Liegen lernen

Deutschland 2003 · 87 min. · FSK: ab 12
Regie: Hendrik Handloegten
Drehbuch:
Kamera: Florian Hoffmeister
Darsteller: Fabian Busch, Susanne Bormann, Fritzi Haberlandt, Sophie Rois u.a.
Haberlandt, Busch und Rois

Ein Mann – das unbekannte Wesen

Helmut ist 34, als sein Freundin Tina ihn vor die Wahl stellt: Entweder sie bekommt ein Kind mit ihm, oder sie schmeißt ihn raus. Eigent­lich kann er sich nichts besseres vorstellen, als mit ihr eine Familie zu gründen, trotzdem zögert er. Und flieht nach Berlin und in die Vergan­gen­heit, um endlich die Antwort darauf zu finden, was aus ihm so einen »gefühls­ge­hemmten, bindungs­un­fähigen und feigen Penner gemacht hat«, wie ihm Tina noch nachrufen kann.

Helmut war 18, als er sich unsterb­lich verliebt hat, die hübsche, enga­gierte Schul­spre­cherin Britta wird zum Inbegriff seiner Träume. Bei einer Klas­sen­fahrt nach Berlin kommen sie sich näher: Helmut ist im siebten Himmel – obwohl sie ihm verbietet, über ihre Beziehung zu reden. Ihre Einladung am Heilig­abend bedeutet für ihn doppeltes Glück, denn er kann der muffigen Weih­nachts­feier mit seinen Eltern entfliehen und erlebt sein »Erstes Mal« – das auch deshalb so einmalig ist, weil Britta kurz darauf zu ihrem Vater in die USA entschwindet.

Er kann sie nicht vergessen, obwohl der Kontakt schnell abreißt. In den folgenden Jahren stoßen ihm Liebes­be­zie­hungen eher zu, als dass er sie suchen würde. Neben der Erin­ne­rung an Britta verblasst jede Frau. Und weil ihm der ganze Bezie­hungs­schmonzes nichts bedeutet, betrügt er seine nächste Freundin Gisela gedan­kenlos mit der gemein­samen WG-Kollegin Barbara, um danach mit der älteren Gloria zusam­men­zu­ziehen. Bis eines Tages Schul­freund Mücke aus Berlin anruft, vom Mauerfall erzählt und erwähnt, dass er Britta begegnet ist. Auf nach Berlin ...

Trendy, diese warum-Männer-nicht-erwachsen-werden-wollen-Geschichten, und auch die Zeit der Handlung, die 80er Jahre, sind zum Zeit­geist­thema geworden. Hier finden sich also einige Ingre­di­en­zien, die aus der Verfil­mung des erfolg­rei­chen Romans einen ebenso erfolg­rei­chen Film machen können. Wunder­ba­rer­weise ist er kein deutsch-humoriges, auf der Nost­al­gie­welle reitendes Machwerk geworden, sowohl die ewig gültige Geschichte des suchenden Helden als auch das Zeit­ko­lorit haben so gar nichts aufge­setztes. Der Sound­track bietet zeit­ge­mäße Musik, der Alltag in Schule, Eltern­haus oder WG ist stimmig, ohne eine bloße Versatz­stück-Collage zu bilden. Das Talent dafür hat Hendrik Hand­lo­egten schon in seinem Erstling Paul is Dead bewiesen, der aus lizenz­recht­li­chen Gründen fast nur im TV zu sehen war.

Doch so sehr dieser Film es in Dekor und Musik ermög­licht, sich ganz in die alten Zeiten zu versetzen, so sehr ist er auf den Dialog ange­wiesen, um die Personen zu charak­te­ri­sieren: das beginnt schon mit Tinas bisiger Bemerkung vom »gefühl­losen Penner«. Oft dienen die Bilder eher der Illus­tra­tion des Gesagten, ob in Handlung oder Off-Kommentar, als selber die Geschichte zu erzählen. Doch den hervor­ra­genden Schau­spie­lern sieht man trotzdem gerne zu, insbe­son­dere Fabian Busch, der als Schüler genauso glaubhaft ist wie als Mitt­dreißiger. Inter­es­san­ter­weise sind die Darsteller, die das Leben im West­deutsch­land der 80er Jahre so authen­tisch vermit­teln, selbst zum Großteil in der DDR geboren.

Den Zeit­rahmen bildet die Regie­rungs­phase Helmut Kohls, der Mauerfall ist dabei eine deutliche Zäsur, auch im Leben des Helden. Den Hand­lungs­rahmen bildet Helmuts Weg zur Selbst­er­kenntnis, der von den Filme­ma­chern als glei­cher­maßen inter­es­sant für männ­li­ches wie weib­li­ches Publikum einge­schätzt wird: Männer könnten sich in Helmuts nicht-vergessen-können wieder­finden, während Frauen endlich erfahren würden, warum Männer sich so seltsam verhalten. Viel­leicht über­schätzen sie damit ein wenig die Wirkung des Films, doch unter­haltsam ist er auf jeden Fall.