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16.09.2004
 
 
       

Musik und Macht
Empfehlungen zu den Filmen DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU und RHYTHM IS IT!

 
 
Das wahre Leben - RHYTHM IS IT!
   
 
 
 
 

Gehen Sie in DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU. Da gibt es nichts, worüber man sich ärgern müsste, was Anstoß erregt: die Bösen sind böse, die Guten gut, in jedem Kind steckt ein anständiger Kern und der jubelnde Chor jugendlicher Kehlen erfüllt das Herz. Ein beherzter Lehrer weckt im Frankreich von 1949 den Lebensmut von Zöglingen eines Erziehungsheimes. Und die Welt wird besser. Machen Sie sich selbst eine Freude und schauen Sie sich diesen Film an.

Es sei denn, Sie suchen im Kino mehr als eine Ansammlung gefällig präsentierter Klischees. Und es reicht Ihnen nicht, wenn hundertmal gesehene Standardsituationen nun zum 101sten Mal präsentiert werden. Falls sie kein Freund von Filmen sind, die sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner ausruhen (Kinder brauchen Anerkennung, nicht ungerechte Strafen) statt Widersprüchlichkeiten zuzulassen, oder falls sie nicht begeisterte Anhängerin jedweder musikalischer Äußerung im Film sind - dann können Sie LES CHORISTES auch ausfallen lassen.

Um wie viel eindrucksvoller wird die Macht der Musik doch in der mitreißenden Dokumentation RHYTHM IS IT! dargestellt. Wie viel intelligenter zeigt dieser Film die Begeisterung, die die Mitarbeit an einem musikalischen Projekt hervorrufen kann! Auch da geht es um Kinder, die den Anforderungen des Lebens verunsichert gegenüber stehen. Aber da werden sie nicht als Vehikel für eine sentimentale Schnulze missbraucht, die auf dem Niveau eines Groschenromanes heruntergenudelt wurde.

Der Dokumentarfilm war bereits auf der Berlinale ein Erfolg, und das nicht nur, weil die Ereignisse in Berlin aufgenommen wurden. Die erste Spielzeit der Berliner Philharmoniker unter ihrem neuen Leiter, Sir Simon Rattle, beinhaltete unter anderem den Start eines bemerkenswerten Education-Projekts: 239 Berliner Kinder und Jugendliche aus 25 Nationen, aus den unterschiedlichsten Schultypen und sozialen Schichten erarbeiteten zusammen mit Rattle und den Philharmonikern ein Ballett zu Igor Strawinskys "Le sacre du printemps". Angeleitet wurden die jungen Tänzer, von denen kaum einer tänzerische Vorbildung hatte und nur wenige mit klassischer Musik in Berührung gekommen waren, vom in der Jugendarbeit erfahrenen Choreographen Royston Maldoom.

Die Filmemacher Thomas Grube und Enrique Sanchéz Lansch waren als stille Beobachter dabei. Die Probenarbeiten begleitend, erfährt man von der Arbeit, die hinter dem Projekt steckt, aber auch dem Ansporn, den Erfolgserlebnisse beim harten Tanztraining bedeuten. Drei Jugendliche im Fokus der Dokumentation sind auf unterschiedliche Weise gefordert, ihre Grenzen in Frage zu stellen. Strawinskys Musik, die den Tänzern zunächst fremd und sperrig scheint, wird zunehmend von Kraft und Emotion erfüllt. Wenn Simon Rattle, der Initiator, und Choreograph Maldoom schließlich über ihre eigene Jugend und den Stellenwert der Musik darin sprechen, scheint das ein Tor zu neuen Zukunftsperspektiven zu öffnen. Musik kann ein Weg zum Leben sein.

Im Grunde behauptet auch LES CHORISTES nichts anderes, nur gründlich weniger überzeugend. Nichts gegen die Schauspielleistung des hervorragenden Gérard Jugnot oder das sängerische Talent der Jungen. Aber dem Regisseur Barratier, der sich zuvor als Produzent der Naturdokumentationen MIKROKOSMOS und NOMADEN DER LÜFTE hervorgetan hat, fällt jenseits des ausgewalzten Hoffnungsschimmers, den ein verständnisvoller Aufseher in ein Heim schwer erziehbarer Jungen bringt, nicht viel interessantes zu erzählen ein. In diesem Remake des Films DER NACHTIGALLENKÄFIG / LA CAGE AUX ROSSIGNOLS von 1945 füllt er die 95 Minuten nur mit Platitüden. Aus dieser Leere stechen kleine humorvolle Szenen von den Rektor verspottenden Kindern und ähnlichem hervor, die genauso klischeehaft schnell abgehandelt werden wie das Melodram unglücklicher Verliebtheit - schwupp, ist es vorbei. Die malerischen Bilder sind da fast verschenkt.

Aber den meisten Leuten gefällte der Film ja, in Frankreich erreichte er Besucherrekorde. Offenbar sind die Zuschauer nur durch garantierte Anspruchslosigkeit für das Kino zu interessieren - und schön ist ja, dass sie überhaupt den Weg in die Filmtheater finden. Denn die können es sich dann auch leisten, Juwelen wie RHYTHM IS IT! zu zeigen. Meine Damen und Herren, bitte, gehen Sie in DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU ...

Svenja Alsmann

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