03.06.2010

Trou­ble­maker in Wonder­land

Dennis Hopper, 1936 - 2010
Dennis Hopper, 1936 – 2010

Zum Tod des großen Fotografen, Regisseurs, Schauspielers und Kunstsammlers Dennis Hopper

Von Rüdiger Suchsland

»Ist Dennis Hopper also ein großer Künstler? Keine Ahnung, ist auch egal. Hopper ist groß als Sammler, als Liebhaber, als Chronist. Und als Albträumer ist er genial.« – Claudius Seidl in der FAS, Oktober 2009

Er hat über 140 Kino-Filme als Darsteller gedreht, sechsmal bei einem Spielfilm Regie geführt. Auch als Fotograf, als bildender Künstler und als Kunst­sammler ist er erfolg­reich. Er war fünfmal verhei­ratet und hat vier Kinder von vier verschie­denen Frauen. Sein Debüt, das Road-Movie Easy Rider, ist längst als eines der wich­tigsten Werke der Film­ge­schichte anerkannt. Dennis Hopper ist eine Legende. Das Leben Hoppers, der am vergan­genen Samstag starb, spiegelt auch das Leben einer ganzen Gene­ra­tion.

+ + +

»Trou­ble­maker in Wonder­land« – so hieß vor einigen Jahren die Retro­spek­tive bei den Berliner Film­fest­spielen über New Hollywood. Auf kaum einen passt dieser Titel besser, als auf Dennis Hopper. Denn seit Beginn seiner Schau­spiel­kar­riere war Hopper ein großer Unru­he­stifter: Drei Mal schien seine Hollywood-Karriere beendet, vor allem, weil er sie sich selbst verbaut hatte, aber drei Mal kam er zurück.

Auf der Leinwand spielte er Tod und Teufel: Den leib­haf­tigen Tod erst gerade in seinem letzten Kinofilm, Palermo Shooting (2008) von Wim Wenders, für den er bereits 1976 Patricia Highs­miths diabo­li­schen Ripley gespielt hat, den besten Ripley, den die Leinwand je gesehen hat – in Der ameri­ka­ni­sche Freund in grün­fahlem Licht, mit einer Pola­ro­id­ka­mera und Diktier­gerät… Ansonsten in den diabo­li­schen Schur­ken­rollen, auf die er heute abonniert scheint: Im Auto­ren­kino, am abgrün­digsten als keuchender Sadist Frank in Blue Velvet von David Lynch, wie in zahllosen, heute vergessen B- und Trash-Movies.

+ + +

Es sind trotzdem noch eine Menge anderer Rollen und Filme, an die man bei Dennis Hopper denkt: Er ist und bleibt in Erin­ne­rung als der Mann von Easy Rider, eine Erin­ne­rung, die nicht mal den Film selbst nötig hat, sondern die sich mit dem Mythos begnügen kann, einem Wirbel von Marihuana und Whiskey, Harley Davidson und Karneval. Ein Kultfilm und zugleich ein defi­ni­tives Sinnbild für den Frei­heits­drang der 68er-Gene­ra­tion, für ihre Revolte um Sex, Drugs & Rock'n'Roll, die derart intensiv war, dass sie für manche in der Zers­tö­rung, der Selbst­zer­stö­rung endete. Wenn man Easy Rider wieder­sieht, ist man erstaunt, wie klassisch der Film wirkt, wie klassisch er offenbar immer schon war.

Für Hopper war diese Regie einer seiner größten Erfolge. Mit dem Film begann 1969 die Ära des New Hollywood. Er machte nicht nur ihn, sondern auch Peter Fonda und Jack Nicholson reich und berühmt.

Hopper selbst hatte da schon eine ganze Karriere als Schau­spieler hinter sich: Sie begann als Schüler an Lee Stras­bergs legendem New Yorker Studio und mit der Fern­seh­serie »Medic« und endete mit einem berühmten Streit am Set von Henry Hathaway, der damit endete, dass dieser ihn hochkant hinaus­warf, und er jahrelang keine Arbeit bekam. Dazwi­schen lag sein Debüt in Nicholas Rays Johnny Guitar und in zweien der wenigen Filme von James Dean: Rebel Without a Cause und Giganten. Hopper war einer der besten Freunde von Dean, spielte mit ihm. Deans früher Unfalltod stürzte Hoppers Leben und Schaffen in eine große Leere, die er mit Arbeitswut und Exzentrik kompen­sierte.

