Eine Männerprojektion: Eine Frau, die kumpelhaft ist, ohne daß
dies ihrer Schönheit einen Abbruch tut. Die von Sex-Appeal
überströmt, und auf die dennoch Verlaß ist. Mit der man "Pferde
stehlen" kann, und die doch nie nach Schweiß riecht.
Lauren Bacall machte solche Träume wahr. Sie verströmte die
merkwürdig ambivalente Ausstrahlung einer Frau, die zupacken kann,
mit beiden Beinen auf der Erde steht - und trotzdem für die meisten
(Männer) unerreichbar bleiben. Ihre größte Macht waren ihre Augen,
ihr Blick - noch heute haftet ihr der Beinahme "The Look" an - und
ihr Mund. Niemand konnte den Zuschauern so gut durch die Leinwand
in die Augen schauen wie sie.
Als ein schon bekanntes Model aus Brooklyn kam sie mit kaum 18
Jahren nach Hollywood. 20 Jahre alt war sie, als Howard Hawks sie
1944 für HAVE AND HAVE NOT verpflichtete - an der Seite von
Humphrey Bogart, den sie ein Jahr später, 1945, heiratete. Mit ihm
drehte sie insgesamt 5 Filme, die zugleich ihre berühmtesten sind:
THE BIG SLEEP (1946), TWO GUYS FROM MILWAUKEE (1946), DARK PASSAGE
(1947) KEY LARGO (1948). Bis zu seinem Tod 1957 waren Bogart/Bacall
eines der berühmtesten Paare Hollywoods.
Zu dieser Zeit, den Jahren des Film Noir und der schwarzen,
existentialistischen Phase Hollywoods, zeigte Lauren Bacall uns,
daß eine Frau dann am schönsten sein kann, wenn sie einen Hauch
Männlichkeit verströmt: dunkle Stimme, karierte Kostüme,
cool-knappe Sprüche machten sie einmalig - in einer Zeit, in der
sie - eher knabenhaft, mit weiten Hosenanzügen, Zigarette zwischen
den vollen Lippen - immerhin mit "Vollblutfrauen" wie Ava Gardner,
Veronica Lake und Rita Hayworth wetteifern mußte. Mit ihren
frühen Filmen - und nicht nur wegen Bogart - wurde die Bacall zur
Ikone. Sie verkörperte ein Frauenbild, das emanzipiert und
selbstständig, patent und unendlich verständnisvoll gegenüber den
Schwächen des Mannes ist. Ein wenig mütterlich. Auch fordernd?
Ja, schon, aber was sie fordert, scheint in erster Linie Sicherheit
- obwohl sie nie Zweifel läßt, sich wenn nötig immer noch selbst
helfen zu können. Nur will sie's nicht müssen. Sexuelle Interessen
bekundet dieser Frauentyp offen, aber nie besonders emotional - um
Liebe geht es, wenn überhaupt, nur unausgesprochen. Und wie
sie fordert, das signalisiert dem Mann (nicht allen, aber DEM
männlichen Helden) keine echte Gefahr - sie ist bereit, verfügbar,
aber passiv. Bedrohlich wird sie nur, wo sie sich verraten
fühlt.
Das funktioniert nicht auf ewig. Schon in den 50ern, als
Hausmütter wie Doris Day und Sexbomben a la Monroe en vogue wurden,
man die Heiligen und die Huren wieder säuberlich auseinander hielt,
paßte die Bacall nicht mehr in die Zeit. Denn sie war immer Heilige
und Hure zugleich.
Eine Frau also aus einer anderen Zeit. Kaum zu glauben, daß sie
noch lebt. Kaum zu glauben, daß sie - am 16.September - schon 75
wird. Wir gratulieren von Herzen!
Rüdiger
Suchsland
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