Lieber Fidel – Maritas Geschichte

Deutschland 2000 · 92 min. · FSK: ab 0
Regie: Wilfried Huismann
Drehbuch:
Kamera: Reinhard Gossmann
Darsteller: Marita Lorenz u.a.

Im Fernsehen: Ein alter, bärtiger Mann beim Bad im Meer. Davor: Eine kaum jüngere, etwas aufge­dun­sene, etwas zerzauste Frau. »Alter Knacker, ich liebe Dich immer noch...« ruft sie der Gestalt auf dem Bild­schirm zu.
Eine rührende, eine gewöhn­liche Liebes­ge­schichte?
Der Mann ist Fidel Castro. Die Frau ist Marita Illona Lorenz.

Maritas Bruder muss lachen, wenn er erzählt. Er konnte immer kaum glauben, was er von seiner Schwester und ihrem aben­teu­er­li­chen Leben so erfuhr; er kann es wohl immer noch nicht recht. Das ist gut nach­zu­fühlen: Man guckt diese Doku und wartet nur drauf, dass wer die Stop-Taste drückt und sagt »War alles ein Scherz«. Als Kind überlebt Marita Lorenz das KZ, als 19-Jährige verliebt die Kapitän­s­tochter sich in Fidel Castro – und er sich in sie. Dann wird sie CIA-Agentin, soll Castro töten, bringt es nicht über sich. Sie hat ein Kind mit Fidels Erzfeind, General Marcos Pérez Jiménez. Aber mit der Kennedy-Ermordung kann sie doch nicht auch noch was zu tun haben? Sie hat. Und jetzt sitzt sie als Sozi­al­hil­fe­empfän­gerin in New York und will einmal noch nach Kuba, um ihren geliebten Fidel wieder­zu­sehen... begleitet von einem Filmteam aus Deutsch­land.

Es ist schade, dass der preis­ge­krönte TV-Jour­na­list Wilfried Huismann seinen Gesprächs­partner so sehr vertraut, so wenig nachbohrt. Da wird bei so vielem nur an der Ober­fläche gekratzt, wird gerade über die Zeit beim Geheim­dienst so schnell sich zufrieden gegeben mit Anek­döt­chen und Privatem, und selbst da meist mit der erst­besten Aussage.
Klar ist der Stoff überreich für andert­halb Stunden, wäre jedes Kapitel von Marita Lorenz' Leben einen eigenen Film wert, kann Lieber Fidel prin­zi­piell nicht alles leisten, was man sich viel­leicht wünschen würde. Aber dann verschwendet Huismann auch noch die kostbaren Minuten: Er hat kein Vertrauen in die Kraft der Geschichte und der Gespräche und entfaltet filmisch eine panische, recht beliebige Geschäf­tig­keit, stopft alles mit Archiv­auf­nahmen, nach­ge­stellten Szenen, Musik­num­mern, Bildern, Bildern, Bildern gleich welcher Herkunft voll. Da gibt’s minu­ten­lange Auftritte einer kuba­ni­schen Band, gibt’s zu Erklä­rungen über die poli­ti­sche Situation Anfang der 60er eine Revue­tän­zerin zu sehen... Und jede noch so kleine Stille wird in Sound­track-Gedudel ertränkt: Nichts an Inter­pre­ta­tions-Arbeit soll das Publikum selbst leisten müssen, alles will besonders anschau­lich wirken, soll Vorstel­lung und Gefühl anheizen und steuern. Das Resultat davon aber ist schlicht, dass Huismann jeglichen Zugang zu den Wahr­heiten hinter den Fakten verstellt.
Letztere sind immerhin so bizarr, spannend, faszi­nie­rend, dass sie den Film dennoch allemal sehens­wert machen. Aber eben auch so bizarr, spannend, faszi­nie­rend, dass sie eine bessere Doku­men­ta­tion verdient hätten.