Den Rausch seiner früheren Jahre und die Verlo­ren­heit, die folgte, eine Verlo­ren­heit, die aus den kurzen schnellen Jahren stammt, als Hopper neben James Dean arbeitete, spürt man in allem, was Hopper seitdem gemacht hat, in den wenigen Filmen, bei denen er Regie führen konnte, und in den zahllosen Rollen im Fernsehen und im Kino.

Auf den größten Erfolg mit Easy Rider folgte gleich schon mit seinem nächsten Film der größte Absturz: The Last Movie, seine zweite Regie­ar­beit, mit der sich Hopper gleich alle Möglich­keiten zerstörte, die sich für ihn im Kino gerade aufgetan hatten. Es war das zweite Mal, dass seine Karriere zuende war. In den folgenden neun Jahren drehte Hopper keinen weiteren Film mehr als Regisseur, erst dann folgte 1980 Out of the Blue, der ganz den »No Future«-Nihi­lismus der Punkjahre atmet, 1988 Colors, in dem aus dem Alltag zweier Poli­zisten in Venice Beach in Los Angeles, das Bild urbaner Verzweif­lung entsteht, und schließ­lich 1990 The Hot Spot, ein cooles Endspiel der 80er Jahre, indem ausge­rechnet deren Star Don Johnson als Loner in einem Provinz­kaff die Tragödien der 50er wieder­holt – als Farce. Hinzu kommt noch die Regie­ar­beit Catchfire, von der Hopper seinen Namen zurückzog.

Als Schau­spieler war er dagegen nie weg. Jahr für Jahr drehte Hopper bis zu einem halben Dutzend Filme, Inde­pend­ents, Trash, großes Kino wie den irren Kriegs­pho­to­graph in Coppolas nicht weniger irrem Apoca­lypse Now, oder ein paar Jahre später in Rumble Fish, bei Sam Peckinpah (The Osterman Weekend), oder Sean Penns Regie-Debüt Indian Runner. Dazu kommt europäi­sches Auto­ren­kino, von Wenders bis zum spani­schen Horror­filmer Bigas Luna. Außerdem gibt es diverse Fern­seh­auf­tritte, darunter auch Bemer­kens­wertes, wie zuletzt mehrere Episoden »24« und noch 2009 »Crash«.

+ + +

Erst in Blue Velvet aber wurde Hopper der schwarze Mann des modernen Amerika: Ihn spielte er seitdem immer wieder, etwa in John Dahls Red Rock West, in Tony Scotts True Romance nach Tarantino-Drehbuch, oder in Speed, wo er als kühler Terrorist Keanu Reeves und Sandra Bullock jagt. In solchen Filmen verkör­pert Hopper sichtbar genüss­lich Zers­tö­rungswut, sexuelle Perver­sion, rohe Gewalt.
Bis heute hat Dennis Hopper in über 140 Spiel­filmen mitge­wirkt; er war beteiligt an einigen der besten Filme der letzten 50 Jahre, wie an zweien der größten Flops des US-Kinos – seiner eigenen Regie­ar­beit The Last Movie (1971) wie an Kevin Costners Water­world (1995).

+ + +

Als Maler und Fotograf ist Dennis Hopper dagegen noch zu entdecken. Vor allem als Fotograf – eine Karriere, die er bereits in den frühen Sech­zi­gern begonnen hat – hat er ein Werk aus völlig eigenem Recht geschaffen: Die Epoche der sechziger und siebziger Jahre hat Hopper mit großar­tigen Foto­gra­fien fest­ge­halten. Wim Wenders, selbst auch Fotograf, ist der festen Über­zeu­gung, hätte Hopper sich ganz auf die Foto­grafie konzen­triert, wäre er einer der größten Foto­grafen des 20. Jahr­hun­derts geworden: »Ich habe ihn immer als Maler und als Foto­grafen gesehen.« Es sind Portraits der andere Seite Holly­woods, Bilder der Leere in und hinter den Kulissen des American Dream.

