16.04.2015

Trauriges Tibet

KAMPF UM TIBET
Szene aus KAMPF UM TIBET

Die »Tibet Filmtage 2015« versuchen vor allem aufzuklären

Von Axel Timo Purr

Wer einmal die Grenzen des chine­si­schen Reiches bereist hat, dürfte erstaunt, faszi­niert und zugleich erschro­cken sein, wie effizient die chine­si­sche Regierung ihre Außen­posten verwaltet. Unvor­stell­bare Summen fließen in den Ausbau der Infra­struktur, neuer Straßen und Hoch­ge­schwin­dig­keits­bahn­li­nien, gewal­tiger Solar- und Wind­ener­gie­parks, die die Regionen nach­haltig verändern. Nicht nur siedeln sich Han-Chinesen aus dem Reich der Mitte in den prospe­rie­renden Rand­re­gionen an und bereiten damit die Grundlage für die schlei­chende Auflösung der ethni­schen Minder­heiten, es werden auch Arbeits­stellen geschaffen – eine kombi­nierte Strategie, die schon das römische Reich erfolg­reich einsetzte. Die chine­si­schen Meister-Strategen gehen seit kurzem sogar noch einen Schrift weiter: es wird nicht mehr nur nach Auflösung der Minder­hei­ten­kul­turen gestrebt, sondern über gezielte finan­zi­elle Zuwen­dungen die alten kultu­rellen Tradi­tionen gefördert. Eine der Kern­s­tädte des uigu­ri­schen Widerd­stands etwa, das im west­li­chen China gelegene Kashgar, sah sich vor zwei Jahren plötzlich völlig baff diesem Stra­te­gie­wechsel ausge­setzt: statt die Altstadt weiter zu demon­tieren flossen plötzlich Gelder an dieje­nigen Haus­be­sitzer im Altstadt­kern, die bereit waren, ihre Häuser reno­vieren zu lassen. Damit werden nicht nur die zur Norma­li­sie­rung der Situation wichtigen Touristen in die Region geholt und westliche Politiker beruhigt, sondern auch auf eine auf äußerst subtile Art und Weise der indigene Wider­stand gespalten.

Ganz so weit wie in Kashgar ist die Entwick­lung in Tibet noch nicht. Zwar verbindet auch hier eine Eisen­bahn­linie inzwi­schen das Herz des Reiches mit seinem unzu­gäng­lichsten Außen­posten, aber Pekings Politik folgt hier weiterhin dem uner­bitt­li­chen Kurs alter Tage und macht einmal mehr deutlich, dass es in der jüngeren Geschichte Tibets nie nur um einen Streit der Kulturen oder eine ideo­lo­gi­sche Ausein­an­der­set­zung zwischen Kommu­nismus und Buddhismus ging, sondern vielmehr immer auch handfeste poli­ti­sche, ökono­mi­sche und stra­te­gi­sche Inter­essen der chine­si­schen Macht­haber im Zentrum standen.

Die Tibet Filmtage 2015 versuchen deshalb vor allem die daraus resul­tie­renden Konflikte und das Ringen des tibe­ti­schen Volkes um Freiheit und Menschen­rechte trans­pa­rent zu machen, wollen aber auch die tradi­tio­nelle Kultur und die Spiri­tua­lität der Tibeter zeigen. Die Film­aus­wahl bietet deshalb sehr unter­schied­liche kultu­relle und soziale Facetten der Begegnung an.

Eröffnet werden die Filmtage mit Nowhere to Call Home von Jocelyn Ford. Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Tibeterin, die mit ihrem kleinen Sohn ihr Dorf wegen persön­lich schwie­riger Umstände verlassen muss und nach Peking zieht. Aber auch dort erfährt sie Widrig­keiten, trifft dort aber auf die Filme­ma­cherin Jocelyn Ford.

Kampf um Tibet von Shi Ming und Thomas Weiden­bach zeigt ein außer­ge­wöhn­li­ches Bild von Tibets Geschichte, Gegenwart und Zukunft und über die Beweg­gründe, die die chine­si­sche Regierung nach Tibet führt.

In Let’s Talk about Free Tibet! von Sina Moser und Pia Pedersen trifft die Tibet-Unter­s­tüt­zerin Pia Pedersen im tibe­ti­schen Exil in Indien Menschen, die offen über die drama­ti­schen Zustände in Tibet und über ihre Flucht erzählen.

Clemens Kuby ist ein Filme­ma­cher, der sich schon in den achtziger Jahren mit der Lage in Tibet ausein­an­der­ge­setzt hat. In Das alte Ladakh führt er in ein für uns unbe­kanntes Land, das im West-Himalya in 4800 Meter Höhe liegt und tibetisch sowie vom tantri­schen Buddhismus geprägt ist.
In Tibet – Wider­stand des Geistes begibt er sich direkt nach Tibet und schildert, wie Tibeter versuchen, mit Spiri­tua­lität Wider­stand gegen die chine­si­sche Besat­zungs­macht zu leisten.

Tigernase zeigt eine besondere Begegnung zwischen dem jungen Filme­ma­cher Lobs­an­gTashi Sotrug und einem acht­zig­jäh­rigen Tibeter, der 30 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht hat.

Nach den Film­vor­füh­rungen gibt es Gele­gen­heit zu Gesprächen mit den Mitar­bei­tern der »Tibet Initia­tive Deutsch­land – Regio­nal­gruppe München« und damit die Möglich­keit, die filmi­schen Begeg­nungen um reale Begeg­nungen zu erweitern.

Die TIBET FILMTAGE 2015 fanden vom 17.-22.04.2015 im KIM – Kino im Einstein statt.