12.11.2020

Trouble Shooting im Corona-Blues

Kokon
Eis am Stiel: Kokon
(Foto: Salzgeber)

Abschlussbericht zum 26. Bimovie, das erstmals online stattfand

Von Felicitas Hübner

Bei einem Ereignis wie dem orts­an­säs­sigen Bimovie darf bei artechock schon mal gegendert werden. Die 26. Ausgabe der Frau­en­film­reihe musste aus den bekannten kultur­ver­nach­läs­si­genden Gründen in diesem Jahr online statt­finden. Der Umgang der Politik (nicht nur) mit den Kinos fordert gerade mutig-wütende Krea­ti­vität und einen unbe­dingten Über­le­bens­willen der Menschen in der Kultur­branche. In diesem Jahr sind schon viele Filme aufgrund der Maßnahmen unter­ge­gangen. Das Bimovie-Team will dazu beitragen, dass zumindest eine kleine Auswahl an wunder­baren Filmen die Aufmerk­sam­keit bekommt, die sie verdient. Aus dem anfäng­lich konzi­pierten Hybrid-Festival musste ein rein digitales Filmfest werden. Acht Filme konnte mensch – im Streaming allein vor dem Monitor des Home Office oder in gesel­liger Runde vor dem WG-Beamer – dem geschun­denen Gemüt zuführen. Sehr schöne Filme waren es wieder.

Die Coming of Age-Geschichte Kokon von Leonie Krip­pen­dorff hatte der Verleih dann glück­li­cher­weise doch noch für die Online-Plattform frei­ge­geben. Im mehrfach heißen Sommer 2018 mit Blutmond und erster Periode verliebt sich die von Lena Urzen­dowsky hinreißend gespielte Nora in die wilde Romy (Jella Haase).

Heavy Craving aus Taiwan ist ein poppig bunter und zuweilen schwer­ge­wich­tiger Kommentar zu Body-Norma­ti­vity und das Spiel­film­debüt von Pei-Ju Hsieh. Der Film ist eine Dramödie, die sich mit »female troubles« wie Körper­form, Essens­lust und sexuellen Über­griffen beschäf­tigt.

In Mouth­piece von Patricia Rozema hat die Prot­ago­nistin Cassandra 48 Stunden Zeit, um das Begräbnis ihrer Mutter zu orga­ni­sieren. Dabei gerät sie in eine immer absurder eska­lie­rende Sinnkrise – ein atmo­s­phä­ri­sches Drama über den Tod jenseits aller Genre­kon­ven­tionen.

Der Kurzfilm Portrait of my Mother erzählt die Verar­bei­tung eines Miss­brauchs und läuft als Vorfilm zu Overseas von Sung-a Yoon, der einen scho­nungs­losen Blick auf die Misere moderner Sklaverei wirft. Dank der Soli­da­rität der Frauen* unter­ein­ander wohnt dem Film ein kleiner Hoff­nungs­schimmer inmitten dieser düsteren Paral­lel­welt inne.

Als Reaktion auf den struk­tu­rellen Rassismus innerhalb der fran­zö­si­schen Film­branche entsteht 2017 Amandine Gays doku­men­ta­ri­sches Debüt Speak Up – ein afro-femi­nis­ti­sches Manifest, mit dem sie der Schwarzen Weib­li­chen Perspek­tive endlich Gehör verschaffen will. Sie lässt Schwarze Frauen* aus Belgien und Frank­reich zu Wort kommen.

Der Künstler Tristan Meecham trägt die Mission in sich, queere Senior*innen mit einem Festball in die Community zurück­zu­holen. Sue Thomsons Film Coming Back Out Ball Movie doku­men­tiert Meechams Ball-Projekt. Sie gewährt einen Einblick in eine Genera­tion, die als Vorhut der LGTBIQ* Bewegung die Weichen für sämtliche queer­po­li­ti­schen Erfolge stellte.

Um lesbi­sches Lieben und Leben in der DDR geht es in Barbara Wall­brauns Film Ufer­frauen. Die Regis­seurin hat sechs Frauen gefunden, die bereit waren, ihre Geschichte zu teilen – eine jede liebens­wert, mit Eigenart, Esprit und Charme. Nicht immer lustig, aber kraftvoll und ermu­ti­gend.

Janna Ji Wonders doku­men­ta­ri­sche Erzählung Walchensee Forever erstreckt sich über 80 Jahre einer trau­ma­ti­sierten Fami­li­en­ge­schichte. Sie erzählt die Geschichte ihrer Familie aus Sicht der Frauen, von denen jede auf ihre Weise den patri­ar­chalen Struk­turen ihrer Zeit trotzt.

Bimovie startete im Jahr 1988. Aufgrund der langen Geschichte arbeitet schon eine zweite Genera­tion im Bimovie-Team mit. Zum Einspiel­ergebnis befragt, zeigte sich Pres­se­frau Anne Daschkey zufrieden mit den Click-Zahlen. Selbst­ver­ständ­lich hätten sie die Offline-Variante mit Gästen vor Ort bevorzugt. Der direkte Austausch mit den Besucher*innen musste entfallen. Und die immer im Neuen Maxim aufge­stellte Feedback-Wand konnte in diesem Jahr nicht beschrieben werden. Ob das sehr diverse Publikum die Filme bezau­bernd, schreck­lich oder gar verstö­rend fand, musste es auf Facebook hinter­lassen. Trotz allem war es eine spannende Kinowoche.