Vieles sind Portraitauf­nahmen, oft von engen Freunden, die er machte, noch bevor sie berühmt wurden: Robert Rauschen­berg, Andy Warhol, Roy Lich­ten­stein, James Rosen­quist, Peter Fonda. Dazu kommen auch andere doku­men­ta­ri­sche Arbeiten, etwa über Martin Luther Kings Bürger­rechts­mär­sche der 60er, über die Holly­wood­bo­heme, und Dokumente der Factory Andy Warhols und der übrigen Avant­gar­de­szene.

Seit den fünfziger Jahren malt Hopper auch, stilis­tisch vor allem beein­flusst von den Pop-Art-Künstlern Kali­for­niens. In einem Feuer in seinem Studio in Bel Air verlor er 1967 fast 300 Gemälde. Zwanzig Jahre lang malte er nicht. Dann, 1988 begann er aufs Neue: Graffiti, inspi­riert von der Straßen­szene in Los Angeles. Was von früher erhalten blieb, und was neu entstand, wurde bereits mehrfach ausge­stellt, und findet allmäh­lich die Aner­ken­nung der Kunst­wis­sen­schaft. Zudem ist Hopper, der bis zu seinem Tod in einem Haus in Venice Beach lebte, das von Frank Gehry gebaut wurde, Besitzer einer, ebenfalls mehrfach ausge­stellten, Millionen Dollar schweren Kunst­samm­lung, zu der Werke von Warhol und Duchamp, Claes Oldenburg und Jasper Johns, Joseph Beuys und Damien Hirst gehören.

Über Hoppers private Seite gibt es unzählige Anekdoten. Immer wieder dreht sich darin alles um Drogen. Affären. Fünf Ehen. Vier Kinder. Einmal spazierte er nackt durch die Straßen von Mexico City, einmal wurde er mit einer psycho­ti­schen Störung in eine Klinik einge­wiesen. Wenig weiß man dagegen über die Kindheit in Kansas und San Diego, die Anfänge in New York.

+ + +

Die Geschichte von Dennis Hoppers Leben ist eine Geschichte vom Kampf gegen das Nichts. Gegen die inneren Dämonen. Eine Geschichte von Verzweif­lung und Einsam­keit, von Entfrem­dung und von Leere, die gefüllt werden muss, aber auch von Mut und Kraft, von der Fähigkeit, die Dämonen zu besiegen. Es ist eine Geschichte darüber, wie ein Mensch sich selbst erfindet, wie er sich gerade darin und damit treu bleibt. Hoppers Geschichte ist die einer rastlosen Suche, nach Aner­ken­nung, nach Sicher­heit, nach Weisheit. Es ist auch eine Geschichte der Unsi­cher­heit und des Schei­terns. Doch nur wenige schei­terten so groß, wie Dennis Hopper. Denn Hopper maß sich immer an den ganz Großen: als Schau­spieler an James Dean und Jack Nicholson, als Maler an Andy Warhol und Roy Lich­ten­stein, als Fotograf an Robert Frank und als Regisseur an Coppola und Scorsese.

Es gibt noch einige Geheim­nisse zu lüften, rund um dieses schil­lernde Hollywood-Chamäleon, an einigen Stellen Licht ins Dunkel zu bringen über Dennis Hopper. Das größte Rätsel von allen: Wieviel Hopper eigent­lich genau in seinen Rollen steckte?

Hoppers Leben und Werk spiegeln wie das weniger anderer auch die Epochen der Popkultur des Westens, die Kunst, Politik und das Lebens­ge­fühl von der Beat-Gene­ra­tion bis in unsere Gegenwart. Die Geschichte von Dennis Hopper ist eine Geschichte vom Kampf gegen das Nichts. Gegen die inneren Dämonen. Und von der Fähigkeit, diese Dämonen zu besiegen. Hoppers Leben war rastlose Suche, nach Aner­ken­nung, nach Sicher­heit, nach Weisheit. Es gab darin auch Scheitern. Doch nur wenige schei­terten so groß wie Dennis Hopper.