18.12.2020

100-facher Aufstand gegen die Einfalt

Rochus Wolff: 100 Kinderfilme für alle Tage
Ein Buch, das in jedes Kinder- und Elternzinmmer gehört...
(Foto: Rochus Wolff/Buchcover)

Gute Kinderfilme sind eine bedrohte Spezies, da es so viele schlechte Kinderfilme gibt. Rochus Wolff bietet mit seinem Kompendium „100 beste Kinderfilme für alle Tage“ einen tollen Rettungsstrohhalm für die Misere

Von Axel Timo Purr

Man könnte meinen, dass es in unserer Gegenwart, in der Eltern fast schon zuviel für ihre Kinder tun, es auch die besten Kinder­filme geben müsste. Aber leider nein, weit gefehlt. Wer sich etwa mit der deutschen Kinder­film­pro­duk­tion der letzten Jahre näher beschäf­tigt hat, konnte sogar regel­recht verzwei­feln. So war es uns im letzten Jahr in der Jury für den besten Kinder­film der deutschen Film­kritik nicht möglich, drei Filme für die Shortlist zu nomi­nieren, es blieben aus dem Pool zumeist unter­ir­disch schlechter Produk­tionen nur zwei Filme übrig, die den Preis verdient hatten, den dann schließ­lich Fritzi – Eine Wende­wun­der­ge­schichte zurecht gewonnen hat, so wie die großar­tigen Preis­träger der Jahre zuvor, wie die Königin von Niendorf, Nur ein Tag oder Auf Augenhöhe.

Doch das sind leider nur Perlen, die in einem unüber­schaubar moras­tigen Meer schnell unter­gehen, sich kaum behaupten können und gegen austausch­bare, völlig fanta­sie­lose Groß­pro­duk­tionen (man denke nur an Jim Knopf und die Wilde 13 oder Drachen­reiter), die mit aller Gewalt in die Kinos und jetzt auf die großen Strea­ming­platt­formen gedrückt werden, kaum eine Chance haben. So wie etwa der viel­leicht beste Kinder­film dieses Jahres, Zu weit weg, der wegen der Corona-bedingten Schließung der Kinos nur eine Woche Kino­prä­senz hatte und jetzt bereits sein Heil als DVD-Auskopp­lung suchen muss.

Um diesem digitalen Vergessen entge­gen­zu­wirken und Eltern wie Kindern zu zeigen, dass gute Kinder­filme noch nicht ganz ausge­storben sind, dass es sie wirklich noch gibt, so wie auch das kleine Dorf in Gallien, hat der Kinder­film­kri­tiker Rochus Wolff einen wunder­vollen Band mit kurzen Kritiken zu 100 besten Kinder­filmen zusam­men­ge­stellt, die er im Lauf der letzten Jahre auf seinem enga­gierten Kinder­film­blog veröf­fent­licht hat und für dieses Büchlein von 172 Seiten noch einmal über­ar­beitet hat.

Da Wolff weiß, dass in den heutigen Kinder- und Eltern­zim­mern DVD-Spieler kaum mehr existent sind, beschränkt sich seine Auswahl auf Filme, die ausnahmslos gestreamt werden können. Und um es auch den gestress­testen Eltern etwas leichter zu machen, gibt Wolff auch die Platt­formen an, auf denen seine Best-Ofs zu finden sind.

Und noch einen fast uner­setz­li­chen Service bietet Wolff an, einen Service, über den man natürlich streiten kann – die Alters­emp­feh­lung. Wolff beginnt bei 5 Jahren (z.B. Kommissar Gordon & Buffy), bietet Filme ab 6 an (z.B. Der kleine Rabe Socke), ab 7 (etwa Trolls), begibt sich für die 8-jährigen auch mal in die jüngere Kino­ge­schichte (Ich – Einfach unver­bes­ser­lich), oder für die 9-jährigen nach Kenia (Supa Modo) und Holland (Romys Salon), vergisst für die 10-jähri­gen­nicht die fantas­ti­schen Kinder­filme der nordi­schen Länder (Thilda & die beste Band der Welt) und erinnert für die 12-jährigen an eine im Kino leider völlig unter­gan­gene Perle wie Sieben Minuten nach Mitter­nacht.

Dass diese Empfeh­lungen verhan­delbar sind, sollte sich von selbst verstehen, mehr noch in Zeiten, da die pädago­gi­schen Leit­li­nien für Medi­en­konsum inzwi­schen in ähnliche Blasen frag­men­tiert sind wie unser poli­ti­sches Spektrum.

Auch deshalb gehört Wolffs kleines Kompen­dium zum guten Kinder­film in jedes Kinder- und Eltern­zimmer. Denn es baut Brücken, führt Kinder und Eltern zu gemein­samen Glücks- und Erkennt­nis­ge­winnen und zeigt vor allem, dass man in den Kinder­film nicht genug inver­stieren kann. Denn ohne gute Kinder­filme in unserer heutigen Zeit dürften auch die Kinogeher von morgen eine bedrohte Spezies sein.

Rochus Wolff, 100 Kinder­filme für alle Tage, ist als E-Book und Papier­buch erhält­lich.