07.08.2025

Weltenbummler und Cineasten

This is Atomic Love
This is Atomic Love
(Foto: Heike Schuffenhauer und Marc Seibold)

Late Night Film Lecture, Atomic Love und ein Doppelgeburtstag – die zweite Filmkunstwoche 2025

Von Dunja Bialas

»Hiroshima mon amour« – Margue­rite Duras hat 1959 für Alain Resnais das Drehbuch geschrieben für einen berückend-bedrü­ckenden Film, den man am gestrigen Tag unbedingt hätte sehen müssen. Darin reist eine fran­zö­si­sche Schau­spie­lerin für Film­auf­nahmen in die Stadt, die genau vor 80 Jahren den ersten Atom­bom­ben­ab­wurf erlitt. Mit einem japa­ni­schen Archi­tekten, der ihr die neu errich­tete Stadt und die Memorials zeigt, beginnt sie eine Liaison. Berühmt die Dialog­zeile »Hi-ro-shi-ma. C’est ton nom … Dein Name sei Hiroshima«.

Dieser dyspho­ri­sche Auftakt scheint uns für den Jahrestag ange­messen. Vor 80 Jahren Atom­bom­ben­ab­wurf, und wir leben im Westen immer noch, als wäre nichts passiert.

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Das legendäre Atomic Café in München gibt es nicht mehr. Vor 10 Jahren schloss es, weil der Pacht­ver­trag nicht verlän­gert wurde. Damit waren die Zeiten des Feierns in der Innen­stadt vorbei, und auch die ausgie­bigen Schwof-Nächte zum typischen Atomic-Sound der 60er Jahre. Das Regie-Duo Heike Schuf­fen­hauer und Marc Seibold haben dem Club ein Jahr nach seiner Schließung mit This Is Atomic Love ein filmi­sches Denkmal geschaffen, zum 10. Schließungstag ist er in Anwe­sen­heit der Filme­ma­cher noch einmal bei den Film­kunst­wo­chen zu sehen (Do 7.8. 20:00 Maxim; zu Gast: Heike Schuf­fen­hauer und Marc Seibold)

Womit wir endlich beim Thema wären.

Die 73. Film­kunst­wo­chen gehen in die zweite Woche. Das »Sommer­fes­tival der Arthouse-Kinos« konnte sich bislang noch nicht sehr am Sommer erfreuen, aber das soll sich ja jetzt ändern. In der kommenden Woche warten einige High­lights mit Gästen auf das Münchner Kino­pu­blikum. Die Wieder­auf­füh­rung von This Is Atomic Love macht den Auftakt.

In der Late Night Film Lecture zeigt am selben Abend das Werk­statt­kino Block­buster im Schmal­film­format und in der auf das Wesent­liche destil­lierten Version. Was sich komplett abwegig anhört, läutete in den 70er Jahren das Heimkino ein. Noch vor Video oder gar DVD, BluRay und Stream wurden »Viewer’s Digest«-Formate (analog der Reader’s Digest-Kurz­fas­sungen von Romanen für alle, die keine Zeit haben, Bücher zu lesen, aber trotzdem wissen wollen, was drin steht) in Umlauf gebracht. Das Resultat: ist meist brüllend komisch, auf jeden Fall extra­or­di­naire. Bernd Brehmer vom Werk­statt­kino-Kollektiv führt seine neuesten Stücke aus seiner Super8-Sammlung vor und baut dafür den Projektor direkt im Kinosaal auf. Um den Abend auch mit Kommen­taren süffisant zu begleiten, wie es sich für eine Late Night Film Lecture gehört. (Do 7.8. 22:00 Werk­statt­kino)

Einen Doppel­ge­burtstag, nämlich den 70., feiern die Kinos der Film­kunst­wo­chen mit Walter Steffen und Wolf Gaudlitz. Erster lebt am Starn­berger See und hat mit seinen Doku­men­tar­filmen wie Schafs­tage (über den Schaf­scheid), Alpgeister (über die Mythen- und Sagenwelt der baye­ri­schen Alpen), München in Indien (über den Kunst­maler Friz-München) und Joy in Iran (über Clowns ohne Grenzen) seine Heimat auch inter­na­tional inter­pre­tiert. Alle Filme sind ab heute in den Kinos Rex, Solln und Rottmann zu sehen. Walter Steffen ist zu Gast!

