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01.04.2004
 
 
     

Die Nacht der 1000 Schreie #2
Eine Bestandsaufnahme

 
     
 
 
 
 

Das Fantasy Film Fest expandiert. Das ist die wichtige, zentrale Feststellung dieser Zeilen. Der Ableger des Festivals - Die Nacht der 1000 Schreie - weckt Begehrlichkeiten, keine Frage: im Sommer wird es wieder so weit sein, lasst die Sonne Sonne sein, im Dunklen werden sich die Augen blutig gesehen! Koste es, was es wolle. Zum zweiten Male nun gastiert die Nacht in sechs deutschen Städten, München und Stuttgart wurden am 26. bzw. am 27. März mit insgesamt sechs Spielfilmen beglückt. Die Aufteilung lag dabei auf der Hand, zu später Stunde (22.30h) starteten die jeweils drei Streifen im FFF-Stammkino Cinema.

Ein kurzes Wort zur Preispolitik: Nachdem im letzten Jahr das Einzelticket für das FFF auf satte 8,50 € (in München) geklettert war, konnte diesmal tiefer gestapelt werden - 32 € für sechs Filme (d.h. 5,33 € per Film) erscheinen angemessen und fair.

Anziehender Glanzpunkt des Programms war eindeutig DAWN OF THE DEAD, das langerwartete Remake des Romero-Zombie Klassikers von 1978. So ist es auch zu erklären, dass der Freitag - auf die Zuseherzahlen bezogen - eher lau, der Samstag jedoch voll bepackt war. Weiterhin war die Bedeutung der Untoten-Neuauflage auch daran zu erkennen, dass der Festival-Chef persönlich die Bühne nicht scheute und ein paar einleitende Worte (u.a. "Stoppt die Raubkopie!") fand. Utmost charming!

Das Freitagsprogramm begann mit Jan Kounens BLUEBERRY, einem - wie ihn das Programmheft beschreibt - "supernatural western". Und tatsächlich ist dieser Begriff exzellent gewählt, denn es erwartete den Zuseher eine TRAINSPOTTING-artige, Öko-Variante eines Western, gespickt mit überlangen CGI-Effekten, welche stark an FINAL FANTASY: THE SPIRITS WITHIN erinnerten. Kounen, welcher mit DOBERMAN bewiesen hatte, dass er zu kompromisslosen Bilder fähig ist, versammelte eine erstaunliche Darstellerriege: Vincent Cassel als schuldbehafteter Kleinstadt-Marshall und Indianersympathisant, und Michael Madsen als skrupelloser Gunslinger, welcher eine Spur der Verwüstung und des Leidens hinter sich herzieht, liefern sich diverse psychische sowie physische Kämpfe - allein das Konzept der Gesamtgeschichte geht dabei manchmal verloren. Ein visuell interessanter Streifen mit Seelenabgründen und Plotlöchern.

Der zweite Streifen des Abends war Tobe Hoopers THE TOOLBOX MURDERS. Der in seinem Retro-Optik angelegtem Maniac-on-the-lose Film bietet unterhaltsame 30 Minuten, welche sich in einen 20-minütigen, gelungenen Showdown, und in einzelne, graphisch-ansprechende Mordszenen mit allerlei Handwerksgerät wie etwa Bolzenschneider oder Bohrmaschine aufteilen. Dazwischen wird heiße Luft bzw. okkulter Leerlauf geboten; zwar mögen gelegentliche komödiantische Momente den Film um ein Wohnhaus aus den 40er-Jahren und dessen verschollenen Architekten für Lacher sorgen, doch insgesamt ist das schlicht zu wenig, zudem die Darsteller lediglich penetrantes Mittelmaß (doch das immerhin konstant!) bieten.

