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So kann's einem gehen: Da schaut man sich beim Münchner Filmfest
extra LIMBO nicht an,
weil der eh' einen deutschen Verleih hat, und guckt lieber einen
vermeintlich schwieriger wieder zu sehen zu bekommenden Film; da
verzichtet man auf die Pressevorführung, weil die nur in der
Synchronfassung ist - und dann steht man da und muß feststellen,
daß der sogenannte "Kinostart" von LIMBO in München darin besteht,
daß er in sage und schreibe einem Kino (und noch dazu dem Karlstor)
und ausschließlich auf deutsch läuft. The best laid plans...,
etc. Nichtsdestotrotzigerwen hat immerhin unser lieber Herr
Herrmann das neue Werk von John Sayles - einem der wichtigsten
unabhängigen Filmemacher Amerikas - gesehen und für sehr gut
befunden, und somit sei er allen, die das Grauen der
Synchronisation nicht gar so scheuen wie wir, hiermit ans Herz
gelegt. (Karlstor-Kino, tgl. 20:45)
Ansonsten eher eine Woche zum freudigen Wiedersehen als für
Neuentdeckungen: Jim Jarmush wunderschöner, morbider
Post-Western DEAD
MAN und Tarantinos Meisterwerk PULP FICTION in der
Lupe beide im Original mit Untertitel - und vor allem wer letzteren
so noch nie gesehen hat sollte (auch wenn's dafür geeignetere Kinos
gäbe) schleunigst diese Lücke schließen, denn auf Deutsch ist
dieser Film nicht mal ein Viertel wert. (DEAD MAN (OmU): Lupe
2, Do.-So. 22:15 ; PULP FICTION (OmU): Lupe 2, Mo.-Mi.
22:15) Im Filmmuseum als Eröffnung der neuen und überaus
begrüßenswerten "Midnight Movies"-Schiene der dafür hervorragendst
geeignete ERASERHEAD.
Immer noch David Lynchs eindringlichster, bizarrster und
persönlichster Film. Davor Lubitschs TO BE OR NOT TO BE, mit
Sicherheit eine der besten Komödien aller Zeiten und auch beim
zehnten Mal noch absolute Pflicht. (Wer mag, kann's gleich zum
schräg gemischten Double Feature machen.) Daselbst am Montag -
ebenfalls Pflichtprogramm - zu George Cukors 100. Geburtstag A STAR IS BORN in der
leicht gewöhnungsbedürftigen rekonstruierten Fassung (die Tonspur
ist komplett erhalten, aber in manchen Sequenzen gibt's nur
Standbilder als Illustration dazu, weil das optische Material
endgültig verloren scheint), die aber momentan trotzdem das optimal
Erreichbare darstellt.
Und dann beginnen innerhalb von zwei Tagen gleich drei der
neuen Reihen für September: Mit LAND DES SCHWEIGENS UND DER
DUNKELHEIT startet die mit Dokumentarfilmen Werner Herzogs,
der's bei aller potentieller Nervigkeit als einer der letzten
wahrhaft Kinoverrückten Deutschlands immer wieder verdient
hat, angeschaut zu werden. TOKYO JOKU IRASSHAIMASE (WILLKOMMEN IM TOKYO-HIMMEL) eröffnet
das Porträt Shinji Somai - hochgelobter Mizoguchi-Schüler;
ob atemberaubend oder langatmig, Pretiose oder prätentiös
wissen wir selbst noch nicht, aber als Fans des japanischen
Kinos gehen wir auf jeden Fall hin und lassen uns überraschen.
Und schließlich etwas, worauf wir (im Ernst!) schon lange
gewartet haben - eine Paul Verhoeven-Retro. Jawoll, genau
der Paul Verhoeven, BASIC INSTINCT, TOTAL RECALL, SHOWGIRLS
und so. Los geht's mit STARSHIP TROOPERS, des
guten Paul's Riefenstahl- und Veit Harlan-Remake/Parodie/Hommage,
das uns damals beim Kinostart nicht so völlig vom Hocker gehauen
hat, die aber durchaus nun mit etwas Distanz einen zweiten
Blick wert sein sollte.
