Das Fantasy Film Fest expandiert. Das ist die wichtige,
zentrale Feststellung dieser Zeilen. Der Ableger des Festivals
- Die Nacht der 1000 Schreie - weckt Begehrlichkeiten, keine
Frage: im Sommer wird es wieder so weit sein, lasst die Sonne
Sonne sein, im Dunklen werden sich die Augen blutig gesehen!
Koste es, was es wolle. Zum zweiten Male nun gastiert die
Nacht in sechs deutschen Städten, München und Stuttgart
wurden am 26. bzw. am 27. März mit insgesamt sechs Spielfilmen
beglückt. Die Aufteilung lag dabei auf der Hand, zu später
Stunde (22.30h) starteten die jeweils drei Streifen im FFF-Stammkino
Cinema.
Ein kurzes Wort zur Preispolitik: Nachdem im letzten Jahr
das Einzelticket für das FFF auf satte 8,50 € (in
München) geklettert war, konnte diesmal tiefer gestapelt
werden - 32 € für sechs Filme (d.h. 5,33 €
per Film) erscheinen angemessen und fair.
Anziehender Glanzpunkt des Programms war eindeutig DAWN OF
THE DEAD, das langerwartete Remake des Romero-Zombie Klassikers
von 1978. So ist es auch zu erklären, dass der Freitag
- auf die Zuseherzahlen bezogen - eher lau, der Samstag jedoch
voll bepackt war. Weiterhin war die Bedeutung der Untoten-Neuauflage
auch daran zu erkennen, dass der Festival-Chef persönlich
die Bühne nicht scheute und ein paar einleitende Worte
(u.a. "Stoppt die Raubkopie!") fand. Utmost charming!
Das Freitagsprogramm begann mit Jan Kounens BLUEBERRY, einem
- wie ihn das Programmheft beschreibt - "supernatural
western". Und tatsächlich ist dieser Begriff exzellent
gewählt, denn es erwartete den Zuseher eine TRAINSPOTTING-artige,
Öko-Variante eines Western, gespickt mit überlangen
CGI-Effekten, welche stark an FINAL FANTASY: THE SPIRITS WITHIN
erinnerten. Kounen, welcher mit DOBERMAN bewiesen hatte, dass
er zu kompromisslosen Bilder fähig ist, versammelte eine
erstaunliche Darstellerriege: Vincent Cassel als schuldbehafteter
Kleinstadt-Marshall und Indianersympathisant, und Michael
Madsen als skrupelloser Gunslinger, welcher eine Spur der
Verwüstung und des Leidens hinter sich herzieht, liefern
sich diverse psychische sowie physische Kämpfe - allein
das Konzept der Gesamtgeschichte geht dabei manchmal verloren.
Ein visuell interessanter Streifen mit Seelenabgründen
und Plotlöchern.
Der zweite Streifen des Abends war Tobe Hoopers THE TOOLBOX
MURDERS. Der in seinem Retro-Optik angelegtem Maniac-on-the-lose
Film bietet unterhaltsame 30 Minuten, welche sich in einen
20-minütigen, gelungenen Showdown, und in einzelne, graphisch-ansprechende
Mordszenen mit allerlei Handwerksgerät wie etwa Bolzenschneider
oder Bohrmaschine aufteilen. Dazwischen wird heiße Luft
bzw. okkulter Leerlauf geboten; zwar mögen gelegentliche
komödiantische Momente den Film um ein Wohnhaus aus den
40er-Jahren und dessen verschollenen Architekten für
Lacher sorgen, doch insgesamt ist das schlicht zu wenig, zudem
die Darsteller lediglich penetrantes Mittelmaß (doch
das immerhin konstant!) bieten.
Der Freitag fand seinen Abschluss mit A TALE OF TWO SISTERS,
einem fast zweistündigem Psychoschocker aus Südkorea,
welcher den Mikrokosmos "Familie" ins Visier nimmt.