Der Freitag fand seinen Abschluss mit A TALE OF TWO SISTERS, einem fast zweistündigem Psychoschocker aus Südkorea, welcher den Mikrokosmos "Familie" ins Visier nimmt. Schauplatz ist dabei ein abgelegenes Landhaus. Es ist erstaunlich, in wie vielen asiatischen Produktionen mittlerweile das Motiv des blasen, kleinen Mädchens mit langem schwarzem Haar im weißen Nachthemd für Grusel sorgt. Egal ob in THE RING, THE EYE oder THE PHONE, stets kündigen diese Gestalten einen bevorstehenden Adrenalin-Ausstoß an. A TALE OF TWO SISTERS bietet neben zahlreichen Schockmomenten inklusive einer an SILENT HILL erinnernden Score aber auch zahlreiche, rührselige Momente. Hätte der Regisseur KIM Jee-woon der Versuchung widerstanden, gegen Ende des Films zahlreiche Erklärungen der Handlung in selbigen zu packen, hätte dies dem Horrordrama um Eifersucht, Verlustängste und Geisteskrankheit wahrscheinlich den entscheidenden Feinschliff verpasst.

Anschließend entließ das CINEMA den Zuseher in den Samstag Morgen, in Vorfreude auf den nächsten Abend, welcher auch sofort seinen Joker ausspielte: DAWN OF THE DEAD von Zack Snyder hatte bereits in den USA erfolgreich Mel Gibsons "S/M-Gewaltporno" (DIE ZEIT) in Sachen Zuschauergunst überholt und sollte nun seinen 95-minütigen Charme auch in unseren Gefilden entfalten. Und genau das tat der Streifen - eine zeitgemäße Adaption des Romero-Stoffes. Tipp des Tages diesmal: beginnen die Endcredits, sitzen bleiben!

Ob des Zombiestreifens befriedigte Zuseher erwartete im Anschluss eine weitere südkoreanische Produktion namens NATURAL CITY, welche 114 Minuten benötigt, um eine klischee-beladene Variante des BLADE RUNNER zu liefern. Unendliche Längen und unnötig aufgebohrte CGI-Effekte später wird eines klar: Der im Programmheft angekündigte "Sciene-Fiction-Thriller" ist die eigentliche Enttäuschung des Kurzfestivals. Die photographierte Action beschränkt sich auf hektische Schiessereien und ein paar Martial Arts-Einlagen. Fazit: Weder Darsteller noch Plot können überzeugen, Screen Saver Sci-Fi der Güteklasse 1a.

Zu fortgeschrittener Stunde dann ein Argento, der alle Befürchtungen wahr werden ließ. Der Italiener inszenierte einen völlig absurden Giallo-Thriller namens THE CARD PLAYER, welcher aufgrund seiner unfreiwilligen Komik den Saal nicht selten befreit und herzlich auflachen ließ. Thema des Films: Ein Serienkiller fordert die Polizei in Rom zu einem Spiel auf Leben und Tod heraus. In Online-Pokerrunden ist der Einsatz hoch. Verliert die Polizei, kann über WebCam live mitverfolgt werden, wie der Card Player seine Geisel (genretypisch: attraktive, junge Frauen) bestialisch ermordet. Jeder Versuch, diesen Film als ernsthaft oder -gemeint zu deuten muss fehlschlagen: Dario Argento offenbart sich als dramaturgischer sowie inszenatorischer Stümper, dessen Budget scheinbar gänzlich für die ansehnlichen Full Body Replika der Mordopfer verscheuert wurde. Der nervende Heavy-Metal-Soundtrack aus PHENOMENA wurde kurzerhand eiskalt durch dreist-dumpfe House Beats ersetzt. Weder die angekündigten, jedoch nicht umgesetzten "bahnbrechenden Kamerafahrten" (welche seine frühen Werke wie etwa ROSSO oder HORROR INFERNAL tatsächlich auszeichneten), noch ein halbwegs solide spielender Liam Cunningham können in diesem zusammengeschusterten Schultheatergruppen-Opus etwas ausrichten - wenigstens erspart er uns diesmal das familieninterne "Ausnahmetalent" Asia. Umstellung auf Sommerzeit.

Rudolf Inderst

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