(Filmmuseum: TO BE
OR NOT TO BE, Fr./Sa. 20:30; ERASERHEAD, Fr./Sa. 23:00; A STAR
IS BORN, Mo. 19:00; LAND DES SCHWEIGENS UND DER DUNKELHEIT,
Di. 19:00; TOKYO JOKU IRASSHAIMASE, Mi. 19:00; STARSHIP
TROOPERS, Di./Mi. 21:15)
Außerdem wollen wir es keinesfalls versäumt haben, schon wieder
auf die Asien-Reihe im Aeroport FJS hingewiesen zu haben. THE ODD
ONE DIES haben Sie jetzt schon wieder verpaßt, wenn Sie unseren
Tips der letzten beiden Wochen nicht gefolgt sind. Aber dafür kommt
jetzt THE HEROIC TRIO.
Insgesamt nicht ganz so großartig wie THE ODD ONE DIES, aber mit
drei der tollsten Frauen des Hong Kong-Kinos, Michelle Yeo, Anita
Mui und Maggie Cheung, vereint in einem Film! Wem das nicht Grund
genug ist, reinzugehen, ist doch selber schuld, jawohl, und
überhaupt... (Aeroport FJS, tgl. 22:30)
Ein Führer durch die versteckteren Kostbarkeiten des Münchner
Kinoprogramms ist selten eine Woche komplett ohne einen Hinweis auf
unser heißgeliebtes Werkstattkino (Übrigens auch einer der
Veranstaltungsorte des unten erwähnten Kurzfilmfestivals "Bunter
Hund"), das diesmal wieder so richtig beweist, warum es in dieser
Stadt das vielleicht unverzichtbarste Lichtspielhaus überhaupt ist:
In der 21:00 Uhr-Schiene gibt's was für Freunde der Filmkunst im
vertrauten Sinne des Begriffs - SAVRSENI KRUG (LE CERCLE
PARFAIT), ein preisgekrönter Film über zwei Kinder im
Bosnien-Krieg, der's hier nie regulär in die Kinos geschafft hatte.
Daß das Werkstattkino ihn spielt, ist uns in diesem Fall Empfehlung
genug, um davon auszugehen, daß der Besuch sich lohnt. Richtig
zur Sache geht's aber dann erst immer um 23:00 Uhr. Da wird Joe
D'Amato (geboren als Aristide Massaccesi, tätig auch unter
Dutzenden anderer Pseudonyme) gedacht, der, von der großen
Öffentlichkeit kaum beachtet, Anfang dieses Jahres von uns gegangen
ist. Einer der größten Schundfilmer dieses Jahrhunderts, in einer
Klasse mit Leuten wie Jess Franco und Lucio Fulci, nur ziemlich
frei von den gelegentlichen intellektuellen Anflügen, die sich
manchmal in deren Werke verirrt haben. Bei rund 100 Filmen hat er
Regie geführt (genau ist das schwer zu sagen) und dabei einige der
meistgeschmähten und verachtetsten Streifen der Filmgeschichte
abgeliefert; Sex und Gewalt, am besten noch gnadenlos vereint,
waren seine Lieblingsthemen, von gutem Geschmack hat er
wahrscheinlich nicht einmal gewußt, daß es sowas gibt. Seine Filme
muß man weder gelungen noch schön finden (und oft genug kann man
das auch wirklich beim besten Willen nicht), aber er war einer
derjenigen, die stets dafür gesorgt haben, daß man nie vergaß, daß
Kino ein dunkler, verbotener, schmutziger, gefährlicher Ort sein
kann, stets auch wieder sein muß. Es gibt zu wenige noch von
ihnen. (Wer das genaue Programm der kleinen Hommage wünscht,
besorge sich einen der Werkstattkino-Flyer, die beispielsweise im
Filmmuseum ausliegen, oder rufe dort - bevorzugt abends - unter 260
72 50 an.) (LE CERCLE PARFAIT: Werkstattkino, Do.-Di. 21:00;
In memoriam Joe D'Amato: Werkstattkino, Do.-Di. 23:00)
Ja und dann...? (Um mal ganz unmotiviert die Spider Murphy Gang
zu zitieren.) Ja und dann...? Dann gibt es noch den besonderen
Tip unseres werten Herrn Oehmann. Der hat nämlich auch wieder was
zur audiovisuellen Gestaltung dieser Woche zu empfehlen. Und zwar
wäre das: "Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die Artechock-Redaktion
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