25.06.2009

Sommer­tra­di­tionen

Open-Air-Kino im Westpark
Sommerliches Kino im Westpark

Der Sommer in den Münchner Kinos

Von Claus Schotten

Auch wenn man es beim Blick aus dem Fenster oder auf die Wetter­karte nicht glauben mag, der Sommer ist da! Man merkt es am Münchner Kino­pro­gramm. Anders als das Wetter hält es sich noch an die jahres­zeit­li­chen Gepflo­gen­heiten. Schon seit gut zwei Wochen sind die Open-Air-Kinos wieder geöffnet, wenn die Vorstel­lungen nicht vom Regen wegge­spült werden. Am Samstag eröffnet dann das Filmfest den eigent­li­chen Sommer für die Münchner Cine­philen. Diesem Höhepunkt folgt – als jüngste Tradition – das typische Sommer­pro­gramm des Film­mu­seums. Es beginnt mit dem ange­nehmen Teil, der heiter-unter­halt­samen Themen­reihe im Juli. Sie steht dieses Jahr unter dem Motto Hotels & Motels. Mit bekannten und weniger bekannten Film­klas­si­kern stimmt sie auf die großen Ferien ein. Im August folgt dann der unan­ge­nehme Teil – vier­ein­halb Wochen ohne einen einzigen Film im städ­ti­schen Kino – bis das Stumm­film­wo­chen­ende Anfang September für die Entbeh­rungen der Vorwochen entschä­digt.

Viel­leicht sollte man als passio­nierter Kino­gänger die Ferien im August für einen Kurs in der großen Kunst der Bi-Lokation nutzen. Denn das Fantasy-Filmfest als zweites großes Festival des Sommers ist – wie im Vorjahr – von seinem Stamm­termin Ende Juli auf Anfang September gewandert. Das wäre der perfekte Abschluss für die sommer­li­chen Kino­ver­gnügen in München, würde es nicht mit den Stumm­filmen im Film­mu­seum kolli­dieren.

Bleibt noch die älteste Sommer­tra­di­tion in den Münchner Kinos zu erwähnen – die Film­kunst­wo­chen im August. Sie finden heuer schon zum 57. Mal statt. Vor ein paar Jahren boten sie noch die Gele­gen­heit typische Reper­toire-Filme der Programm­kinos auf der großen Leinwand zu sehen, auch als das Reper­toire-Programm im Rest des Jahres schon komplett aus den Kinos verschwunden war. So konnte man Lücken im eigenen Film­wissen stopfen, die alten Werke von »ange­sagten« Regis­seuren wie den Coen-Brüdern und Almodovar mit ihren aktuellen Filmen verglei­chen oder einfach die eigenen Lieb­lings­filme sehen. Für mich war beispiels­weise jahrelang die OmU-Fassung von Chungking Express ein Pflicht­termin. Da wollte man am liebsten den halben August im Kino verbringen und war froh, wenn man nicht verreisen „musste“.

Leider sind die Film­kunst­wo­chen in den letzten Jahren immer mehr verkommen. Das Programm wurde ausge­dünnt und weit­ge­hend auf den Art-House-Main­stream der letzten 1-2 Jahre reduziert. Es wurden also genau die Filme gezeigt, die man im Laufe des letzten Jahres ohnehin schon im Kino gesehen hatte. Für dieje­nigen, die im Vorjahr ein paar Monaten krank oder im Ausland gewesen waren, mag das eine ideale Gele­gen­heit gewesen sein, versäumtes nach­zu­holen. Für regel­mäßige Kino­gänger war es aber das Signal »Macht Ferien! Wir wollen euch nicht im Kino sehen!« und hat eher die Lust auf das Verreisen als auf einen Kino­be­such geweckt.

Dieses Jahr soll es einen Neuanfang geben. Mit City und Cadillac sind zwei weitere Kinos dazu gestoßen. Es soll u.a. »thema­ti­sche Reihen mit selten gesehenen Filmen [und] Neustarts jenseits des Main­streams« geben. Und als Neuerung können die (pote­ti­ellen) Zuschauer noch bis Sonntag im Internet über Ihren Wunsch­film abstimmen. Die belieb­testen fünf werden dann im August gezeigt.

Noch ist es für endgül­tige Aussagen zu früh. Das gesamte Programm erscheint erst im Juli, aber die 15 Vorschläge für den Wunsch­film sind alles andere als viel­ver­spre­chend. Bis auf Außer Atem von Godard sind ausschließ­lich Kassen­schlager des letzten Jahres nominiert, die mona­te­lang im Kino liefen oder noch immer laufen. Für diese Filme braucht man wirklich keine Film­kunst­wo­chen. Wer als regel­mäßiger Kino­gänger die vorge­schla­genen Filme noch nicht gesehen hat, will das auch im August nicht nachholen.
Vom Film­ver­stand oder Einfalls­reichtum der Kino­ma­cher zeugt diese Film­aus­wahl also nicht. Vielmehr ist wie im Vorjahr ein risi­ko­loses und lang­wei­liges Programm gesichert. Wozu dann überhaupt eine Publi­kums­be­fra­gung?

Ich kann ja verstehen, dass die Kino­be­treiber einige allseits bekannte Filme ins Programm setzen wollen, um die Aufmerk­sam­keit zu steigern und ein paar Leute in die Säle zu locken, die im Rest des Jahres zuhause bleiben. Aber dafür braucht man wirklich keine Publi­kums­be­fra­gung.
Dabei böte sich das Instru­ment der Publi­kums­be­fra­gung für andere Filme durchaus an, etwa Film­klas­siker oder die Art-House-Hits von vor vier, fünf Jahren. Da gäbe es unzählige schöne Filme, viel mehr als ins Programm passen. Warum hier nicht die Endaus­wahl den Zuschauern über­lassen? Besonders sinnvoll wäre eine Zuschau­er­wahl aber für die vielen guten Filme, die im vergan­genen Jahr ganz schnell wieder aus den Kinos verschwunden sind, weil die Mund­pro­pa­ganda zu spät einsetzte. Einige von ihnen hätten – unter­stützt durch die Werbung „Gewinner der Publi­kums­be­fra­gung“ – eine zweite Chance verdient.

Bleibt zu hoffen, dass abseits der Publi­kums­be­fra­gung, etwa in den »Thema­ti­schen Reihen«, doch noch ein paar sehens­werte Filme ihren Weg in das Programm der Film­kunst­wo­chen finden. Oder dass das Wetter noch merkt, dass Sommer ist. Damit man auch ohne Neopren­anzug in die Open-Air-Kinos gehen kann, oder viel­leicht gar in die Berge...

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PS: Am Mittwoch läuft Ice Age 3 an. Ist das aktuelle Wetter nur Teil einer gigan­ti­schen Marketing-Kampagne?