05.03.2020

Rennen um den Hund

Iceberg Nations
Die Scholle schmilzt: Iceberg Nations ist ein rasanter Kurzdokumentarfilm
(Foto: Bunter Hund)

Am besten sich überraschen lassen: Zum 21. Mal findet das Internationale Kurzfilmfestival Bunter Hund in München statt

Von Matthias Pfeiffer

Es ist also wieder an der Zeit, Hasso zu fassen. Zum 21. Mal widmet sich das Münchner Kurz­film­fes­tival Bunter Hund der gesamten Band­breite vom Anima­tions- bis zum Doku­men­tar­film. Und wer sich in Münchens Film­fes­tival-Szene auskennt, weiß, dass Hasso der mit 500 Euro dotierte Preis ist, mit dem die besten Filme belohnt werden. Wer die Preis­träger sind, entscheidet seit jeher das Publikum, das dieses Jahr vom 5. bis 8. März an den Visionen der Regis­seu­rinnen und Regis­seure teilhaben darf.

Die schwie­rigsten Entschei­dungen wurden bisher schon von einem ehren­amt­li­chen Gremium getroffen. Aus über 800 Einsen­dungen wurden die besten 52 ausge­wählt, die im Werk­statt­kino zu sehen sind. Obwohl der Großteil davon logi­scher­weise aus Deutsch­land kommt, sind die unter­schied­lichsten Länder wie Bangla­desch, Estland, Kasach­stan, die USA, Russland oder Ägypten vertreten. Bei der Auswahl fiel der Jury jedoch auf, dass ein über­durch­schnitt­lich großer Teil der Filme aus dem Iran einge­sendet wurde. Grund genug, in diesem Jahr ein Iran-Spezial außerhalb des Wett­be­werbes laufen zu lassen. Beim ersten Über­fliegen der Beiträge zeigt sich, dass die Thema­tiken doch sehr vertraut wirken: Ehepro­bleme (Fasle Sepid / White Season, R: Hasan Najmabadi), Kran­ken­pflege (Morning, Noon, Night, R: Nima Gothbi) oder der Prozess des Älter­wer­dens (Dilag, R: Abas Rafiei, Safiolah Hosseini) – alles nichts, was der west­li­chen Gesell­schaft fremd wäre. Man darf gespannt sein, wie diesen Themen aus einer iranisch-geprägten Sicht begegnet wird.

Schnell kommt jedoch die Frage auf, inwieweit man sich überhaupt zuvor infor­mieren will. Bunter Hund eignet sich wunderbar, um sich der Vielfalt des Programms hinzu­geben. Wie immer läuft alles unter den bekannten Kate­go­rien »Anders und artig«, »Arbeit ist das halbe Leben«, »Helden wie wir« und »Liebe & andere Grau­sam­keiten«. Daneben kann man sich noch am Sonder­pro­gramm »Trash & Sonder­bares« ergötzen. Innerhalb der Rubriken stehen Spiel- und Doku­men­tar­film, animierte Fantasie und expe­ri­men­telle Kost­bar­keit gleich­be­rech­tigt neben­ein­ander. Man kann sich den viel­fäl­tigen Über­ra­schungen einfach hingeben. Ein Blick ins Programm lohnt sich jedoch allemal. Zum einen, weil man so weniger Gefahr läuft, ein bestimmtes Highlight zu verpassen, zum anderen befinden sich hinter den Links der Film­be­schrei­bungen oftmals schon Teaser. Die Über­ra­schung verdirbt man sich dadurch keines­wegs, eher noch steigert sich die Neugier.

Da wäre zum Beispiel Iceberg Nations des Spaniers Fernando Martin Borlán. Der Eroberer einer Eisscholle treibt auf seiner selbst­er­nannten Nation einsam durchs Eismeer. Der komplette Film dauert »nur« vier­ein­halb Minuten, dennoch will man sofort den kompletten Monolog dieses »Herr­schers« hören.

Bizarr geht es weiter: Im israe­li­schen Beitrag Shhhh von Jonathan Mordechay scheint der Versuch eines Paares, ihr Baby nicht aufzu­we­cken, zum grotesken Psycho-Horror zu werden. In The Clown des Russen Vladimir Feklenko wird der titel­ge­bende Spaß­ma­cher mit exis­ten­zia­lis­ti­schen Fragen konfron­tiert, während bei Rubén Secas Ramén ein Gottes­dienst der Pastafari – der sati­ri­schen Sekte um das fliegende Spaghetti-Monster – im Fami­li­en­kon­flikt endet. Der deutsch-japa­ni­sche Anima­ti­ons­film Like and Follow (R: Tobias Schlage, Brent Forrest) zeigt einen Jungen, der die Welt außerhalb seines Smart­phones entdeckt, natürlich sehr zum Leidwesen des mobilen Endgeräts. Der Zwei­minüter konnte übrigens auch schon inter­na­tional über­zeugen. »Ich habe Zwei-Stunden-Komödien gesehen, in denen ich weniger lachen musste«, schrieb Jasemine Holly Bullock von UK Film Review.

Auch die Doku­men­tar­filme zeigen dem Publikum Welten, die ihm viel­leicht auf den ersten Blick bekannt sind. Mit der Beglei­tung durch die Kamera können sich jedoch neue Erkennt­nis­welten auftun. Ob es nun um Nacht­ar­beit (So hell die Nacht, R: Julius Schmitt), die Situation Körper­be­hin­derter (Star for Anton, R: Katerina Strel­chenko) oder eine Videothek in Stephen Bernandes gleich­na­migem Film geht.

Man könnte jetzt hier noch ewig weiter­ma­chen, wie obskur, spannend oder viel­ver­spre­chend dieser oder jener Titel klingt. Man könnte aber auch – jetzt hoffent­lich erst recht angefixt – einfach hingehen und Teil des Publikums von »Film­freaks, Begeis­terten und Partyvolk« werden, wie es die Veran­stalter selbst ausdrü­cken. Hasso wird es sicher freuen.

Bunter Hund – 21. Inter­na­tio­nales Kurz­film­fes­tival
05.03.-08.03.2020, Werk­statt­kino München

Eintritt: 6 €, Kasse öffnet 30 Minuten vor Beginn der Vorstel­lung. Keine Vorbe­stel­lung möglich. Es wird voll, früh da sein!