Schauplatz ist dabei ein abgelegenes Landhaus. Es ist erstaunlich,
in wie vielen asiatischen Produktionen mittlerweile das Motiv
des blasen, kleinen Mädchens mit langem schwarzem Haar
im weißen Nachthemd für Grusel sorgt. Egal ob in
THE RING, THE EYE oder THE PHONE, stets kündigen diese
Gestalten einen bevorstehenden Adrenalin-Ausstoß an.
A TALE OF TWO SISTERS bietet neben zahlreichen Schockmomenten
inklusive einer an SILENT HILL erinnernden Score aber auch
zahlreiche, rührselige Momente. Hätte der Regisseur
KIM Jee-woon der Versuchung widerstanden, gegen Ende des Films
zahlreiche Erklärungen der Handlung in selbigen zu packen,
hätte dies dem Horrordrama um Eifersucht, Verlustängste
und Geisteskrankheit wahrscheinlich den entscheidenden Feinschliff
verpasst.
Anschließend entließ das CINEMA den Zuseher in
den Samstag Morgen, in Vorfreude auf den nächsten Abend,
welcher auch sofort seinen Joker ausspielte: DAWN OF THE DEAD
von Zack Snyder hatte bereits in den USA erfolgreich Mel Gibsons
"S/M-Gewaltporno" (DIE ZEIT) in Sachen Zuschauergunst
überholt und sollte nun seinen 95-minütigen Charme
auch in unseren Gefilden entfalten. Und genau das tat der
Streifen - eine zeitgemäße Adaption des Romero-Stoffes.
Tipp des Tages diesmal: beginnen die Endcredits, sitzen bleiben!
Ob des Zombiestreifens befriedigte Zuseher erwartete im Anschluss
eine weitere südkoreanische Produktion namens NATURAL
CITY, welche 114 Minuten benötigt, um eine klischee-beladene
Variante des BLADE RUNNER zu liefern. Unendliche Längen
und unnötig aufgebohrte CGI-Effekte später wird
eines klar: Der im Programmheft angekündigte "Sciene-Fiction-Thriller"
ist die eigentliche Enttäuschung des Kurzfestivals. Die
photographierte Action beschränkt sich auf hektische
Schiessereien und ein paar Martial Arts-Einlagen. Fazit: Weder
Darsteller noch Plot können überzeugen, Screen Saver
Sci-Fi der Güteklasse 1a.
Zu fortgeschrittener Stunde dann ein Argento, der alle Befürchtungen
wahr werden ließ. Der Italiener inszenierte einen völlig
absurden Giallo-Thriller namens THE CARD PLAYER, welcher aufgrund
seiner unfreiwilligen Komik den Saal nicht selten befreit
und herzlich auflachen ließ. Thema des Films: Ein Serienkiller
fordert die Polizei in Rom zu einem Spiel auf Leben und Tod
heraus. In Online-Pokerrunden ist der Einsatz hoch. Verliert
die Polizei, kann über WebCam live mitverfolgt werden,
wie der Card Player seine Geisel (genretypisch: attraktive,
junge Frauen) bestialisch ermordet. Jeder Versuch, diesen
Film als ernsthaft oder -gemeint zu deuten muss fehlschlagen:
Dario Argento offenbart sich als dramaturgischer sowie inszenatorischer
Stümper, dessen Budget scheinbar gänzlich für
die ansehnlichen Full Body Replika der Mordopfer verscheuert
wurde. Der nervende Heavy-Metal-Soundtrack aus PHENOMENA wurde
kurzerhand eiskalt durch dreist-dumpfe House Beats ersetzt.
Weder die angekündigten, jedoch nicht umgesetzten "bahnbrechenden
Kamerafahrten" (welche seine frühen Werke wie etwa
ROSSO oder HORROR INFERNAL tatsächlich auszeichneten),
noch ein halbwegs solide spielender Liam Cunningham können
in diesem zusammengeschusterten Schultheatergruppen-Opus etwas
ausrichten - wenigstens erspart er uns diesmal das familieninterne
"Ausnahmetalent" Asia. Umstellung auf Sommerzeit.
Rudolf Inderst
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