Ideologisch unbedenklich |
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Eine reizende Familie (D 1945 / D (Ost) 1948 / BRD 1950) von Erich Waschneck | ||
(Foto: Zeughauskino/DHM) |
Von Ulrich Mannes
Dass der Kinobetrieb auf absehbare Zeit noch unter den Corona-Einschränkungen leiden wird, macht sich natürlich auch in den Programmen der Kinematheken bemerkbar. Im Berliner Zeughaus-Kino startet heute die Reihe »Überläufer«, ein Titel, der allein und für sich zu Assoziationen und Spekulationen verführen könnte. Sind mit den Überläufern all die Filme gemeint, die noch in der Prä-Corona-Zeit programmiert wurden und jetzt über die Corona-Spalte (= Lockdown) in die »neue Normalität« gerettet werden konnten? So wie es das Münchner Filmmuseum gerade macht, das diesen Monat die King Vidor-Retro, die im März nach drei Filmen abgebrochen werden mußte, fortsetzt? Fürs Frühjahr hatte das Filmmuseum ein verheißungsvolles Programm angekündigt. Neben King Vidor hätte noch laufen sollen: Eine Hommage an den Produzenten Rob Houwer, eine Werkschau des deutsch-rumänischen Filmmachers Radu Gebrea, eine vollständige Retro der Filme von Vittorio de Sica, das filmische Begleitprogramm zu einer Ausstellung über den Fotografen und Nazi-Avantgardisten Willy Zielke und eine Themenreihe über »Leading Women – Frauen im Kino«. Letztere ist im Juli immerhin aufgegriffen worden, als das Filmmuseum, wie alle anderen Kinos, unter Auflagen wieder spielen durfte. Was vom Rest des Frühjahrs-Programms über King Vidor hinaus noch gerettet werden kann, wissen die Kuratoren wohl selbst nicht so genau. Da die Motivation, Programmreihen zu initiieren, welche nur vor einem Bruchteil des möglichen Publikums laufen dürfen, eh nicht so groß sein dürfte, sollte man für den Herbst keine aufregenden Programm-Initiativen mehr erwarten.
Aber das Zeughaus-Kino in Berlin meint mit seinen Überläufern natürlich ganz was anderes. Vollständig heißt die Reihe »Vom Ende der nationalsozialistischen Filmproduktion und ihrem Weiterleben«. Es dreht sich also um die ideologisch für unbedenklich erachteten Filme, die noch unter der Nazi-Herrschaft produziert, aber erst nach dem Krieg leicht modifiziert in den deutschen Kinos gestartet sind und eben »Überläufer« genannt wurden. Filme, die von einem System ins andere wechselten, vom Deutschen Reich in die alliierten Besatzungszonen und später in die DDR oder Bundesrepublik. Das Spektrum der Filme reicht vom Tyrannenmord-Drama VIA MALA über DIE FLEDERMAUS zu Leni Riefenstahls Opernverfilmung TIEFLAND, hat aber sicher nicht ohne Grund vor allem Komödien zu bieten.
Der Ankündigungstext verspricht 14 Filme, die »uns seltsam aus der Zeit und ihren ästhetischen Formen gefallen erscheinen« und in denen schon die Einrichtungsgegenstände der frühen fünfziger Jahre präsent sein sollen. Sehen kann man die Überläufer bis zum Ende des Monats.