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14.10.1999
 
 
   
 

Lokalkolorit

 
Absolute Giganten
     
 
 
 
 

Die Frage, was den deutschen Film zum einen erfolgreicher und zum anderen interessanter machen könnte, liefert seit Jahren Arbeit für unzählige Symposien, Workshops und Tagungen und sichert zudem das Auskommen notleidender Medienpolitikern und Fördergremien.

Was den finanziellen Erfolg der Filme betrifft, so gibt es ehrlich betrachtet wohl nur die schlichte Erkenntnis, dass es keine Patenrezepte gibt. Das Scheitern von kopierten Erfolgsrezepten beweist das immer wieder.
Um die Qualität des deutschen Films zu Erhöhen, gibt es dagegen diverse Ansätze, wobei der verstärkte Einsatz von Lokalkolorit im Kino zu den einfacheren gehört.

Zunehmend sehen deutsche Filme so aus, als ob sie in einer normierten Mustergroßstadt gedreht worden wären. In dieser Musterstadt gibt es die "Infrastruktur" (Szenelokale für den sozialen Umgang, Werbeagenturen zum arbeiten und großflächige Appartements zum wohnen) die man scheinbar benötigt, um Til Schweiger und Katja Riemann artgerecht zu halten. Geschäftsmänner nennen diese Tilgung von regionalen Eigenheiten "für den internationalen Markt produzieren".
Nun ist es schon tragisch genug, dass in solchen Filmen München genau so aussieht wie Hamburg oder Berlin wie Hannover, doch ist es immer noch dem Wunsch einiger Regisseure nach einer amerikanischen Stadtästhetik vorzuziehen.
Die Crux an dieser US-Standardcity (zu sehen etwa letztens im Fernsehen bei dem unsäglichen BANDITS) ist jedoch die, dass man hier einem Phantom nachjagt. Es gibt nicht DIE amerikanische Stadt.

Die besseren amerikanischen Filmemacher wissen einfach, dass jeder der möglichen Drehorte in den USA eine eigene Stimmung besitzt, die einem, geschickt eingesetzt, viel Arbeit ersparen kann. Las Vegas ist der perfekte Hintergrund für LEAVING LAS VEGAS oder FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS während FARGO untrennbar mit Minneapolis verbunden ist, THE BIG EASY für New Orleans steht und die Stadt New York nicht nur ethnisch sondern auch filmisch in viele Teile zerfällt; siehe MANHATTEN, HARLEM NIGHTS, IN DEN STRASSEN DER BRONX, LITTEL ODESSA usw. usf.
Wie verschieden mit diesen örtlichen Begebenheiten dabei umgegangen wird, zeigt sich an drei aktuellen Filmen. Während in der Retro-Teenagerkomödie DETROIT ROCK CITY die legendäre Autostadt nur als Sinnbild für das pralle Leben dient, befasst sich L.A. WITHOUT A MAP sehr genau mit den Eigenheiten der Stadt und ihrer Bewohner und läßt kein gutes Haar daran. NOTTING HILL schließlich beißt sich wie ein Vampir an dem gleichnamigen Londoner Stadtteil fest und saugt aus ihm den Charme und die Ausstrahlung, die seiner blutleeren Geschichte fehlt.

In Deutschland bemerkt man langsam wieder, welche Möglichkeiten hinter dem Lokalkolorit einer Stadt oder einer Gegend stecken können. DIE MUSTERKNABEN profitierten von Köln deshalb ebenso wie die rennende Lola von Berlin oder die Helden aus BANG BOOM BANG vom Dortmunder Umland oder die aktuell im Kino zu sehenden ABSOLUTEN GIGANTEN von Hamburg.
Es wird sich zeigen, ob sich dieser Trend fortsetzt, oder ob es den Regisseuren dieser Filme so gehen wird wie Detlev Buck, der mit WIR KÖNNEN AUCH ANDERS noch Einblicke in das unbekannte Deutschland lieferte, mit MÄNNERPENSION sich schon einer fiktiven Stadt annäherte und mit LIEBE DEINE NÄCHSTE in einer belanglosen Fantasiewelt angelangt ist.
Ähnlich erging es Helmut Dietl, dessen ROSSINI noch wunderbar vom Münchner Schickimicki zehrte während sein LATE SHOW im atmosphärischen Nirgendwo spielt.

Bleibt die Frage, woher dieser Hang vieler deutscher Regisseure zur geographischen Nivellierung kommt. Vielleicht liegt es am ohnehin gestörten Verhältnis der Deutschen zu ihrer Heimat oder an der lächerlichen Vorstellung, einen internationalen Film durch Ausschluß aller regionalen Eigenheiten erschaffen zu können. Möglicherweise ist das filmische Durchschnittsdeutschland auch die Folge einer absurden Förderpolitik, die Filmemacher zu einem sogenannten Fördertourismus mit all seinen Nachteilen zwingt.

Wie wichtig Lokalkolorit sein kann, zeigt schlußendlich auch ein Blick ins Fernsehen. Während die Öffentlich Rechtlichen durch die verschiedenen Rundfunkanstalten zur Vielfalt beinahe gezwungen sind, überziehen die privaten Sender ihre Eigenproduktionen mit einer gleichmacherischen Soße, die in den STRASSEN VON BERLIN die gleiche Stimmung aufkommen läßt wie beim BERGDOKTOR. Dann doch lieber (wie letztens zu sehen) die Münchener TATORT - Kommissare im Glockenbachviertel.

Michael Haberlander

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