Eine Woche zum Durchatmen. Nach dem vielen, wunderbaren Welles
und vor den vielen, wunderbaren Hongkong-Filmen, die uns in der
zweiten Monatshälfte bevorstehen, sind nun erst einmal ein paar
Tage ohne Pflichttermine angesagt. Was freilich nicht heißen
soll, daß uns die schönen Filme ausgehen würden. Läuft doch
diese Woche beispielsweise die wunderbar böse, gnaden-, schonungs-
und erbarmungslose "Mockumentary" (dh. eine Satire in Form einer
vorgeblichen Dokumentation) DROP DEAD GORGEOUS.
Und gibt's doch die Bernhard Wicki-Retro im Filmmuseum. Wo diese
Woche weniger die Sachen interessieren, bei denen Wicki (allein)
Regie geführt hat. THE
LONGEST DAY gibt's da, fettes, knalliges Star- und
Breitwandkino über die Landung der Alliierten - Bernhard Wicki war
als einer von insgesamt drei Regisseuren für die deutschen und
französischen Szenen verantwortlich. Und Wicki als Schauspieler: In
Antonionis LA NOTTE und
Käutners DIE LETZTE
BRÜCKE. (Filmmuseum: THE LONGEST DAY (OmU), Do. 19:00;
LA NOTTE (OmU), Fr./Sa. 20:30; DIE LETZTE BRÜCKE, Mi.
19:00)
Drei andere Programme stehen im selben Kino am Sonntag und Montag
an, wo wir jetzt so nicht sagen können, ob's da auch schöne Filme
zu sehen gibt. Aber interessant dürfte es allemal werden. Unter der
(vermuten wir jetzt einfach mal) sachkundigen Führung von Enno
Patalas gibt's da einen Blick auf "Stalins Retuschen", passend zur
gleichnamigen Ausstellung. Und weil ja angesichts digitaler Bild-
und Filmbearbeitungsmethoden derzeit öfter mal wieder gern drüber
diskutiert wird, ob und wie denn neuerdings die Bilder angefangen
haben zu lügen, schadet's bestimmt nicht, wenn man sich mal wieder
konkreter vor Augen führt, daß sie letzlich noch nie was anderes
getan haben.
(Filmmuseum: "Stalins Retuschen", So. 18:00, 20:30, Mo.
19:00)
Ansonsten eher eine Woche zum Wiedersehen und Nachholen. Für alle
beispielsweise, die's am Montag versäumt haben (nein, nein, wir
bestreiten ganz vehement, daß wir damit uns selbst meinen - nie und
nimmer, ähem!), gibt's nochmal eine Chance, den Director's Cut von
Donald Cammells WILD
SIDE zu gucken. Jetzt halt ohne Einführung von Cutter und
Alt-Beatnik Frank Mazzola, aber es soll sich - haben wir uns von
glaubhafter Quelle versichern lassen - auch so durchaus lohnen,
weil's nun wohl ein richtig schön durchgeknallter Film ist.
Oder Jim Jarmuschs großartiges Lied vom Tod DEAD MAN würde mal
wieder locken. Wo wir jetzt die Stichworte "morbide",
"Post-Western" ("Post" wie in "Postmoderne", nicht "Bundespost"),
"Neil Young", "schwarz-weiß", "Roadmovie ins Jenseits" u.ä. fallen
lassen sollten. Aber wahrscheinlich wissen Sie das sowieso schon
alles, und wenn nicht, dann sollte es allen wahren FilmfreundInnen
zu peinlich sein, das zuzugeben und das baldige Nachholen ohnehin
ziemlich oben an der Tagesordnung stehen.
Tja, und dann gibt's GLEN
OR GLENDA im Werkstattkino. Über den wir uns andernorts
bereits ausführlicher geäußert haben, der aber auch hier einfach
nochmal ganz warm all jenen ans Herz gelegt sei, die im Kino
noch anderes suchen als großbudgetierte technische Perfektion.
(WILD SIDE:
Filmmuseum, Fr./Sa. 23:00; DEAD MAN (OmU): Lupe 2, Do.-So. 22:15;
GLEN OR GLENDA: Werkstattkino, Fr.-Mo. 23:00)
Weil's doch eine eher entspannte Woche ist diesmal, bliebe
vielleicht auch endlich Zeit für eine kleine, neugierige
Entdeckungsreise, die wir uns schon lange einmal vorgenommen haben.
Seit geraumer Zeit präsentiert das Neue Rottmann immer wieder Neues
aus dem größten Filmland der Welt - einem Land, von dem aber selbst
hartgesottene Cineasten bei uns meist keinen blassen Kino-Schimmer
haben: In Indien werden Jahr für Jahr mehr Filme produziert als
sonstwo auf dem Globus, es gibt eine ungemein florierende
Populär-Kino-Kultur mit Stars und Hit-Soundtracks und allem was
dazugehört, und von den Besucherzahlen und dem Ausmaß des Fan-Kults
kann selbst Hollywood nur träumen. "Bollywood" (wie das Herzen von
Indiens Film-Produktion genannt wird) aber exportiert seine Ware
kaum, und die hiesigen Freunde des Kunst-Kinos sehen hochnäsig über
sie hinweg, denn denen ist sie viel zu kommerziell orientiert.
Mehr als genug Grund zur Neugier also, und weil wir dem Neuen und
Anderen doch stets sehr zugeneigt sind (und Musicals lieben),
werden wir voraussichtlich am Mittwoch einfach in Kauf nehmen, kein
Wort der Dialoge zu verstehen (der Film läuft auf Hindi ohne
Untertitel), und uns hineinwagen in HUM SAATH-SAATH HAIN, um
wenigstens mal einen Eindruck davon zu haben, wie aktuelle
Großproduktionen (der Film läuft auch in seinem Heimatland erst
diesen Freitag an!) für den noch nicht gänzlich
Hollywood-kolonialisierten Teil der Menschheit aussehen. Vielleicht
haben Sie ja Lust, uns bei dieser Expedition zu begleiten.
(HUM SAATH-SAATH HAIN (OF): Neues Rottmann, Mi. 13:45,
19:15)
Wenn Sie aber doch lieber zum Bewährten greifen - auch damit
können wir freundlichst dienen. Ach was, Sie ahnen's schon? Nun
gut, dann machen wir's - nach den Exzessen der letzten Wochen -
heute mal kurz. (Dachten wir. Aber nein. Der Herr Herrmann
besteht drauf - auch wenn's schon spät am Abend ist und überhaupt:
Wir sollen unbedingt noch drauf hinweisen, daß der Herr Oehmann
diesmal auch noch KUBANISCH
RAUCHEN empfiehlt. Was hiermit dann wohl als geschehen
betrachtet werden darf. Hätten wir's aber kurz gemacht, dann
wär' es jetzt weiter gegangen mit:) Herr Oehmann steht bereit,
auch seine Tips noch anzubringen. Und die sind: "Samstags
Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die Artechock-Redaktion
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