10.09.2020

Ideologisch unbedenklich

Eine reizende Familie
Eine reizende Familie (D 1945 / D (Ost) 1948 / BRD 1950) von Erich Waschneck
(Foto: Zeughauskino/DHM)

Im Berliner Zeughaus-Kino startet die Reihe »Überläufer«

Von Ulrich Mannes

Dass der Kino­be­trieb auf absehbare Zeit noch unter den Corona-Einschrän­kungen leiden wird, macht sich natürlich auch in den Programmen der Kine­ma­theken bemerkbar. Im Berliner Zeughaus-Kino startet heute die Reihe »Über­läufer«, ein Titel, der allein und für sich zu Asso­zia­tionen und Speku­la­tionen verführen könnte. Sind mit den Über­läu­fern all die Filme gemeint, die noch in der Prä-Corona-Zeit program­miert wurden und jetzt über die Corona-Spalte (= Lockdown) in die »neue Norma­lität« gerettet werden konnten? So wie es das Münchner Film­mu­seum gerade macht, das diesen Monat die King Vidor-Retro, die im März nach drei Filmen abge­bro­chen werden mußte, fortsetzt? Fürs Frühjahr hatte das Film­mu­seum ein verheißungs­volles Programm ange­kün­digt. Neben King Vidor hätte noch laufen sollen: Eine Hommage an den Produ­zenten Rob Houwer, eine Werkschau des deutsch-rumä­ni­schen Film­ma­chers Radu Gebrea, eine voll­s­tän­dige Retro der Filme von Vittorio de Sica, das filmische Begleit­pro­gramm zu einer Ausstel­lung über den Foto­grafen und Nazi-Avant­gar­disten Willy Zielke und eine Themen­reihe über »Leading Women – Frauen im Kino«. Letztere ist im Juli immerhin aufge­griffen worden, als das Film­mu­seum, wie alle anderen Kinos, unter Auflagen wieder spielen durfte. Was vom Rest des Frühjahrs-Programms über King Vidor hinaus noch gerettet werden kann, wissen die Kuratoren wohl selbst nicht so genau. Da die Moti­va­tion, Programm­reihen zu initi­ieren, welche nur vor einem Bruchteil des möglichen Publikums laufen dürfen, eh nicht so groß sein dürfte, sollte man für den Herbst keine aufre­genden Programm-Initia­tiven mehr erwarten.

Aber das Zeughaus-Kino in Berlin meint mit seinen Über­läu­fern natürlich ganz was anderes. Voll­s­tändig heißt die Reihe »Vom Ende der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Film­pro­duk­tion und ihrem Weiter­leben«. Es dreht sich also um die ideo­lo­gisch für unbe­denk­lich erach­teten Filme, die noch unter der Nazi-Herr­schaft produ­ziert, aber erst nach dem Krieg leicht modi­fi­ziert in den deutschen Kinos gestartet sind und eben »Über­läufer« genannt wurden. Filme, die von einem System ins andere wech­selten, vom Deutschen Reich in die alli­ierten Besat­zungs­zonen und später in die DDR oder Bundes­re­pu­blik. Das Spektrum der Filme reicht vom Tyran­nen­mord-Drama VIA MALA über DIE FLEDERMAUS zu Leni Riefen­stahls Opern­ver­fil­mung TIEFLAND, hat aber sicher nicht ohne Grund vor allem Komödien zu bieten.

Der Ankün­di­gungs­text verspricht 14 Filme, die »uns seltsam aus der Zeit und ihren ästhe­ti­schen Formen gefallen erscheinen« und in denen schon die Einrich­tungs­ge­gen­stände der frühen fünfziger Jahre präsent sein sollen. Sehen kann man die Über­läufer bis zum Ende des Monats.