22.01.2009

Blickwechsel

Alles für meinen Vater
Palästina, Israel – versöhnt für zwei Tage:
Tarek und Keren erkunden Tel Aviv
(Foto: Studiocanal)

Israelisch-palästinensische Filmwoche in München

Von Dunja Bialas

Es ist Krieg in Gaza – momentan Waffen­ruhe – , wochen­lang gab es tägliche Berichte über Bomben­ein­schläge in Israel, dann im Gaza­streifen. Mehr als 1000 Menschen, zivile Menschen, sind gestorben in den zwei Wochen des inten­siven Bombar­de­ments gegen die Hamas. Immer wieder geht die Bombe eines isla­mis­ti­schen Selbst­mord­at­ten­tä­ters in Israel hoch. Wie lebt es sich unter der ständigen Drohung von Kriegs­ag­gres­sion und Terror­an­schlag? Abseits der poli­ti­schen Schlich­tungs­be­mühungen oder Scharf­ma­cher­pa­rolen: Was machen die Einwohner der umkämpften Gebiete, um zu überleben? Gibt es Wider­stand gegen den Konflikt, oder sind beide Seiten schon so infil­triert von der Feind­schaft, dass auch für sie ein Leben mitein­ander nicht mehr statt­finden kann?

Genau um dieses alltäg­liche Leben inmitten des Konflikts zwischen Israel und Palästina geht es vom kommenden Samstag an in München. Die zweite Filmwoche Palästina / Israel, die vom 24. bis 31. Januar im Münchner Gasteig statt­findet, lädt ein zum »Blick­wechsel«. Mit zehn abend­fül­lenden Filmen spannt sich für den Besucher ein weites Panorama auf, das den Blick auf beide Seiten des Konflikts freigibt. Spannend ist dabei, das hier Filme gezeigt werden, in denen die Film­schaf­fenden das Augenmerk auf den jeweils Anderen legen, die Paläs­ti­nenser auf die Israelis, die Israelis auf die Paläs­ti­nenser.

Es geht um das alltäg­liche Leben der Bevöl­ke­rung, um die Paläs­ti­nenser in der Westbank, in Ost-Jerusalem und im Gaza-Streifen, auch um die Tür-zu-Tür-Nach­bar­schaft der Araber mit den Israelis in Israel. »Die Luft über Jerusalem ist voller Gebete und Träume«, schickt Mohammed al-Atar seinem Doku­men­tar­film Jerusalem – The East Side Story voraus. Warum gibt es dieses Bestreben der israe­li­schen Politik, die christ­li­chen und musli­mi­schen Einwohner von Jerusalem abzu­drängen und eine »jüdische bevöl­ke­rungs­sta­tis­ti­sche Über­le­gen­heit« herbei­zu­führen? Al-Atar spannt die Geschichte der Stadt auf, befragt Wissen­schaftler und Intel­lek­tu­elle. Und kommt zur Erkenntnis: Jerusalem ist der Schlüssel zum Frieden.
Ein Selbst­mord­at­ten­täter ist der Prot­ago­nist in dem Spiel­film­debüt Alles für meinen Vater des Israelis Dror Zahavi. Tarek, ein junger Paläs­ti­nenser plant ein Selbst­mord­at­tentat in Tel Aviv, um seinen Vater zu rächen. Die Selbst­zün­dung aber misslingt. In den folgenden Tagen taucht Tarek in die pulsie­rende Stadt ein, nimmt Kontakt auf zur israe­li­schen Bevöl­ke­rung, verliebt sich gar. Ein Hoff­nungs­schimmer, Versöh­nung? Der Film verschränkt wie der formen­strenge Day Night Day Night der russisch-ameri­ka­ni­schen Regis­seurin Julia Loktev, der vor kurzem im Kino zu sehen war, poli­ti­sche mit privater Geschichte, ist leicht­füßig erzählt, was das Hoff­nungs­volle unter­strei­chen mag.

Ein israe­li­scher Politiker zieht in die Westbank, und befiehlt die Abholzung von 50 Jahre alten Zitro­nen­bäumen, da sie ein Sicher­heits­ri­siko darstellen – schließ­lich bilden sie einen möglichen Unter­schlupf für Terro­risten und dies direkt vor der Haustür des israe­li­schen Vertei­di­gungs­min­siters. Der israe­li­sche Regisseur Eran Riklis erzählt in seinem Spielfilm Lemon Tree vom mühsamen Kampf der paläs­ti­nen­si­schen Bäuerin Selma, ihre Bäume zu retten – und mit ihnen die Wurzeln ihrer Familie.
In der aktuellen Bericht­erstat­tung über den Gaza-Israel-Krieg wurden die Bilder der zivilen Opfer in unsere Wohn­zimmer gesendet, wir sahen die trau­ernden Mütter, die toten Kinder. Diesem Blut­ver­gießen ein Ende bereiten wollen die Menschen im Doku­men­tar­film The Encounter Point. Zwei Jahre lang beglei­teten die israe­li­schen Filme­ma­che­rinnen Ronit Avni und Julia Bacha Menschen in Israel und Palästina, die aufstehen gegen den eska­lie­renden Konflikt. – Die coura­gierten Prot­ago­nisten der Filmwoche zeigen: Frieden ist möglich. Wenn nur der Blick auf den anderen geschieht.

Dunja Bialas

Alle Filme und Spiel­daten finden Sie im Kino­pro­gramm München!