...falls Sie es letzte Woche noch nicht oder erst einmal
getan haben sollten: EINE
WAHRE GESCHICHTE - THE STRAIGHT STORY gucken!
Weil abzusehen ist, dass diese Woche mal wieder das vom
Studiobuchhalter durchkalkulierte Mainstream-Kino in Gestalt von
THE WORLD IS NOT ENOUGH flächendeckend über die Lichtspielhäuser
hinwegrollt und dabei alles Abseitigere in seinem Weg plätten wird,
als Empfehlung ein echtes Alternativprogramm: (Damit wir uns
übrigens nicht falsch verstehen: Gar nichts gegen Mainstream-Kino
und auch überhaupt nichts gegen James Bond. Aber sehr viel gegen a)
das allzu glatt Kalkulierte und b) dessen Tendenz, sich als einzig
wahre Form des Kinos zu gebärden und dabei alles Andersartige ins
Abseits zu drängen. Und warum uns THE WORLD IS NOT ENOUGH im
speziellen mißfällt, können Sie in unserer Kritik nachlesen.)
Das ganze Wochenende hindurch gibt's im Filmmuseum GANZ andere
Formen des Films zu bestaunen. Geht's in den meisten Diskussionen
zum Thema off & in the mainstream doch eher um die Frage,
welche Geschichten man im Kino erzählen sollte, wird hier an noch
Grundsätzlicherem gerührt. Wer sagt denn nämlich überhaupt, dass
Film unbedingt dazu gedacht sein muss, Geschichten zu erzählen.
Dass man mit dem Medium noch ganz andere Sachen machen kann, und
zwar besonders, wenn man sich erstmal mit seinen (physischen)
Grundvoraussetzungen beschäftigt, zeigen drei vollgepackte
Programme, in denen abstrakte, dadaistische und surreale Kurzfilme
zu sehen sind; Filme der "Fluxus"-Bewegung, Flicker-Filme, Filme,
die "Zeit/Raum/Form" (so der Titel der kleinen Reihe) zum Thema
haben.Am leichtesten verdaulich wird das unbedingt zu empfehlende
Surrealismus-Programm am Sonntag sein, weil da wenigstens Reste von
Erzählstrukturen vorliegen und die Sache auch oft mit einem Gutteil
spielerischem Spaß-an-der-Freud angepackt werden. Je zwei Stunden
Fluxus und Abstraktion/Flicker am Stück könnten sich als etwas
anstrengend erweisen - diese Streifen sind eher nicht dazu gedacht,
sie in solchen Mengen und so dicht am Stück zu schauen.
Andererseits: Dann hat man das auch gleich alles mal gesehen und en
bloc abgehakt und kann's als erledigt betrachten, nicht
wahr???Nicht uninteressant übrigens auch das Programm um diesen
Kern-Block herum: Vor allem die Chance, René Clairs PARIS QUI DORT sollte
man auf jeden Fall wahrnehmen. (Die Science fiction-artige Story
vom Wissenschaftler, der ganz Paris mit einem Zeit-Anhalte-Strahl
lahmlegt dient als Folie für ein lustvolles Experimentieren mit den
Möglichkeiten der Kamera.) Und wer den großartigen YELLOW SUBMARINE bei
seiner jüngsten (in München mit einer kläglichen Handvoll
Vorstellungen kaum wahrzunehmenden) Wiederaufführung verpasst hat,
sollte dies nun nicht noch einmal tun. Ein Muss für Beatles-Fans
sowieso, aber auch für alle Fans von Animationsfilmen (und da ein
dringend nötiges Gegengewicht zum dominierenden, geschleckten
Disney-Stil), absurden Komödien oder verdammt guten Trips.
(FILMMUSEUM: "Zeit 1: Zeit/Raum/Form"; Fr.-So. 18:00, 20:30;
Fr./Sa. auch 23:00)
So, "gar nichts gegen Mainstream-Kino" hatten wir oben gesagt und
beweisen's hier unten: Viel mainstreamiger als IT'S A WONDERFUL LIFE
wird's nicht mehr - der Film ist eine amerikanische Institution.
Was bei uns DINNER FOR ONE zu Silvester, ist IT'S A WONDERFUL LIFE
in Amerika zu Weihnachten. Wie da ein Engel den zum Selbstmord
entschlossenen James Stewart wieder zur hüpfenden Lebensbejahung
bringt, das ist zutiefst optimistisch, affirmativ, sentimental,
amerikanisch - und zum Heulen wunder-, wunderSCHÖN! Auch wenn
der Film hier zehn Tage zu früh läuft: Den mal wieder im Kino sehen
zu können, das ist eine absolute Pflichtveranstaltung. Daran führt
einfach kein Weg vorbei. No sirree, no way, nohow. Tut's einfach
nicht, tut's nicht, tut es überhaupt nicht, TUT ES NICHT! Brauchen
Sie gar nicht versuchen. Ist halt so. Und wehe, es wagt jemand,
ohne eine Packung Taschentücher anzurücken oder von selbigen nicht
ordentlich Gebrauch zu machen!
(IT'S A WONDERFUL LIFE (OF): Filmmuseum, Di./Mi. 21:15)
Man kann sich streiten um Mainstream und Neben dem Mainstream -
oder man kann's machen wie der Herr Oehmann, der sein eigener
Mainstream ist. Das ist auch einfach so, und da führt auch kein Weg
dran vorbei. Genau wie an seinen ehernen Worten der Weisung:
"Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die Artechock-Redaktion
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