Weltenbummler und Cineasten |
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This is Atomic Love | ||
(Foto: Heike Schuffenhauer und Marc Seibold) |
Von Dunja Bialas
»Hiroshima mon amour« – Marguerite Duras hat 1959 für Alain Resnais das Drehbuch geschrieben für einen berückend-bedrückenden Film, den man am gestrigen Tag unbedingt hätte sehen müssen. Darin reist eine französische Schauspielerin für Filmaufnahmen in die Stadt, die genau vor 80 Jahren den ersten Atombombenabwurf erlitt. Mit einem japanischen Architekten, der ihr die neu errichtete Stadt und die Memorials zeigt, beginnt sie eine Liaison. Berühmt die Dialogzeile »Hi-ro-shi-ma. C’est ton nom … Dein Name sei Hiroshima«.
Dieser dysphorische Auftakt scheint uns für den Jahrestag angemessen. Vor 80 Jahren Atombombenabwurf, und wir leben im Westen immer noch, als wäre nichts passiert.
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Das legendäre Atomic Café in München gibt es nicht mehr. Vor 10 Jahren schloss es, weil der Pachtvertrag nicht verlängert wurde. Damit waren die Zeiten des Feierns in der Innenstadt vorbei, und auch die ausgiebigen Schwof-Nächte zum typischen Atomic-Sound der 60er Jahre. Das Regie-Duo Heike Schuffenhauer und Marc Seibold haben dem Club ein Jahr nach seiner Schließung mit This Is Atomic Love ein filmisches Denkmal geschaffen, zum 10. Schließungstag ist er in Anwesenheit der Filmemacher noch einmal bei den Filmkunstwochen zu sehen (Do 7.8. 20:00 Maxim; zu Gast: Heike Schuffenhauer und Marc Seibold)
Womit wir endlich beim Thema wären.
Die 73. Filmkunstwochen gehen in die zweite Woche. Das »Sommerfestival der Arthouse-Kinos« konnte sich bislang noch nicht sehr am Sommer erfreuen, aber das soll sich ja jetzt ändern. In der kommenden Woche warten einige Highlights mit Gästen auf das Münchner Kinopublikum. Die Wiederaufführung von This Is Atomic Love macht den Auftakt.
In der Late Night Film Lecture zeigt am selben Abend das Werkstattkino Blockbuster im Schmalfilmformat und in der auf das Wesentliche destillierten Version. Was sich komplett abwegig anhört, läutete in den 70er Jahren das Heimkino ein. Noch vor Video oder gar DVD, BluRay und Stream wurden »Viewer’s Digest«-Formate (analog der Reader’s Digest-Kurzfassungen von Romanen für alle, die keine Zeit haben, Bücher zu lesen, aber trotzdem wissen wollen, was drin steht) in Umlauf gebracht. Das Resultat: ist meist brüllend komisch, auf jeden Fall extraordinaire. Bernd Brehmer vom Werkstattkino-Kollektiv führt seine neuesten Stücke aus seiner Super8-Sammlung vor und baut dafür den Projektor direkt im Kinosaal auf. Um den Abend auch mit Kommentaren süffisant zu begleiten, wie es sich für eine Late Night Film Lecture gehört. (Do 7.8. 22:00 Werkstattkino)
Einen Doppelgeburtstag, nämlich den 70., feiern die Kinos der Filmkunstwochen mit Walter Steffen und Wolf Gaudlitz. Erster lebt am Starnberger See und hat mit seinen Dokumentarfilmen wie Schafstage (über den Schafscheid), Alpgeister (über die Mythen- und Sagenwelt der bayerischen Alpen), München in Indien (über den Kunstmaler Friz-München) und Joy in Iran (über Clowns ohne Grenzen) seine Heimat auch international interpretiert. Alle Filme sind ab heute in den Kinos Rex, Solln und Rottmann zu sehen. Walter Steffen ist zu Gast!
Wolf Gaudlitz ist fast ein Seelenverwandter seines Jahrgangszwillings. Der Münchner ist Weltbürger und Nomade des Kinos. Aus Anlass seines 70. Geburtstags werden preisgekrönte Filme seines Schaffens (ein Jahrzehnt vor, bald fünf hinter der Kamera) im Isabella, Theatiner und in der Pasinger Fabrik (Wüstenkino-Open-Air) gezeigt. Als Teil des Deutschen Filmerbes in restaurierter Fassung. Darunter: Palermo flüstert (7.7. 18:30 Isabella und 12.8. 18:00 Theatiner), Gezählte Tage, für den er den Bayrischen Filmpreis erhielt (8.8. 18:00 Theatiner), Táxi Lisboa (10.8. 11:00 Theatiner) und sein berühmter Sahara Salaam (14.8. 18:00 Theatiner, 19.8. 18:30 Isabella). Wolf Gaudlitz ist bei allen Vorführungen zu Gast!
Die Filmstadt München ist ebenfalls zu Gast bei den Filmkunstwochen. Cinema Iran zeigt Rap & Revolution In Iran, passend zum diesjährigen Motto »Music on Screen« (8.8. 19:00 Maxim). LaFiTa, die Lateinamerikanischen Filmtage, zeigen Tiempo de pagar über das Microcentro-Bankenviertel von Buenos Aires, in dem Kleingangster, illegale Geldwechsler und andere Kleinkriminelle ihr Glück versuchen (10.8. 20:30 Isabella).
Bayerisch wird es bei Alle wollen in den Himmel, der die bekanntermaßen skurrilen Lebenswelten der Mittfünfziger analysiert. Regie geführt hat in dieser launigen Komödie Peter Horn, den man bislang als Komponisten von Wer früher stirbt ist länger tot kennt (8.8. Rex). Peter Horn und die Schauspieler Felix Dünnemann und Stephan Holzner sind zu Gast!
Nachdenklichere Töne schlägt der südkoreanische Dokumentarfillm K-Family Affairs an. Er befragt die Generation der Eltern, und was heute mit der Gesellschaft passiert ist. Eine traumatische Kerbe in das Leben aller jungen Menschen hat in Korea das Kentern des Schiffes Sewol geschlagen. Dies ist die Zäsur, die im Film mitgetragen wird, während die Eltern in den 80ern noch für die Demokratie auf die Straße gegangen sind. Nach dem Film gibt es ein Live-Video-Interview mit der Filmemacherin Nam Amrum (9.8. 14:00 Rottmann).
Geschichte und Geschichtsschreibung sind auch die Themen der französischen Filmemacherin Claire Angelini, die mehrere Jahrzehnte in München gelebt hat und bei den Filmkunstwochen zu Besuch ist. Ihr Film Jeanne Is Acting Up verbindet die Abenteurerin Jeanne Barret, die 1767 in Männerkleidung auf Weltumsegelung aufbrach, mit Migrantinnen der Jetztzeit. Eine hypnotisch wirkende Analyse von Ursache und Wirkung und über die Wiederkehr von Geschichte (10.8. 18:00 Theatiner)