Wolf Gaudlitz ist fast ein Seelen­ver­wandter seines Jahr­gangs­zwil­lings. Der Münchner ist Welt­bürger und Nomade des Kinos. Aus Anlass seines 70. Geburts­tags werden preis­ge­krönte Filme seines Schaffens (ein Jahrzehnt vor, bald fünf hinter der Kamera) im Isabella, Theatiner und in der Pasinger Fabrik (Wüsten­kino-Open-Air) gezeigt. Als Teil des Deutschen Filmerbes in restau­rierter Fassung. Darunter: Palermo flüstert (7.7. 18:30 Isabella und 12.8. 18:00 Theatiner), Gezählte Tage, für den er den Bayri­schen Filmpreis erhielt (8.8. 18:00 Theatiner), Táxi Lisboa (10.8. 11:00 Theatiner) und sein berühmter Sahara Salaam (14.8. 18:00 Theatiner, 19.8. 18:30 Isabella). Wolf Gaudlitz ist bei allen Vorfüh­rungen zu Gast!

Die Filmstadt München ist ebenfalls zu Gast bei den Film­kunst­wo­chen. Cinema Iran zeigt Rap & Revo­lu­tion In Iran, passend zum dies­jäh­rigen Motto »Music on Screen« (8.8. 19:00 Maxim). LaFiTa, die Latein­ame­ri­ka­ni­schen Filmtage, zeigen Tiempo de pagar über das Micro­centro-Banken­viertel von Buenos Aires, in dem Klein­gangster, illegale Geld­wechsler und andere Klein­kri­mi­nelle ihr Glück versuchen (10.8. 20:30 Isabella).

Bayerisch wird es bei Alle wollen in den Himmel, der die bekann­ter­maßen skurrilen Lebens­welten der Mitt­fünf­ziger analy­siert. Regie geführt hat in dieser launigen Komödie Peter Horn, den man bislang als Kompo­nisten von Wer früher stirbt ist länger tot kennt (8.8. Rex). Peter Horn und die Schau­spieler Felix Dünnemann und Stephan Holzner sind zu Gast!

Nach­denk­li­chere Töne schlägt der südko­rea­ni­sche Doku­men­tar­fillm K-Family Affairs an. Er befragt die Gene­ra­tion der Eltern, und was heute mit der Gesell­schaft passiert ist. Eine trau­ma­ti­sche Kerbe in das Leben aller jungen Menschen hat in Korea das Kentern des Schiffes Sewol geschlagen. Dies ist die Zäsur, die im Film mitge­tragen wird, während die Eltern in den 80ern noch für die Demo­kratie auf die Straße gegangen sind. Nach dem Film gibt es ein Live-Video-Interview mit der Filme­ma­cherin Nam Amrum (9.8. 14:00 Rottmann).

Geschichte und Geschichts­schrei­bung sind auch die Themen der fran­zö­si­schen Filme­ma­cherin Claire Angelini, die mehrere Jahr­zehnte in München gelebt hat und bei den Film­kunst­wo­chen zu Besuch ist. Ihr Film Jeanne Is Acting Up verbindet die Aben­teu­rerin Jeanne Barret, die 1767 in Männer­klei­dung auf Welt­um­se­ge­lung aufbrach, mit Migran­tinnen der Jetztzeit. Eine hypno­tisch wirkende Analyse von Ursache und Wirkung und über die Wieder­kehr von Geschichte (10.8. 18:00 Theatiner)