrigal u.a.
Alles folgt der Logik des Exzesses...
(Foto: Rapid Eye Movies/Real Fiction)

Farbenfrohes Inferno

So bunt war die Hölle selten: Khavn de La Cruz' Love Is a Dog from Hell ist ein Avantgarde-Film, in der antiker Mythos und moderne Subkultur zum wohl lebendigsten Totentanz des jüngeren Kinogeschehens laden

Gleich zu Beginn scheint die Leinwand zu brennen! Was man schon in den ersten Minuten von Love Is a Dog from Hell zu Gesicht bekommt, ist entweder ein drogen­ver­seuchtes Under­ground-Konzert, ein urbanes Voodoo-Ritual oder eine außer Kontrolle geratene Kunst-Perfor­mance. Höchst­wahr­schein­lich ist es alles drei zugleich. In Wahrheit handelt es sich hier jedoch um grie­chi­sche Mytho­logie – im Gewand eines phil­ip­pi­ni­schen Punk-Musicals.
Schon zum zweiten Mal schickt der Allround-Künstler Khavn De La Cruz seine Orphea (der weibliche Orpheus, wieder großartig und furchtlos verkör­pert von Lilith Stan­gen­berg) in den Hades. Den gleich­na­migen ersten Film schuf er 2020 zusammen mit niemand Gerin­gerem als Alexander Kluge. Love Is a Dog from Hell ist nicht minder expe­ri­men­tell und eigen­willig. Und um es gleich zu verraten, er wird nach den ersten Minuten auch nicht leiser. Er bleibt ein wahrhaft diony­si­scher Film, der seine ganze bunt-schwarze Magie am besten in voller Laut­stärke entfaltet.

Die Handlung ist bei diesem ganzen Spektakel eher Neben­sache. Wenn man davon etwas erkennt, dann ist es ganz rudi­mentär die der Sage, in der der Barde Orpheus in die Unterwelt hinab­steigt, um seine Geliebte Eurydike wieder zu den Lebenden zu holen. Hier ist Orpheus eben Orphea, Eurydike Eurydiko und die Hölle sind die gegen­wär­tigen Phil­ip­pinen mit ihren Armen­vier­teln, Markt­hallen, Spelunken und Wüsten. Die liegen jedoch alle nicht nur direkt neben­ein­ander, sondern sind auch nach allen Regeln der avant­gar­dis­ti­schen Kunst verfremdet. Umge­kehrte Farben, verzerrte Bilder, Schnitt und Kamera, die ein Eigen­leben entwi­ckeln, in Love Is a Dog from Hell folgt alles der Logik des Exzesses. Liebhaber des Under­ground-Kinos werden sich hier sofort zu Hause fühlen.
Sicher wäre es vorschnell, den Film als turbu­lente Stilübung zugunsten bloßen Schau­werts zu beur­teilen.

An allen Ecken und Enden stößt man auf Symbole, mit denen man sich tiefer ausein­an­der­setzen könnte. Gefühlt geht einem jedoch die Hälfte davon verloren, wenn man sich nicht mit Geschichte und Gegenwart der Phil­ip­pinen auskennt. Schicksal und Zustand seiner Heimat zieht sich schließ­lich durch das ganze umfang­reiche Schaffen von Khavn de la Cruz. Es ist jedoch voll­kommen in Ordnung, wenn diese Analyse vorerst hinten ange­stellt wird. Love Is a Dog from Hell ist kein Film, der analy­siert werden will. Er will gefühlt werden! Mit Augen und Ohren soll man sich hier ins Getümmel stürzen, ganz gezielt erfahren, wie es ist, wenn Bild und Ton die Kontrolle über die Sinne über­nehmen. Sofort möchte man in die Leinwand springen und Teil dieser Orgie aus Eros und Thanatos sein, sich dieser hölli­schen Mixtur aus Hoch- und Gegen­kultur hingeben.

Love Is a Dog from Hell ist ein Film, der sich erst einmal gegen alles sperrt mit seinem nonlinearen Narrativ, seiner visuellen Unge­zü­gelt­heit und der totalen Nicht­be­ach­tung ästhe­ti­scher Normen (Stan­gen­bergs herrlich-schiefer Gesang sei hier nur als ein Beispiel genannt). Gleich­zeitig ist er eine herzliche Einladung für jeden, der offen genug für ein cine­as­ti­sches Bacchanal ist. Punk und Rave, Surrea­lismus und Psyche­delia, Antonin Artaud und Folklore, hier fließt alles zusammen in einen Styx der künst­le­ri­schen Freiheit. Über die Zwischen­töne kann man sich im nüch­ternen Zustand wieder unter­halten. Love Is a Dog from Hell ist ein Film, den man von allen Seiten betrachten und mit dem ganzen Körper fühlen sollte.