Life

GB/D/CDN/AUS/USA 2015 · 112 min. · FSK: ab 0
Regie: Anton Corbijn
Drehbuch:
Kamera: Charlotte Bruus Christensen
Darsteller: Robert Pattinson, Dane DeHaan, Ben Kingsley u.a.
Optisch ein Hochgenuss

Ein Idol entsteht

Wer es wie James Dean mit gerade einmal drei großen Film­rollen schafft, zu einer Ikone der Popkultur aufzu­steigen, muss eine besondere Ausstrah­lung haben. Muss sich absetzen vom Gros der Stars und Sternchen, die in Hollywood ihr Glück versuchen. Entschei­dend für die Entste­hung des Kults um Dean war freilich auch der tragische Unfalltod des Schau­spie­lers, der für seine Rollen in Jenseits von Eden und Giganten posthum zwei Oscar-Nomi­nie­rungen als bester Haupt­dar­steller erhielt. Viel zu früh wurde das Teenager-Idol aus dem Leben gerissen und avan­cierte gerade deswegen zu einer Legende, deren Strahl­kraft bis in die heutige Zeit hinein­reicht.

Einer solch über­mäch­tigen Persön­lich­keit in einem einzigen Spielfilm nahe­zu­kommen, ist an sich schon eine Heraus­for­de­rung. Und doch geht Life, die vierte Kino-Arbeit des Nieder­län­ders Anton Corbijn, noch einen Schritt weiter. Anstatt sich ganz auf das Hollywood-Star zu konzen­trieren und seinen Werdegang nach­zu­zeichnen, bietet das biogra­fi­sche Drama zwei mindes­tens gleich­be­rech­tigte Prot­ago­nisten auf und nimmt einen verhält­nis­mäßig kurzen Zeit­ab­schnitt in den Blick. Erzählt wird von der Entste­hung der James-Dean-Foto­gra­fien, die im März 1955, wenige Monate vor seinem verhäng­nis­vollen Auto­un­fall, im Life-Magazin erschienen. Bilder wie das des in einen Mantel gehüllten Schau­spie­lers am verreg­neten Times Square, die ikoni­schen Status erlangten und das melan­cho­li­sche Wesen des Porträ­tierten nach­haltig zemen­tierten.

Im Mittel­punkt der Charak­ter­studie steht die Beziehung zwischen dem Foto­jour­na­listen Dennis Stock (Robert Pattinson) und seinem Objekt der Begierde (Dane DeHaan). Zwei Außen­seiter, die merklich mit ihrem Dasein, besonders ihrer beruf­li­chen Situation hadern. Stock hält sich als Stand- und Premie­ren­fo­to­graf über Wasser, besucht Film­empfänge und lungert auf schicken Partys herum, will aller­dings viel lieber künst­le­risch wertvolle Fotoes­says anfer­tigen. Dean wiederum ist noch nicht berühmt, gilt höchstens Insidern als neue Hoffnung, brennt auf anspruchs­volle Rollen, hat aber keine Lust, sich den starren Regeln des Hollywood-Geschäfts zu beugen. Zwei junge Männer mit großen Träumen prallen hier zusammen und bewegen sich ganz langsam aufein­ander zu.

Schön ist dabei vor allem, wie der Film Deans Unan­ge­passt­heit und seine Launen in Szene setzt. Beispiels­weise in den amüsanten Gesprächen mit Studio-Größe Jack Warner, den Ben Kingsley als strengen Auto­ritäts­men­schen verkör­pert, der es eigent­lich gewohnt ist, dass die Schau­spieler nach seiner Pfeife tanzen. Zu spüren bekommt den eigen­wil­ligen Charakter des jungen Darstel­lers auch Dennis Stock, der Deans Charisma, seine Star-Aura schon bei ihrer ersten Begegnung erkennt und ihn daher unbedingt porträ­tieren will. Dummer­weise entpuppt sich der noch recht unbe­kannte Mime – von DeHaan in Sprach­duktus, Mimik und Haltung treffend verkör­pert – jedoch als kleine Diva und lässt diverse Abspra­chen platzen.

Vor allem aus Deans wankel­mü­tigem Verhalten, seiner Hin- und Herge­ris­sen­heit ergibt sich die für Corbijns Filme typische Entschleu­ni­gung. Es dauert einfach, bis Stock und der Hollywood-Neuling richtig zuein­an­der­finden und auf eine Fotoreise ins ländliche Indiana, die Heimat Deans, aufbre­chen, wo der Schau­spieler ganz bei sich sein kann. Schon in der Killer­bal­lade The American, aber auch im Spio­na­ge­thriller A Most Wanted Man verwei­gerte sich Corbijn über­hitzten Plot-Struk­turen und setzte statt­dessen auf eine konzen­trierte, bisweilen medi­ta­tive Atmo­s­phäre. Was dort eine starke innere Spannung hervor­rief, wirkt hier aller­dings ein wenig zäh und ermüdend. Vor allem, weil der Film mehrere Aspekte anreißt, die er nicht ausschöp­fend genug betrachten kann. Deans Trauer über den Tod seiner Mutter etwa wird in einer Szene eindring­lich beschworen, bleibt aber eine Fußnote in der emotio­nalen Auslotung seiner Figur. Ähnlich verhält es sich mit der halb­herzig entwi­ckelten Hinter­grund­ge­schichte Stocks, der von seiner Ex-Frau an seine Verant­wor­tung als Vater erinnert wird, sich aber lieber in seine Arbeit verbeißt.

Bedau­er­lich ist außerdem, dass der Film den kreativen Eifer des Foto­grafen nur selten in konkrete Bilder überführt, weshalb die Ausein­an­der­set­zung mit dem Medium und seinen Möglich­keiten über Ansätze nicht hinaus­kommt. Etwas erstaun­lich, wenn man bedenkt, dass sich Corbijn noch vor Beginn seiner Kino­kar­riere einen Ruf als ausge­wie­sener Foto­künstler erar­beitet hat – worauf der Regisseur in Life übrigens mit einem Cameo-Auftritt als Pres­se­ver­treter am roten Teppich augen­zwin­kernd verweist.

Während die inhalt­liche Unent­schlos­sen­heit das Film­er­lebnis an manchen Stellen trübt und der Mensch hinter dem Mythos James Dean nur phasen­weise greifbar wird, ist die optische Aufbe­rei­tung der 1950er Jahre ein Hoch­ge­nuss. Szenen- und Kostüm­bild können durchweg über­zeugen und führen den Zuschauer in eine glamouröse Hollywood-Welt, der schon wenig später große Umbrüche – etwa die Auflösung des klas­si­schen Studio­sys­tems – bevor­stehen. Als Blick durchs Schlüs­sel­loch der Film­in­dus­trie hat Life definitiv seinen Reiz. Nicht nur, weil viele Namen und Titel fallen, die für das US-ameri­ka­ni­sche Kino bedeutsam sind. Sondern auch, weil zwischen den Zeilen immer wieder der Umgang mit den Stars der Traum­fa­brik anklingt. Zufall ist es sicher nicht, dass der Promi­fo­to­graf Dennis Stock ausge­rechnet mit Robert Pattinson besetzt wurde, der durch sein Mitwirken in den Twilight-Filmen zum ständig verfolgten Paparazzi-Opfer mutierte.